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    Neu auf Amazon Prime Video: Ein verstörender Psycho-Thriller, der euch in den Wahnsinn treibt
    Lars-Christian Daniels
    Lars-Christian Daniels
    Hollywood-Blockbuster schaut Lars immer seltener – das neueste James-Bond-Abenteuer lässt er sich aber nie entgehen. Ansonsten trifft man den vielleicht größten "Tatort"-Experten des Landes vor allem auf Filmfestivals und im Arthouse-Kino.

    „Black Swan“ war für fünf Oscars nominiert – Natalie Portman gewann ihn als beste Hauptdarstellerin. FILMSTARTS-Autor Lars-Christian Daniels empfiehlt euch den ab heute im Flatrate-Abo von Amazon Prime Video enthaltenen Thriller zu streamen.

    Als ich „Black Swan“ einst in Begleitung meiner besseren Hälfte im Kino ansah, musste ich nach dem Abspann erst mal eine deftige Standpauke über mich ergehen lassen. Meine eher zartbesaitete Freundin war vorm Kauf des Kinotickets nämlich davon ausgegangen, dass es sich bei Darren Aronofskys starbesetztem Box-Office-Hit um eine harmlose Neuverfilmung des Tschaikowski-Klassikers "Schwanensee" handelt, der seit Jahrzehnten auf Ballettbühnen rund um den Globus zu sehen ist…

    … und lag mit dieser Einschätzung natürlich völlig daneben. "Black Swan" ist eher ein Horror- als ein klassischer Tanzfilm. Und wer in falscher Hoffnung auf letzteren an ihn herangeht, schaut definitiv das Falsche. Das Werk von "The Whale"-Regisseur Aronofsky ist vielmehr ein verstörender und visuell beeindruckender Psychothriller, in dem die virtuos inszenierten Ballettproben den erzählerischen Rahmen für die mitreißende Story und ein hochemotionales Finale bilden.

    Ab heute könnt ihr „Black Swan“ ohne Zusatzkosten im Flatrate-Abo von Amazon Prime Video streamen. Alternativ ist der FSK-16-Titel auch im Programm von Disney+* zu sehen. Oder ihr legt ihn euch auf Blu-ray/DVD* zu.

    Darum geht es in "Black Swan"

    Ein angesehenes New Yorker Ballett-Ensemble plant eine Neuinszenierung von Tschaikowskis "Schwanensee". Wenngleich die ehrgeizige und sensible Ballerina Nina (Natalie Portman) härter trainiert als jede andere in der Gruppe, glaubt sie nicht so recht an ihre große Chance auf die Hauptrolle. Der exzentrische Regisseur Thomas (Vincent Cassel) will den weißen und den schwarzen Schwan nämlich von derselben Tänzerin performen lassen, traut Nina aber nur den weißen Schwan zu. Als sie bei einer Probe patzt, scheint der Traum endgültig geplatzt – sehr zur Enttäuschung ihrer Mutter Erica (Barbara Hershey), die früher selbst Ballerina, aber bei weitem nicht so erfolgreich wie ihre Tochter war.

    Als Nina noch einmal das Gespräch mit Thomas sucht, bedrängt der sie plötzlich. Sie weist ihn schmerzhaft zurück. Der Regisseur erkennt dadurch, dass Nina so kraftvoll und energisch aus sich herausgehen kann, wie er sich das für den schwarzen Schwan wünscht – und besetzt sie prompt für die Hauptrolle. Für Nina ist das aber der Auftakt zu einem Tag für Tag schlimmeren Albtraum: Die Ballerina steht unter enormem psychischen Druck und wird zunehmend paranoid. Schon bald plagen sie furchtbare Halluzinationen. Und da ist auch noch die ähnlich talentierte Lily (Mila Kunis), die es auch auf die Hauptrolle abgesehen hatte und Thomas um den Finger wickelt…

    Ist sie der Herausforderung gewachsen? Nina (Natalie Portman) ergattert die begehrte Hauptrolle als weißer und schwarzer Schwan. Twentieth Century Fox
    Ist sie der Herausforderung gewachsen? Nina (Natalie Portman) ergattert die begehrte Hauptrolle als weißer und schwarzer Schwan.

    Dass "Black Swan", wie eingangs umrissen, kein harmloser Tanzfilm ist, offenbart sich schon in den Auftaktminuten. Der Film beginnt damit, dass Nina im strahlend weißen Schwanenoutfit zu den berühmten Tschaikowski-Klängen einsame Pirouetten auf der Bühne dreht. Publikum ist keines zu sehen. Ihr Auftakttanz erinnert an eine Spieluhr-Figur – eine Metapher, die später aufgegriffen wird. Dann gesellt sich ein schwarz gekleideter Mann zu ihr. Die Musik wird plötzlich dramatisch, fast dröhnend. Er verwandelt sich in eine schwarz gefiederte Horror-Gestalt und wirbelt sie beim Tanz durch die Luft. Ihr Blick wird panisch: Die Frau hat Angst. Als es vorbei ist, wirkt sie erleichtert. Dann wacht Nina auf.

    Nur ein einleitender Albtraum, zugleich aber ein Vorgeschmack auf die weitere Gangart. Die düstere Bildsprache, die so gar nichts mit der vermeintlichen heilen Ballett-Glitzerwelt gemeinsam hat, zieht sich wie ein roter Faden durch den Film. Ebenso das visuelle Spiel mit Licht und Schatten, mit Schwarz und Weiß, dem zentralen optischen Widerspruch aus "Schwanensee". Im Szenenbild findet er oft seine Entsprechung, etwa in Thomas' Wohnung oder Ninas Badezimmer. Die personifizierte Unschuld ist dem mächtigen und übergriffigen Regisseur schutzlos ausgeliefert; der Weinstein-Skandal und die #metoo-Bewegung lassen grüßen.

    Wenn es beim Zusehen weh tut

    Die Strapazen des beinharten, körperlich unheimlich fordernden Ballettsports werden ähnlich schonungslos eingefangen, und wir leiden mit Nina. Die zu Recht mit dem Oscar prämierte Natalie Portman ("Leon - Der Profi"), die bereits als Kind Ballett tanzte und ein Jahr lang für die anspruchsvolle Hauptrolle trainierte, verkörpert sie bravourös. Manchmal mag man kaum hinsehen. Ninas Zehen und Nägel sind blutig und zerschunden, ihre Bänder und Knochen am Anschlag. Jeder Burger kommt einer Todsünde gleich. Unter den Tänzerinnen herrschen Neid und Missgunst. Und als wäre das nicht genug, steht Nina unter der Fuchtel ihrer herrischen Mutter, die ihren eigenen, nie verwirklichten Traum vom großen Rampenlicht über ihre Tochter auslebt. Das ist ein Klischee, aber in Sportarten wie Ballett oder Eiskunstlauf eben auch Realität.

    Dirty Dancing in Ballerinas: Nina (Natalie Portman) und Thomas (Vincent Cassel). Twentieth Century Fox
    Dirty Dancing in Ballerinas: Nina (Natalie Portman) und Thomas (Vincent Cassel).

    Überhaupt ist die Wohnung, in der Nina (noch immer) mit ihrer strengen Mutter wohnt, ein ebenso spannender wie beklemmender Schauplatz, der gleichzeitig das Budget der nur 13 Millionen Dollar teuren Produktion schonte: Darren Aronofsky ("The Wrestler"), der mit "Black Swan" die 67. Filmfestspiele in Venedig eröffnete, schafft darin eine beengende, klaustrophobische Atmosphäre, der die labile Nina nur durch den Gang zur Ballettprobe entrinnt. Hier und da trägt der Filmemacher allerdings etwas dick auf: Ninas Zimmer etwa ist mit Kuscheltieren vollgestellt, die sie irgendwann entnervt in den Müllschlucker schmeißt, als die Metamorphose ihrer Figur vom unschuldigen Mädchen zu gereiften Frau danach verlangt. Das kann man subtiler erzählen.

    Gleiches gilt für das Figurengefüge: Die betont lockere Rivalin Lily trägt ausschließlich Schwarz und bildet den Gegenentwurf zur frigiden Nina – eine Variation der "Schwanensee"-Handlung. Die Rollen sind klar verteilt. Die aus San Francisco angereiste Tänzerin gibt sich entspannt statt verbissen, trägt ein großes Flügel-Tattoo auf dem Rücken, schmeißt Drogen ein und gibt dem toxischen Thomas sogar Widerworte, statt wie Nina gehorsam und unterwürfig zu sein. Mit Männern hat sie mehr Erfahrung, mit Manipulation aber auch. Je näher die beiden sich kommen, desto unsicherer sind wir, ob Lily die Konkurrentin geschickt ausbootet oder die paranoide Nina endgültig den Verstand verliert. Ein reizvolles Verwirrspiel, wenn auch ohne die ganz großen Überraschungen.

    Wahrheit oder Wahnvorstellung?

    Nicht von ungefähr ließ sich Darren Aronofsky von Fjodor Dostojewskis Novelle "Der Doppelgänger" (die kurze Zeit später als "The Double" mit Jesse Eisenberg in der Hauptrolle verfilmt wurde) inspirieren, denn der Verlust der eigenen Identität und Lebenswelt treibt auch das Geschehen in "Black Swan" voran. Das Doppelgänger-Motiv und der Kniff mit gruseligen Spiegelungen, die plötzlich nicht mehr dasselbe tun wie ihr Gegenüber, sind zwar eine vielbemühte Horrortechnik, werden hier aber unheimlich wirksam in Szene gesetzt. Dazu ein paar knackige Jump Scares und düstere Visionen, die sich mit dem realen Hier und Jetzt vermengen: Starkes Horrorkino, das früh angedeutet wird und sich im letzten Filmdrittel endgültig Bahn bricht.

    Und da ist noch das dramaturgisch erwartbare, aber dramatisch in Szene gesetzte und verstörende Finale, über das im Nachklapp diskutiert werden darf: "Black Swan" lässt beim Schlussakkord einige Fragen offen und bietet Spielraum für Interpretationen. Was ist wirklich geschehen, was hat sich Nina nur eingebildet? Wer Spaß an solchen Gedankenspielen hat, sollte sich den doppelbödigen, mit reichlich Horror-Elementen durchsetzten und auch in den Nebenrollen stark besetzen Psycho-Thriller nicht entgehen lassen.

    Black Swan
    Black Swan
    Starttermin 20. Januar 2011 | 1 Std. 43 Min.
    Von Darren Aronofsky
    Mit Natalie Portman, Mila Kunis, Vincent Cassel
    Pressekritiken
    3,8
    User-Wertung
    4,2
    Filmstarts
    4,0
    Auf Disney+ streamen

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    Dies ist eine aktualisierte Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.

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