Platz 4
Rainer Werner Fassbinder, Deutschland / Italien 1980
„Game of Thrones“, „Dexter“, „House of Cards“, „True Blood“, „Justified“, „Hannibal“ und noch viele mehr haben bewiesen, dass sich auch Serien gern und häufig auf literarische Vorlagen beziehen und die epische Breite des Mediums nutzen, um ihren Vorlagen mal mehr und mal weniger getreu zu huldigen. Autorenfilmer Rainer Werner Fassbinder jedoch hat schon mit den erzählerischen Möglichkeiten des Formates experimentiert, als HBO noch ein kleiner Pay-TV-Sender mit dem Hauptaugenmerk auf Box- und Busen-Programmen war. 1980 machte er sich an die epische Verfilmung seines Lieblingsromans aus der Feder von Alfred Döblin und erzählte in 13 Folgen und einem (überbordenden) Epilog die Geschichte des einstigen Häftlings Franz Bieberkopf (Günter Lamprecht), der versucht, nach seiner Entlassung wieder Fuß in der Gesellschaft der Weimarer Republik zu fassen, jedoch immer wieder an seiner Bindungsunfähigkeit in Bezug auf die Frauen in seinem Leben (unter anderem Hanna Schygulla, Elisabeth Trissenaar, Karin Baal und Barbara Sukowa) scheitert und bald wieder in die Unterwelt abrutscht, wo ihn mit dem diabolischen Reinhold seine Nemesis begegnet.
Anders als viele andere Serien wird hier ein Autorengestus hochgehalten, wie man ihn sonst eher von Filmen her kennt. So führte Fassbinder bei allen Folgen selbst Regie und machte in seiner Arbeitsweise keinen Unterschied zwischen Fernsehen und Kino. Zusammen mit Kameramann Xaver Schwarzenberger tauchte er Biberkopfs aus Kaschemmen, Hinterhöfen und Absteigen bestehende Welt in ein sepiabraunes Zwielicht und immer schien es, als ob sich in jedem der Schatten ein neuer emotionaler Tiefschlag versteckt, der nur darauf wartet, auf den Antihelden niederzusausen. Ein großes Erlebnis, das danach schreit, möglichst am Stück genossen und durchlitten zu werden. Und überhaupt. Eine Serie, die von der Bild-Zeitung und anderen Springer-Medien als „Orgie von Gewalt, Perversion und Blasphemie“ mit „entnervende[r] Pissoir-Atmosphäre“ und „Bettszenen mit sado-masochistischem Einschlag“ gegeißelt wurde, kann nur gut sein.