Clint Eastwood ist einfach unverwüstlich. Das hat er nicht nur als einsamer Pistolero in diversen Western-Meisterwerken wie „Zwei glorreiche Halunken“ oder „Ein Fremder ohne Namen“ bewiesen. Auch im hohen Alter ist Eastwood noch immer produktiv wie eh und je. Inzwischen ist die Hollywood-Ikone 92 Jahre alt und dreht noch immer Filme, die zwar deutlich als Alterswerke zu erkennen sind, aber in den meisten Fällen einen ganz eigenen Charme aufbringen, der Kritiker*innen rund um den Globus zu überzeugen vermag.
So auch bei „Der Fall Richard Jewell“, der heute, am 13. Januar um 20.15 Uhr seine Free-TV bei ProSieben feiert. Das auf wahren Begebenheiten beruhende Drama aus dem Jahre 2019 wird allgemein auch als eine Rückkehr zur alten Stärke des Regisseurs gefeiert, nachdem dieser zuvor mit „American Sniper“ und „15:17 to Paris“ jede Menge Gegenwind über sich ergehen lassen musste.
Darum geht’s in "Der Fall Richard Jewell"
Wachmann Richard Jewell (Paul Walter Hauser) findet am Rande der Olympischen Spiele von Atlanta 1996 eine Bombe. Nachdem er die Behörden alarmiert, hilft er bei der Evakuierung der Passanten. Er wird zuerst als Held gefeiert, weil er es war, der eine größere Katastrophe verhindern konnte, obgleich es einen Toten und viele Verletzte gab. Doch schon kurze Zeit darauf dreht sich der Wind. Wusste Jewell womöglich von der Bombe, weil er sie selbst platziert hat? Für das FBI passt der übergewichtige Einzelgänger, der so gerne ein richtiger Polizist wäre, perfekt auf das Profil des Bombenlegers.
Und auch die Presse hat sich schnell eine Meinung gebildet. Journalisten wie die übereifrige Kathy Scruggs (Olivia Wilde) prägen mit ihren Schlagzeilen bald das Bild der Öffentlichkeit. Jeder Aspekt von Jewells (Privat-)Leben wird auseinandergenommen und er als möglicher Terrorist gebrandmarkt. Der engagierte Anwalt Watson Bryan (Sam Rockwell) sieht sich bald bei seinem Versuch, Jewells Unschuld unter Beweis zu stellen, einem Kampf gegen Windmühlen ausgesetzt...
Ein ungewöhnlicher Held gegen das System
In der offiziellen FILMSTARTS-Kritik gab es für „Der Fall Richard Jewell“ starke 4 von 5 möglichen Sternen. Das Fazit unseres Autor Michael Meyns fällt folgendermaßen aus:
„Basierend auf wahren Begebenheiten beschreibt Clint Eastwood in ‚Der Fall Richard Jewell‘, wie ein Mann erst zum Helden, dann zum Paria hochstilisiert wird – und am Ende doch noch den Kampf gegen das System und die Medien gewinnt. Eine ganz und gar nicht typische David-gegen-Goliath-Geschichte, die viele unangenehme Wahrheiten über unsere Zeit offenlegt.“
In „Der Fall Richard Jewell“ erzählt Clint Eastwood von einem unbescholtenen Mann, der in die Mühlen des Systems gerät. Interessant dabei ist die Spiegelung mit der Gegenwart, denn obwohl man Jewell ganz objektiv als einen Helden bezeichnen müsste, wird er binnen kürzester Zeit in eine Schublade gepackt – und die Sozialen Medien sorgen letztlich dafür, dass das Leben des ohnehin niemals für voll genommenen Jewell zur Hölle gemacht wird. Dass Jewell sich aus dieser Situation überhaupt befreien konnte, lag nur an seinem Anwalt Watson Bryant.
Clint Eastwood inszeniert das Ganze gewohnt formal zurückhaltend und nutzt die Naivität Richard Jewells, die auch seinen Anwalt ein ums andere Mal verzweifeln lässt, um darüber einen felsenfesten Glauben an die persönliche Gerechtigkeit zum Ausdruck zu bringen: „Wenn Jewell zum Ende endlich beginnt, für sich selbst geradezustehen, ist Eastwood klug genug, dies nicht als großen Triumph zu inszenieren, sondern als Sieg des kleinen Manns gegen das System. In diesem Fall ist der Held nicht unbedingt ein strahlender Sieger, sondern bleibt nachdenklich und einsam. So wie die klassischen Western-Helden, die nach dem Moment des Triumphs einsam in die Weite der Prärie ritten, von der Gesellschaft unverstanden, mit sich und ihrer Standhaftigkeit allein.“
Dies ist eine aktualisierte Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.