Wenn Christopher Nolan auf einmal eine romantische Komödie oder Woody Allen einen „Transformers“-Film drehen würde, könnte die Irritation kaum größer sein: Ausgerechnet der Däne Nicolas Winding Refn, der mit meist mit Gewalt gespickten Exzessen wie den „Pusher“-Filmen, dem FSK-18-Meisterwerk „Drive“ oder „Only God Forgives“ für gehörig Aufsehen gesorgt hat, hat eine Neuverfilmung von Enid Blytons Kinderbuch-Serie „Fünf Freunde“ entwickelt – und das auch noch für die altehrwürdige BBC.
Co-Produziert hat das ZDF, wo die drei 90-Minüter als Weihnachtsgeschenk an den Feiertagen laufen werden. Schon drei Wochen vorher gibt es sie jetzt aber bereits zum flexiblen und kostenlosen Streamen: Alle drei Folgen der ersten Staffel der „Fünf Freunde“-Neuauflage können ab dem heutigen 5. Dezember 2024 in der ZDF Mediathek abgerufen werden.
"Fünf Freunde" von Nicolas Winding Refn – aber trotzdem noch für Kinder
Fans von Refn, die nun eine richtig harte Version der Kinderbücher erwarten, in der die Kinder sozusagen über die Stränge schlagen, sollten allerdings ihre Hoffnungen zügeln: Diese „Fünf Freunde“ sind tatsächlich Kinderfilme und in erster Linie für Kinder gemacht, auch wenn es kleine, irritierende Momente gibt, die man vielleicht als den Refn-Touch bezeichnen könnte.
Was Refn dazu veranlasste, sich an eine Neuverfilmung einer der erfolgreichsten Kinderbuch-Reihen überhaupt zu wagen, ist nicht leicht zu sagen. Seine eigenen Kinder sind längst Teenager und daher aus dem „Fünf Freunde“-Alter schon länger raus. Aber als Kind der 70er Jahre wird Refn selbst wohl die erste auch in Deutschland sehr erfolgreich gelaufene Serien-Adaption der Nachwuchsermittler-Geschichten kennen. Die älteren Leser und Leserinnen dürften sich mit feuchten Augen an den Titelsong erinnern, in dem in der deutschen Fassung gesungen wurde: „Fünf Freunde, das sind wir, wir kommen schnell herbei, wann immer man uns braucht und dann sind wir da, sind wir da!“
Nostalgischer Trip in die Vergangenheit ...
Ja ja, die gute alte Zeit und in die führt nun auch die Neuverfilmung, bei der Refn als Schöpfer und Produzent fungiert. Die Regie bei den drei 90-Minütern hat er indes soliden Handwerker wie „The Pentaverate“-Regisseur Tim Kirkby überlassen, die Drehbücher schrieb unter anderem Refns langjähriger Produzentenpartner Matthew Read, der ansonsten auch als Produzent von „Peaky Blinders“ aktiv war.
Interessant an dieser Neuverfilmung ist nicht zuletzt, was sie nicht macht: Die ursprünglich in den 40er Jahren geschrieben und spielenden Bücher werden nicht in die Gegenwart verlegt und modernisiert. Hier gibt es keine altklugen modernen Kinder, die dauernd auf ihr Smartphone schauen und gar nicht auf die Idee kommen würden, die Abenteuer zu erleben, die diese 40er-Jahre-Kinder erleben. Angesichts der teilweise herben Kritik, mit der die Bücher der schon 1968 verstorbenen Enid Blyton heutzutage oft bedacht werden, hätte man genau das Gegenteil erwarten können.
Zwar ist Blyton mit gut 700 Millionen verkauften Büchern weltweit eine der erfolgreichsten Autorinnen aller Zeiten, zwangsläufig finden sich in ihren Büchern aber Weltbilder, Beschreibungen von Minderheiten oder Ausdrücke, die in der gegenwärtigen Zeit, irritieren können. Doch um solche zeitgeistigen Aspekte kümmern sich Refn und seine Mitstreiter nicht. Sie halten sogar an den im Englischen einst völlig unproblematischen, inzwischen aber als problematisch wahrgenommenen Namen wie Dick und Fanny fest, auf Deutsch vulgäre Versionen der Begriffe Penis und Vagina...
Betont altmodisch wirken nun auch die fünf Freunde selbst: Julian (Elliott Rose), Dick (Kit Rakusen), Anne (Flora Jacoby Richardson) und Georgina (Diaana Babnicova) und natürlich Timmy, der Hund. In malerischer Landschaft wachsen sie auf, ihre Eltern sind so reizend und liebevoll, dass man sich wie in einem rührigen Familien-Film aus den 40ern fühlt.
... mit einer Prise Refn und "Indiana Jones"
Allein die mit bonbonbunten Farben und Synthie-Pop unterlegten Anfangstitel deuten an, dass man sich irgendwie doch in der Welt von Nicolas Winding Refn befindet, der zu Protokoll gab, dass er sich für diesen Dreiteiler unter anderem von griechischer Mythologie, Alfred Hitchcock und den „Indiana Jones“-Filmen inspirieren ließ. In der ersten Episode wird so ein Schatz der Tempelritter zum Objekt der Begierde, in der die fünf in Indiana-Jones-Light Manier Höhlen erkunden und versuchen, ihrer Nemesis ein Schnippchen zu schlagen.
Denn mit dem durch „Game Of Thrones“ bekannt gewordenen Jack Gleeson hat Winding eine Art Moriarty-Figur erdacht, der als schmierigen Großgrundbesitzer Thomas Wentworth in Folge 1 und 3 auftaucht – und vielleicht auch in der schon geplanten zweiten Staffel. Die gab die BBC schon bald nach dem Original-Debüt der ersten Folge in Auftrag, denn die erwies sich als meistgestreamte Serienfolge auf dem BBCPlayer.
Ob für diesen Erfolg vor allem junge Zuschauer und Zuschauerinnen verantwortlich waren oder auch die älteren, die Eltern ihren Teil beigetragen haben? Ohne in oberflächliche Nostalgie abzudriften, gelingt Nicolas Winding Refn mit der Neuauflage der „Fünf Freunde“ jedenfalls ein Dreiteiler, der gerade zu Weihnachten zeigt, dass klassische Kinderstoffe nicht mit der Brechstange modernisiert werden müssen, sondern man sich durchaus einfach auf den Charme der Vorlage verlassen kann.
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