Neil deGrasse Tyson, bekannter Astrophysiker und Kosmologe sowie im amerikanischen TV oft präsente Medienperson und Autor von mehreren Fachbüchern und Artikeln, hat sich den Weltraumthriller "Gravity" angeschaut und auf seinen Realismus untersucht. Während wohl die meisten von uns beeindruckt waren von der gesamten visuellen Darstellung und kaum Zweifel hatten, dass Sandra Bullock und George Clooney "völlig losgelöst" durchs All schweben könnten, und auch Astronaut Buzz Aldrin die Realitätsnähe bestätigte, widersprach Experte Neil deGrasse Tyson in einigen wenigen Punkten. Via Twitter deckte er unter dem Stichwort "Mysteries of #Gravity" mehrere Logiklöcher auf, die die meisten wohl sonst nicht bemerkt hätten.
Folgende Fehler und kleinere Ungereimtheiten entdeckte er (Achtung, mögliche Spoiler!):
- Warum ist Sandra Bullock, eine Medizinerin, auf einer Mission am Hubble Teleskop?
- Warum sind Hubble, die ISS und eine chinesische Weltraumstation alle in einer Sichtlinie? (In Wirklichkeit haben Hubble und die ISS komplett verschiedene Umlaufbahnen und befinden sich an unterschiedlichen Orten über der Erde, sind also viel zu weit voneinander entfernt)
- Warum treffen George Clooney und Sandra Bullock mit einem kleinen Ruck in der Schwerelosigkeit wieder zusammen, nachdem er das Seil losließ und wegdriftete?
- Warum treiben Sandra Bullocks Haare in den ansonsten sehr überzeugenden Schwerelosigkeitsszenen nicht lose auf ihrem Kopf?
- Fast alle Satelliten haben eine Umlaufbahn von Westen nach Osten, aber in "Gravity" ist die Umlaufbahn der Trümmerteile von Osten nach Westen.
- Die Kommunikation der Satelliten wurde 230 Meilen über der Erde getrennt, aber die Kommunikationssatelliten schweben 100 Mal höher.
- Warum informiert der Astronaut George Clooney die Medizinerin Sandra Bullock darüber, was bei Sauerstoffverlust medizinisch passiert?
Zudem hatte er einen passenderen Titel für "Gravity" parat: "Angular Momentum", also die Tendenz, dass etwas oder jemand solange gleichmäßig rotiert, bis man von etwas anderem gestoppt wird (so wie Sandra Bullock).
Trotzdem stellte er klar, dass auch er den von Kritikern und Publikum gleichermaßen gefeierten Thriller sehr genossen hat und die katastrophale Zerstörung eines Satelliten und seine Nachwirkungen für sehr realistisch hält. Dieses Szenario mit immer größeren Folgeschäden könne auch in der Realität passieren.
Indes sprach das Magazin The Atlantic mit dem wissenschaftlichen Berater von "Gravity", Dr. Kevin Grazier, der schon bei mehreren Sci-Fi-Projekten wie "Battlestar Galactica" involviert war, über den Realismus von "Gravity". Dieser stellte klar, dass die Story eines Films oder einer Serie immer vor der Wissenschaft komme und damit oft Abstriche gemacht werden müssen. Eine zu penible realistische Darstellung ruiniere oft die Geschichte und das Ziel sei es, diese um eine glaubhafte, fundierte Wissenschaft zu bauen. Und das war in "Gravity" nicht anders, wo die von Neil deGrasse Tyson aufgedeckte Entfernung zwischen Hubble und der ISS für Alfonso Cuaróns Vision ein erhebliches Problem darstellte: "Nachdem ich mit Mr. Cuarón über die erheblich unterschiedlichen Umlaufbahnen von Hubble und der ISS diskutierte, schlug ich einen Kompromiss vor: wie wäre es, wenn wir für den Film ein fiktives Weltraumteleskop entwickeln, das besser zu erreichen ist als Hubble?"
Warum Alfonso Cuarón, der laut Dr. Kevin Grazier erstaunlich viel über Astrophysik recherchiert hatte, letztendlich doch an Hubble festhielt, ist unbekannt. Fest steht allerdings, dass "Gravity" unserer Meinung nach weiterhin eines der spannendsten Kino-Erlebnisse der letzten Jahre ist und raten jedem dringend, sich dieses von uns mit 5 Sternen ausgezeichnete Meisterwerk nicht entgehen zu lassen! Wer noch nicht überzeugt ist, dem empfehlen wir noch einmal den Trailer: