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    "Ich hatte mehr mit Hooligans gerechnet!": Florian David Fitz verrät uns, wie er für "Wochenendrebellen" deutsche Fußballstadien entdeckte
    Markus Tschiedert
    Markus Tschiedert
    Markus Tschiedert arbeitete schon während seines Studiums für die Berlinale und ist heute freier Journalist. Er leitet den ‚Club der Filmjournalisten Berlin‘, organisiert den Ernst-Lubitsch-Preis und veranstaltet Filmevents.

    „Wochenendrebellen“ erzählt die wahre Geschichte eines Vaters, der mit seinem autistischen Sohn durch deutsche Fußballstadien reist. Wir haben dazu mit Hauptdarsteller Florian David Fitz gesprochen, der selbst vorher eigentlich kein Fußballfan war...

    Leonine

    Als Mirco von Juterczenka seinem Sohn Jason versprach, ihm bei der Suche nach einem Lieblingsverein zu helfen, ahnte er nicht, was er damit lostreten würde. Jason ist Autist und lebt nach festen Regeln, die er auch für Suche auf den Lieblingsclub anwendet. Und dazu gehört, dass er auch erst einmal alle Vereine sehen will, bevor er sich entscheiden kann, Fan von einem zu werden. Seit über zehn Jahren reisen Vater und der mittlerweile volljährige Sohn durch die Stadien, berichten über ihre Abenteuer zuerst in einem Blog, dann in einem Buch. Nun kommt die Verfilmung ihrer Geschichte sogar ins Kino.

    Ab dem 28. September 2023 könnt ihr „Wochenendrebellen“ auf der großen Leinwand sehen. Mit Florian David Fitz („100 Dinge“) spielt dabei einer der größten deutschen Stars Vater Mirco – und konnte so auch selbst die deutsche Fußballlandschaft entdecken. Denn der Schauspieler und Filmemacher ist eigentlich kein Fußballfan … und hatte so eine Menge Vorurteile gegenüber Stadien. Da Regisseur Marc Rothemund und seine Crew gleich in mehreren Original-Arenen drehen konnten, durfte er diese aber ganz schnell abbauen.

    Daneben verrät uns der selbst auch als Regisseur und Autor tätige Fitz unter anderem auch, warum es gerade in der heutigen Zeit so wichtig ist, Geschichten zu erzählen.

    "Ich dachte, da müffelt es bestimmt überall!"

    FILMSTARTS: Du hast im Fußball keinen Lieblingsverein und es ist kein Sport, der dich wirklich reizt. Wie also hast du dich auf die Rolle des Vaters in „Wochenendrebellen“ vorbereiten müssen?

    Florian David Fitz: Das Gute ist ja, dass Mirco zwar den Verein Fortuna Düsseldorf mag, aber er ist jetzt nicht so ein krasser Fan geworden. Sein Sohn Jason ist da ja auch nur reingestolpert, weil um ihn alle herum von ihrem Lieblingsverein sprechen und er sich fragt, wie sein Lieblingsverein sein müsste. Damit begeben sich Jason und Mirko auf die Reise durch die deutsche Fußballlandschaft.

    FILMSTARTS: Die du für den Film auch antreten musstest…

    Florian David Fitz: Aber das fand ich total spannend. Anfangs hatte ich meine Vorurteile und dachte noch, da müffelt es bestimmt überall nach Altherrenschweiß und Schrebergarten, aber es war dann doch ganz anders. Unser erstes Stadion war Union in Berlin. Danach haben wir uns hochgearbeitet bis nach Dortmund, wo das größte Stadion steht. Mir ist immer wieder aufgefallen, wie liebevoll das alles wirkte.

    FILMSTARTS: Was meinst du mit liebevoll?

    Florian David Fitz: Na ja, ich hatte mehr mit Hooligans gerechnet. Dieses Verhalten gab es teilweise auch, aber vielmehr erlebten wir, mit was für einer Liebe die Leute da reingegangen sind. Ihre Bräuche, ihre gegenseitige Unterstützung - selbst in kleinen Vereinen. Also mir war das neu.

    Leonine
    Gedreht wurde in den echten Fußballstadien.

    FILMSTARTS: Hast du durch „Wochenendrebellen“ auch über Autismus noch etwas erfahren, was dir vorher nicht bekannt war?

    Florian David Fitz: Ich hatte schon das Gefühl, dass ich auch vorher schon mehr wusste. Der große Bekanntmacher war wahrscheinlich „Rain Man“. Plötzlich wussten alle, was Autismus ist, aber natürlich dachten auch alle, Autisten sind allesamt Inselgenies. Ich werfe eine Schachtel Streichhölzer auf den Tisch und ein Autist kann mir mit einem Blick sagen, wie viele das sind. Das ist natürlich überhaupt nicht die Realität. Die Mehrheit auf dem Spektrum ist nicht überdurchschnittlich intelligent.

    Das andere, womit man zu kämpfen hat, ist das was der echte Mirko ‚unsichtbare Behinderung‘ nennt. Es ist von außen nicht erkennbar, wie zum Beispiel ein Rollstuhl. Und so begegnen einem täglich Leute, die denken, du hast einfach nur ein unerzogenes Rotzgör. Man muss sich permanent erklären.

    FILMSTARTS: Wie war generell dein Austausch mit dem echten Mirko?

    Florian David Fitz: Den meisten Austausch mit Mirko und Jason hatte natürlich Richard Kropf, der Drehbuchautor, danach kam Marc Rothemund. Unser Austausch lief über Rückfragen. Stimmt es so, ist es die Geschichte wie sie euch am besten abbildet? Aber am meisten stand ich schon mit Richard und Marc in Kontakt.

    Interesse an spannenden Themen und Filmen mit Inhalt

    FILMSTARTS: In „Wochenendrebellen” steht ein autistischer Junge im Zentrum, in „Oskars Kleid“ ging es um ein Transkind, in „Vincent will Meer“ spieltest du einen am Tourette-Syndrom erkrankten Menschen. Woher kommt dein Interesse an solchen Themen?

    Florian David Fitz: Sterbehilfe, Religion, Materialismus - es gibt noch so viel mehr Themen, mit denen ich durch meine Arbeit schon konfrontiert wurde. Sie interessieren mich einfach, weil sie spannend sind. Es gibt größere Bögen, die uns alle beschäftigen, und man will mit Filmen keine leeren Hülsen produzieren, sondern sie sollen einen Inhalt haben.

    FILMSTARTS: Geht es dir dabei nur um die Themen oder auch um das Menschsein?

    Florian David Fitz: Natürlich geht es in jeder Geschichte auch ums Menschliche. Jeder, der sich den Film anschaut, wird verstehen, was da stattfindet. Nach Corona habe ich realisiert, wie sich die gesellschaftliche Stimmung so ein bisschen gedreht hat. Früher hatte ich immer das Problem, in Talkshows neben Leuten zu sitzen, die wirklich etwas gemacht haben, und ich war der Schauspieler.

    FILMSTARTS: ‚Nur‘ der Schauspieler?

    Florian David Fitz: Ich fand’s immer nicht so gerechtfertigt. Warum wird so ein Brimborium um unseren Beruf gemacht, wir sind doch nur Geschichtenerzähler. Jetzt denke ich, es ist bitternötig, dass wir nur Geschichten erzählen, und nicht im Sinne von ‚Was ist der Vorteil?‘ oder ‚Was will damit gesagt werden?‘. Vielleicht geht es erstmal darum, nur eine Geschichte zu erzählen. Vielleicht geht es erstmal darum, dass wir uns, genauso wie man früher ein Buch gelesen hat, für eine gewisse Zeit in den Schuhen einer anderen Person zu laufen, weil es unser Leben bereichert, und wir dadurch nicht nur ein Leben, sondern mehrere führen.

    Leonine
    Florian David Fitz mit Cecilio Andresen in "Wochenendrebellen".

    FILMSTARTS: Du meinst also, dass Geschichten existentiell sind?

    Florian David Fitz: Natürlich machen Geschichten etwas mit uns. Wenn ich in meinem kleinen Dorf in meinem kleinen Häuschen nur mein Leben gelebt habe, und mich das auch nur interessiert hat, bin ich ein anderer Mensch, als wenn ich Bücher über „Jane Eyre“ und „Harry Potter“ gelesen und in andere Leben geschaut habe, geweint habe oder durch Wolken geflogen bin. Mein Leben wurde damit potenziert. Das ist gerade eine gute Aufgabe für uns Geschichtenerzähler.

    FILMSTARTS: Warum gerade jetzt?

    Florian David Fitz: Weil ich auf der einen Seite gerade eine große Verweigerungshaltung gegenüber Geschichten von anderen spüre sowie auf der anderen den Wunsch der stetigen Belehrung. Man zeigt auf jemanden anderen, du machst das falsch und fragt sich in der Sekunde natürlich nicht, was man selber denn gerade macht. Da denke ich mir mittlerweile, vielleicht ist es viel cooler, die Leute in eine andere Geschichte einzuladen und fertig. Und allein, dass man ein bisschen Zeit in einem anderen Leben verbracht hat, wird was mit einem machen. Oder auch nicht. Vielleicht sind wir viel eher Reiseleiter für Seelenreisen. Pauschalreisen natürlich (lacht).

    Das Hineinversetzen in andere Menschen als eingebauter emotionaler Reisegutschein

    FILMSTARTS: So wie in „Wochenendrebellen”, um das Leben mal aus der Sicht eines autistischen Jungen zu sehen…

    Florian David Fitz: Genau, man macht einfach eine andere Erfahrung als die eigene. Alle fragen sich, boah, wie macht man das als Schauspieler, sich so in andere Menschen hineinzuversetzen. Aber am Ende macht der Zuschauer im Kino ja später auch nichts anderes. Das sind einfach Spiegelneuronen. Empathie. Das ist doch auch eine Gabe von uns Menschen und vielleicht ein Geschenk. Ein eingebauter emotionaler Reisegutschein.

    FILMSTARTS: „Wochenendrebellen“ ist ja als Gewinner unserer Aktion „Deutsches Kino ist [doch] geil!“, in der wir jeden Monat einen deutschen Film – egal welcher Größe – redaktionell wie einen Blockbuster behandeln. Was könnte man deiner Meinung nach noch tun, damit das deutsche Kino hierzulande wieder so geschätzt oder gar gefeiert wird, wie es das in vielen Fällen auch einfach verdient hat?

    Florian David Fitz: Das ist eine schwierige Frage. Wenn ich eine Lösung dafür hätte, würde ich das sofort einleiten. Ich glaube, dass ist ein bisschen zu einer Kultursache geworden. Es gibt jedes Jahr großartige deutsche Filme jeder Couleur. Interessante Arthausfilme gibt es sowieso, aber auch unter den kommerzielleren Filmen gibt es jedes Jahr ein oder zwei, die hervorstechen.

    Und dieses ewige Schimpfen, deutsche Filme wären scheiße, ist zur Gewohnheit geworden. Das haben wir uns so anerzogen, weil wir Deutsche gern auf uns selbst eindreschen. Dann kommt der nächste Einwand, dass nur Komödien entstehen. Bullshit! Die Leute bestimmen selber, was sie sehen wollen, und keiner würde Komödien drehen, wenn sie sich keiner anschaut. Insofern ist das kein gutes Argument.

    Leonine
    Florian David Fitz mit seinen Co-Stars in "Wochenendrebellen".

    FILMSTARTS: „Barbie“ und „Oppenheimer“ haben ja gezeigt, dass Kinofilme vom gegenseitigen Erfolg profitieren können. Die Leute haben wieder Bock aufs Kino. Welchen aktuellen deutschen Kinofilm sollten Sie sich also nach „Wochenendrebellen“ anschauen?

    Florian David Fitz: Ich weiß gar nicht, was da als nächstes so kommt. Ich habe keinen davon gesehen. Wir sind ja eher mit Filmemachen als mit Filmeschauen beschäftigt. Und wenn ich wie gerade wieder ein Drehbuch geschrieben habe, kann ich noch nicht mal andere Drehbücher lesen, die ich für meinen Job lesen müsste, weil ich einfach nicht aus meiner eigenen Geschichte raus kann. Ich schaue dann auch fast keine Filme.

    FILMSTARTS: Was ist denn der letzte gute deutsche Film, den du – ohne selbst mitgespielt zu haben - gesehen hast?

    Florian David Fitz: Da gab es einige, auch richtig tolle Serien wie „Der Pass“. Im Kino mochte ich „Wunderschön“ von Karoline Herfurth, „Das Lehrerzimmer“, „Roter Himmel“, „Sisi und ich“ und „Im Westen nichts Neues“.

    "Wochenendrebellen" ab sofort schauen: Deutsches Kino ist [doch] geil!

    Wie bereits im Interview mit Florian David Fitz erklärt, ist „Wochenendrebellen“ unser Film des Monats September 2023 im Rahmen unserer Initiative „Deutsches Kino ist (doch) geil!“. Um dem immer mal wieder vorgebrachten „Vorurteil vom lahmen deutschen Film“ etwas entgegenzusetzen, hat sich die FILMSTARTS-Redaktion dazu entschieden, diese Initiative zu starten: Jeden Monat wählen wir einen deutschen Film aus, der uns besonders gut gefallen, inspiriert oder fasziniert hat, um den Kinostart – unabhängig von seiner Größe – redaktionell wie einen Blockbuster zu begleiten (also mit einer Mehrzahl von Artikeln, einer eigenen Podcast-Episode und so weiter).

    Es sind somit auch Filme, bei denen wir euch den Kinobesuch besonders empfehlen. „Wochenendrebellen“ könnt ihr ab dem 28. September 2023 sehen.

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