In meiner völligen Unkenntnis der Comic-Vorlage sorgte es bei mir vor allem für Stirnrunzeln, als Marvel einen „Guardians Of The Galaxy“-Film ankündigte. Die Comic-Schmiede hatte mich gerade erst mit dem behutsamen Aufbau des Marvel Cinematic Universe (mit „The Avengers“ als vorläufigem Highlight) begeistert. Und nun sollte es plötzlich in eine ganz andere Ecke des Universums ohne große Verbindung zu den bisherigen MCU-Abenteuern gehen? Mit einem um sich ballernden Waschbären und einem wortkargen Baumwesen als Teil des Hauptfiguren-Ensembles?
Ich traute Marvel zu jenem Zeitpunkt zwar schon viel zu, aber „Guardians Of The Galaxy“ erschien mir im Vorfeld dann doch als zu großes Wagnis, als dass es an die Qualität und den Erfolg der Vorgängerfilme anknüpfen könnte (trotz meiner Liebe für Regisseur James Gunn und vor allem sein Monster-Spektakel „Slither“). Selten lag ich mit etwas so dermaßen falsch (wie man am heutigen 10. September 2023 ab 20.15 Uhr mit der erneuten Ausstrahlung des Films auf ProSieben einmal mehr überprüfen kann).
Mit den unterhaltsamen Trailern hatte es sich bereits angedeutet, im Kino wurde meine anfängliche Skepsis dann endgültig pulverisiert – und das im Grunde schon mit der herrlichen Intro-Sequenz (nach der kurzen Flashback-Einführung).
Wie Star-Lord (Chris Pratt) zum erstaunlich gut passenden 70er-Jahre-Hit „Come And Get Your Love“ durch eine triste Planeten-Landschaft tänzelt und dabei mitunter auch die einheimische Fauna zur Seite kickt (oder als Mikrofon-Ersatz zweckentfremdet), hat mir sofort ein breites Grinsen ins Gesicht gezaubert. So fantastisch und peppig wurde uns bis dahin noch keine MCU-Hauptfigur vorgestellt. Und das Niveau, das diese Einführung vorlegt, wird mit dem restlichen Film nicht nur gehalten, sondern sogar noch gesteigert...
Grandioses Figurenensemble
„The Avengers“ funktionierte auch deswegen so gut, weil wir die einzelnen Helden vorher in ihren eigenen Abenteuern kennenlernen durften, sie uns also schon vertraut waren (einer der Gründe, warum beispielsweise der DC-Gegenentwurf „Justice League“ für mich einfach nicht aufging).
In „Guardians Of The Galaxy“ vollbrachte Gunn jedoch tatsächlich das Kunststück, uns in einem einzelnen Film fünf neue Helden vorzustellen, sie zusammenzubringen und direkt in ihr erstes gemeinsames Abenteuer zu schicken – und das alles, ohne dass irgendetwas gehetzt wirken oder einer der Protagonisten zu kurz kommen würde.
Von Star-Lord über Gamora (Zoe Saldana) und Drax (Dave Bautista) bis hin zu Rocket (Stimme: Bradley Cooper) und Groot (Stimme: Vin Diesel), bekommt jede der abgefahrenen Hauptfiguren herrliche Einzelmomente – was dann wiederum auch der tollen Dynamik als Gruppe enorm zuträglich ist.
Perfekte Balance aus Comedy und Emotion
Den MCU-Filmen wird gerne mal vorgeworfen, dass sie mit unglücklich getimten und unnötigen Witzen ernstere Momente bisweilen zunichtemachen. Mich selbst stören die Comedy-Einschübe selbst an vermeintlich unpassenden Stellen zwar nur in den seltensten Fällen, ganz unberechtigt ist die Kritik aber nicht:
Wenn unmittelbar nach dem Verlust einer wichtigen Figur in „Doctor Strange“ direkt wieder Umhang-Komik folgt oder mir die spacige Komödie „Thor 3: Tag der Entscheidung“ zwischendrin noch eine düstere Geschichte vom Untergang Asgards erzählen will, passt das nicht so recht zusammen, egal wieviel Spaß mir die Filme als Gesamtwerke trotzdem machen.
In „Guardians Of The Galaxy“ allerdings gehen Comedy und Emotion so meisterlich Hand in Hand wie in kaum einem anderen MCU-Film (mit Ausnahme der Fortsetzungen „Guardians Of The Galaxy 2“ und „Guardians Of The Galaxy 3“ vielleicht) – was in erster Linie auch wieder auf die Figuren zurückzuführen ist.
Der Humor besteht nicht aus aufgesetzten Wegwerf-Gags ohne Kontext, sondern entwickelt sich direkt aus den Figuren und ihrem Zusammenspiel. Und genauso schwingen bei allen fünf Guardians – mal subtil, mal deutlicher – auch durchaus tragische Hintergrundgeschichten mit, die ihnen mehr Facetten verleihen und sie erst recht zu lebendigen und wahrhaftigen Figuren machen.
Das zahlt sich dann besonders auch im mitreißenden Showdown aus, der nicht nur rasante Action, sondern vor allem auch was für’s Herz bietet. Neben dem „Avengers“-Doppel „Infinity War“ und „Endgame“ wird in den drei „Guardians“-Teilen von allen MCU-Filmen am meisten Wert auf Gefühle gelegt. Und dass mich ausgerechnet der sprücheklopfende Waschbär und der nicht allzu eloquente „Baum“, die ich im Vorfeld noch belächelt habe, am Ende so sehr zu Tränen rühren, ist ebenso überraschend wie genial.
Neue Marvel-Welt genau zum richtigen Zeitpunkt
Und was mich nach den so schön verknüpften Vorgänger-Filmen erst abgeschreckt hat, macht „Guardians Of The Galaxy“ übrigens zu einer weiteren Stärke. Nach neun MCU-Filmen hat uns der Abstecher in die Tiefen des Alls eine bunte und detailreiche kosmische Welt präsentiert und mutet dabei am ehesten wie ein „Star Wars“-Abenteuer im Marvel-Gewand an, mit dem die All-Ausflüge in den ersten zwei „Thor“-Filmen deutlich in den Schatten gestellt werden. Garniert wird das Ganze mit einer ordentlichen Portion Retro-Flair (allein schon durch den erstklassigen Soundtrack!), das niemals erzwungen wirkt.
All das setzt „Guardians Of The Galaxy“ für mich zusammen mit dem erwähnten „Avengers“-Zweiteiler „Infinity War/Endgame“ an die Spitze der inzwischen 32 MCU-Beiträge. Daher kann ich ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit auch nur wärmstens empfehlen – wie etwa bei der eingangs erwähnten TV-Ausstrahlung auf ProSieben. Beim Streamingdienst Disney+ kann der Film derweil natürlich auch jederzeit ganz flexibel und ohne Werbung geschaut werden.
4,49 von 5 Sternen! Das ist der beste Marvel-Film aller Zeiten – laut den deutschen ZuschauernDies ist eine aktualisierte Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.
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