Die Kollegen von Collider schafften es, "Sherlock"-Mitschöpfer Steven Moffat zu einem ausführlichen Interview einzuladen. Darin plauderte er munter über die vergangene Staffel, die beiden Stars Benedict Cumberbatch und Martin Freeman, weibliche Figuren in den Geschichten, Erzfeinde und die Pläne für die Zukunft.
Spoileralarm: Wer die dritte Staffel "Sherlock" noch nicht gesehen hat, sollte auf keinen Fall weiterlesen!
Steven Moffat und sein Co-Schöpfer Mark Gatiss sind sehr stolz, dass sie mit ihrer "Sherlock"-Version eine der beliebtesten Adaptionen der berühmten Geschichten von Arthur Conan Doyle erschaffen haben: "Eine eigene Version zu machen, ist im Grunde nur ein großartiges Vergnügen. Ein Fanboy-Vergnügen. Ich denke, ich kann sagen – voller Scham darüber, dass ich nicht bescheiden bin – dass es ein riesiger Erfolg ist und Leute tatsächlich denken, es sei eine der besten Versionen. Wir haben letztens die Preise zusammengerechnet und kamen auf über 60 Stück, was ziemlich viel ist für nur neun Filme. Das ist der Wahnsinn! Es ist alles so unglaublich schnell passiert." Besonders für Hauptdarsteller Benedict Cumberbatch habe sich einiges geändert: "Benedict Cumberbatch konnte einfach so in diesem Mantel mit Martin durch die Straßen von London laufen. Jetzt ist die Idee, man könnte dies machen, ohne einen Aufstand auszulösen, lächerlich. Ganz plötzlich wurde Benedict Cumberbatch von einem Unbekannten zur berühmtesten Person Londons."
In der dritten Staffel bekommt das Duo Gesellschaft von John Watsons Frau Mary, gespielt von Martin Freemans tatsächlicher Lebenspartnerin Amanda Abbington. Dass diese gar nicht so harmlos ist, wie angenommen, wird erst in der dritten Folge enthüllt. Moffat ist sich sicher, dass man den Twist hätte vorhersehen können, jedoch überraschte er die meisten Fans: "Der Grund, warum man es nicht sofort erkennt, ist, dass man sie mag. Wir haben die Zuschauer in die Perspektive von Sherlock Holmes versetzt. Die ganzen Beweise sind direkt vor der Nase. Sie ist unter Druck viel zu ruhig, niemand menschliches ist so. Sie mag Sherlock sofort, was ein sicheres Zeichen für eine Irre ist. Aber die Zuschauer denken sich nur 'Gott sei Dank ist sie keine Langweilerin. Gott sei Dank ist sie witzig', anstatt 'Was für eine Person ist sie? Das ist keine Krankenschwester, sie muss etwas anderes sein.' Als sie sich dann umdreht und ihre Pistole auf Sherlock richtet, ist es genau das, was man wirklich will: Es ist eine Überraschung, aber man denkt sich auch, dass man es hätte wissen müssen."
Dass die Serie viele starke, weibliche Figuren hat, ist gar nicht so selbstverständlich, denn in den Originalgeschichten gäbe es nicht viele davon und die, die auftauchen, seien etwas langweilig. Deshalb ist Steven Moffat stolz darauf, dass er beispielsweise Mary, Mrs. Hudson und Irene Adler mehr Tiefe geben und eine Figur wie Molly etablieren konnte: "Ich vergesse manchmal, dass Mrs. Hudson in den Geschichten nicht wirklich viel sagt und wir haben ihr eine riesige Rollte gegeben. Sie hat eine schöne weibliche Perspektive. Und Molly war noch nicht einmal in den Originalgeschichten, aber sie hat so gut funktioniert, dass wir sie einfach behalten haben. Und sie hat sich so sehr weiterentwickelt und verändert. Sie hat eine ganz, ganz andere weibliche Perspektive." Mary habe die interessanteste Sichtweise, denn sie habe, wie viele andere Frauen, Sherlock viel schneller durchschaut, bevor dieser sie durchschauen konnte. John Watson sei immer wieder davon verzaubert. "Eine weibliche Sichtweise in 'Sherlock' einzubringen ist meiner Meinung nach genial, es funktioniert so gut."
Was viele Fans wohl am meisten überraschte, war das Finale der dritten Folge der Staffel, denn dort wurde eine Rückkehr des Erzfeindes Moriarty (Andrew Scott) angedeutet, der sich aber eigentlich im Finale der zweiten Staffel selbst umbrachte. Oder? "Die Sache mit Moriarty ist offensichtlich eine totale Täuschung, aber es macht trotzdem Spaß". Später ging Moffat noch einmal genauer darauf ein und erzählte, dass sein eigener Sohn scheinbar die einzige Person sei, die das Rätsel um Moriarty lösen konnte: "Es ist der langfristigste Plan, den wir jemals hatten. Es gibt einige Dinge, die man Last Minute ändert, […] doch den Moriarty-Plan gab es schon seit dem Ende der ersten Staffel und ganz besonders seit dem Ende der zweiten. Es ist ein guter Plan, er funktioniert. Mein Sohn hat ihn erfasst, also muss er gut sein. Niemand anders hat ihn gelöst."
Doch wie wir in der ersten und zweiten Folge der dritten Staffel ahnen konnten, benötigt Sherlock Holmes nicht immer unbedingt einen Erzfeind, woran Moffat noch einmal eindringlich erinnerte. Es gäbe eine Menge Sherlock-Holmes-Geschichten ohne Bösewichte und manchmal sogar ohne Verbrechen. Meistens seien sie einfach spannende, kleine Rätsel und es sei wichtig, sich daran zu erinnern, dass Sherlock Holmes auch ohne einen Meisterkriminellen funktionieren muss. An dieses Mantra haben sie sich bei der Erschaffung des Gegners in der dritten Staffel, Magnussen (Lars Mikkelsen), gehalten: "Tatsächlich waren wir sehr vorsichtig mit Magnussen und sagten, er sei kein Meisterverbrecher. Er ist nicht wirklich nett, er ist ein schlechter Mensch, aber er hat keine Ahnung. Er kriegt nur etwas Geld und das ist der einzige böse Plan, den jeder jemals hatte."
Für die zukünftigen Staffeln, die Steven Moffat bereits in einem früheren Interview ankündigte, können sich Fans auf weitere spaßige Gruppendynamiken zwischen Sherlock, John und Mary freuen: "Sie sind großartige Menschen. Sie sind zwar alle böse Menschen, aber das ist egal, denn sie sind böse zusammen."
Wann es mit den Abenteuern der drei weitergeht, ist noch unklar. Moffat arbeitet gerade an der neuen Staffel "Doctor Who" und versucht, die vollen Terminpläne von Benedict Cumberbatch und Martin Freeman abzugleichen, um Zeit für den Dreh zu finden. Eine Ausstrahlung zu Weihnachten 2014 wäre schön, sei aber leider nur eine Hoffnung. Jedoch ist er zuversichtlich, dass die Serie noch langlebig wird, da das Format mit drei 90-Minuten-Folgen pro Staffel perfekt funktioniere. "Wenn wir 'Sherlock' auf die übliche Art gemacht hätten, sechs oder zwölf Folgen, wäre es mittlerweile zu Ende, denn Martin und Benedict hätten nach der ersten Staffel nie die Zeit gefunden. […] Wenn man einen Star aus jemandem macht, hat man die Chance, sie zu behalten, wenn man nicht darauf besteht, dass sie neun Monate im Jahr an der Produktion arbeiten", ist sich Steven Moffat sicher.
Die dritte Staffel von "Sherlock" wird zu Pfingsten 2014 im Ersten ausgestrahlt.