FILMSTARTS: Gibt es spezielle Regeln, an die man sich halten sollte, wenn man bei einem so großen Franchise wie „G.I. Joe“ Regie führt?
Jon M. Chu: Ich habe vor allem die Erfahrung gemacht, dass wir inzwischen die nötigen Technologien besitzen, um den Fans wirklich zuzuhören. Wir können mit den Fans sprechen – das ist sicherlich nichts für jeden Regisseur, aber ich liebe es, bei Filmen zu kollaborieren. Ich liebe es von den Menschen zu hören, was sie in einem Franchise sehen wollen, besonders da das Franchise seine Existenz ja allein den Fans verdankt. Ich respektiere das sehr. Erstmals in der Geschichte des Filmemachens können wir uns in Realzeit mit den Fans austauschen und ihr Feedback einholen. Das hat mir bei „G.I. Joe” wirklich sehr geholfen.
FILMSTARTS: In welchem Verhältnis steht „G.I. Joe: Die Abrechnung“ zum ersten Film?
Jon M. Chu: Wir wollten den ersten Film auf keinen Fall ignorieren. Denn ich liebe den ersten Film, er hat viel Spaß gemacht. Außerdem hat er eine Menge Geld eingespielt, es haben ihn also viele Menschen gesehen, darüber konnten wir nicht einfach hinweggehen. Wir haben also einige Elemente genommen, die im ersten Film eingeführt werden, und uns diese dann zu Eigen gemacht. Storm Shadow und Snake Eyes sind ein gutes Beispiel dafür. Wir kennen bereits ihre Hintergrundgeschichte und wissen um ihre Rivalität.
Wir mussten also nichts mehr aus ihrer Kindheit zeigen, sondern konnten sie direkt auf einem Berg in einem epischen Duell gegeneinander antreten lassen. Das wäre nicht gegangen, wenn wir noch einmal von Null hätten anfangen müssen. Es hilft auch, dass Duke im Film ist. Denn das zeigt, dass auch bedeutende Charaktere in diesem Film wirklich in Gefahr geraten können… wirklich jeder kann jederzeit sterben! Trotzdem wollten wir natürlich wie im ersten Film so viel Spaß wie möglich haben – da galt es, einfach die richtige Balance zu finden.
Regisseur Jon M. Chu am Set von "G.I. Joe 2: Die Abrechnung"!
FILMSTARTS: Wie hast du entschieden, welche Joes im zweiten Teil neu hinzukommen sollen?
Jon M. Chu: Wir sind die ganze Liste an verschiedenen Joes durchgegangen. Und natürlich gibt es etliche Figuren im „G.I. Joe“-Universum, die wir hätten auswählen können. Aber zu meinen Favoriten zählten eben Firefly und Roadblock, auch weil ich die als Kinder schon geliebt habe. Sie zum Leben zu erwecken, hat deshalb besonders viel Spaß gemacht. Roadblock war immer ein Nebencharakter, aber mit Dwayne Johnson in der Rolle haben wir ihn zum Mittelpunkt gemacht.
Um einen Gegenspieler auf Augenhöhe für The Rock zu finden, der auch im waffenlosen Zweikampf mit ihm mithalten kann, mussten wir dann jemand großen und kräftigen finden – und dieser Anforderung sind nun mal Firefly und dann auch Firefly-Darsteller Ray Stevenson gerecht geworden. Dass ist auch der Grund, warum wir Firefly ein bisschen weniger „Ninja“ und dafür brutaler gemacht haben. Außerdem liebe ich die Idee, dass für ihn Explosionen keine Zerstörung bedeuten. Die Energie geht bei der Explosion nicht verloren, sie kreiert vielmehr etwas Neues. Es gibt für Firefly keine Zerstörung, nur Evolution. Wenn er etwas in die Luft jagt ist das für ihn, als ob er etwas Neuem das Leben schenkt – und darim sieht er eben eine ganz besondere Schönheit.
FILMSTARTS: Wie sprichst du mit deinem Film gleichzeitig die alten und die neuen Fans von „G.I. Joe“ an?
Jon M. Chu: Das war eine echte Herausforderung. „G.I. Joe“ ist ein schwieriges Franchise, weil jede Generation ihre eigene Vorstellung davon hat, was „G.I. Joe“ überhaupt ist. In den 60ern stand „G.I. Joe“ für 12-Inch-Actionfiguren. Für mich waren es hingegen die Cartoons aus den 80ern. Für wieder andere sind es vor allem die Comics oder die neue Cartoon-Serie. Es war deshalb sicherlich eine unserer Hauptaufgaben, eine Brücke zwischen diesen Fraktionen zu schlagen. Das ist auch einer der Gründe, warum wir Bruce Willis dazu geholt haben, um das Aufeinandertreffen von Old-School-Joes und New-School-Joes auch im Film zu zeigen. Am Ende wurde diese Herausforderung sogar zu unserer größten Stärke, denn so konnten wir alle alten Vorstellungen, was einen „G.I. Joe“-Film ausmachen muss, vom Tisch wischen und von Grund auf neu beginnen.
FILMSTARTS: Warum wurde „G.I. Joe: Die Abrechnung“ um fast ein ganzes Jahr verschoben?
Jon M. Chu: Schon während wir den Film drehten und schnitten, haben wir immer wieder gesagt, dass dieses oder jenes in 3D absolut großartig aussehen würde. Und einen Monat vor Kinostart hatten wir dann ein Meeting, in dem wir uns den Film in 2D angeschaut und entschlossen haben, dass er wirklich besser in 3D sein sollte, weil es den Film tatsächlich besser machen würde.
Es war unsere Absicht, das Publikum auf ein verrücktes Abenteuer rund um den Globus mitzunehmen – Ninjas, Dwayne Johnson und Bruce Willis inklusive! Und 3D verstärkte dieses Erlebnis noch. Ich habe allerdings einen Ruf in der 3D-Welt zu verlieren, also war ich sehr glücklich, als Paramount verstand, dass ich die 3D-Fassung nicht einfach in zwei Monaten hinrotzen kann. Ich musste sie nicht einmal in vier Monaten fertighaben, sondern durfte mir ein ganzes halbes Jahr dafür zeitnehmen. Am Ende ist ein Starttermin im März dabei herausgekommen, wodurch wir dann sogar noch einmal ein wenig mehr Zeit hatten. Ich konnte den Prozess also viel sorgfältiger angehen als allgemein üblich.
Jon M. Chus neuer Hauptdarsteller: Dwayne Johnson als Fanliebling Roadblock!
FILMSTARTS: Du musstest eine Menge harter Entscheidungen bei „G.I. Joe 2“ treffen – zum Beispiel jene, viele der Figuren des ersten Films loszuwerden. Welche Entscheidung war für dich denn die schwierigste?
Jon M. Chu: Wir hatten eine große Crew und inklusive Statisten zum Teil 500 bis 600 Leute am Set. Und wir hatten eine große Stuntszene, in der wir einen Hummer in die Luft gejagt haben, wobei dieser sechs Meter in die Höhe und sechs Meter nach vorne fliegen sollte. Es hat zwei Wochen gedauert, diese mit 13 Kameras gefilmte Explosion vorzubereiten. Und am Ende des Takes gucken alle auf dich und wollen wissen, ob wir es noch einmal machen müssen. Das würde allerdings bedeuten, noch einmal 24 Stunden alles neu vorzubereiten und die Stuntleute noch einmal der Gefahr auszusetzen.
Auf mir lastete deshalb eine Menge Druck, wenn ich gesagt habe: „Nun ja, die Aufnahme war gut, aber sie hätte noch einen Tick besser sein können.“ So einen Druck habe ich noch nie zuvor gespürt. Und selbst wenn es nur darum ging, dass jemand eine Treppe runterfällt, ist es mir jedes Mal schwer gefallen, dem Stuntman zu sagen, dass er es noch einmal machen muss.
FILMSTARTS: Wenn du ein weiteres deiner Lieblingsspielzeuge aus deiner Kindheit verfilmen solltest, welches würdest du wählen?
Jon M. Chu: Nun ja, sie machen ja gerade einen „Teenage Mutant Ninja Turtles“-Film, das hätte mir auch Spaß gemacht, denn ich liebe die Turtles. Und ich bin wirklich froh darüber, als nächstes „Masters of the Universe“ machen zu dürfen, denn auch He-Man war eines meiner Lieblingsspielzeuge. Aber am Ende bin ich eben doch vor allem mit „G.I. Joe“ aufgewachsen. Ich habe mit meinen Joes im Sand, im Matsch und auf Bäumen gespielt, also fühlte ich mich gleich wieder wie mein 12-jähriges Ich, als dieser gewaltige H.I.S.S. Panzer vor meinen Augen für den Film gebaut wurde.