Wenn wir an die berühmt-berüchtigte Produktionsgesellschaft Cannon Films denken, dann kommen uns in erster Linie pubertäre Hau-Drauf-Exzesse wie „Delta Force“, „American Fighter“, „Ein Mann wie Dynamit“ oder auch „Die City-Cobra“ in den Sinn. Der Ruf von Cannon kommt sicherlich nicht von ungefähr, allerdings hat man sich hier auch immer wieder für Filme verantwortlich gezeigt, die von der banalen Action-Norm abgewichen sind und sich als ungemein künstlerisch-ambitioniert offenbart haben. Paradebeispiele dafür sind „Express in die Hölle“, „Barfly“, „Verfluchtes Amsterdam“ oder „52 Pick-Up“.
Letzterer versteht sich als düsterer Thriller, der zwar den Hang zum Sensationalismus der Cannon-Schmiede bedient, allerdings mit einer grimmigen Seriosität, die einem das ein oder andere Mal einen kalten Schauer über den Rücken jagt. „52 Pick-Up“ ist kein billiger Reißer, sondern vielmehr ein Kind des 1970er-Jahre-Kinos, welches sich irgendwie im Jahrzehnt geirrt hat. Ihr wollt euch dem düsteren Genre-Knaller von Routinier John Frankenheimer („Ronin“) stellen? Dann kommt ihr im Abo von WOW (ehemals Sky Ticket) auf eure Kosten, denn dort steht „52 Pick-Up“ ohne Aufpreis zur Verfügung.
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Darum geht’s in "52 Pick-Up"
Harry Mitchell (Roy Scheider) kann sich eigentlich nicht beschweren. Er hat einen tollen Job, ein schnelles Auto und eine attraktive Ehefrau (Ann-Margret), die gerade dabei ist, in der Politik Karriere zu machen. Darüber hinaus pflegt Harry eine Affäre mit einer deutlich jüngeren Frau. Doch ganz plötzlich ändert sich die Lage, nachdem Harry beim außerehelichen Stelldichein gefilmt und nun von drei Gangstern aus dem Pornomilieu erpresst wird. Harry hält sich aber für schlau genug, die Erpresser auszutricksen.
Bevor er es aber auch nur ansatzweise hätte schaffen können, sich aus der Situation zu winden, geht die ganze Sache nach hinten los. Die Männer töten seine Geliebte auf grausame Art und Weise vor laufender Kamera. Daraufhin drohen sie ihm, ihm den Mord mittels Filmaufnahmen anzuhängen, wenn er sich weiterhin weigern sollte, das geforderte Geld zu zahlen. Für Harry steht plötzlich nicht nur seine Ehe auf dem Spiel, sondern auch sein ganzes Leben schwebt in höchster Gefahr...
Ein Thriller für Erwachsene
Es ist wohl einer der großten Glücksgriffe für Cannon gewesen, sich die Dienste von John Frankenheimer zu sichern, der in den 1980er-Jahren augenscheinlich seinen Zenit überschritten hatte („Ronin“ sollte diese Mutmaßung 1999 für nichtig erklären), sich zuvor durch Klassiker wie „Der Gefangene von Alcatratz“, „Botschafter der Angst“, „Der Zug“ oder dem wirklich guten „French Connection 2“ als hervorragender Handwerker in der Branche aber einen Namen gemacht hat. Ein Glücksgriff ist Frankenheim deswegen, weil es dem Regisseur gelingt „52 Pick-Up“ mit der nötigen Ernsthaftigkeit fortwährend auf dem Boden der Tatsachen zu halten.
Der folgenschwere Abstieg in das pornografische Milieu, den Roy Scheider in „52 Pick-Up“ erlebt, ist zwar auf atmosphärische Art und Weise als räudig zu begreifen, bleibt aber immer auf Distanz zur touristischen Ausbeutung, die beispielsweise Joel Schumacher in „8MM – Acht Millimeter“ ausgelebt hat. Wo „8MM“ auf Biegen und Brechen – und völlig milieufremd – schockieren möchte, ist „52 Pick-Up“ ein Thriller für Erwachsene, der seine Kraft eher aus ambivalent konzipierten Persönlichkeitsstrukturen zieht. Genau deswegen aber ist „52 Pick-Up eine Empfehlung für alle „8MM“-Anhänger*innen, die den Nicolas-Cage-Reißer in Jugendjahren zu ihren Lieblingen gezählt haben.
Dass John Frankenheimer ein Regisseur der alten Schule ist, merkt man auch daran, dass sich hier Zeit genommen wird, die Geschichte in Ruhe aufzubauen. Erst wenn die Figuren ausreichend vorgestellt wurden, erhalten die nackten Tatsachen und die Gewalt Einzug in den Film – und in beiden Fälle lässt sich „52 Pick-Up“ nicht lumpen. Es gibt sogar eine Snuff-Sequenz, bei der mit der Kamera voll draufgehalten wird – und das nicht nur der Schockwirkung wegen, sondern erzählerisch begründet. Ohnehin ist „52 Pick-Up“ Kino mit Hand und Fuß, dessen Derbheiten nie nach Selbstzweck anmuten, sondern inhaltlich nachvollziehbar gemacht werden.
Und wenn letztlich nur dafür, um zu zeigen, wie Harry Mitchell immer mehr außer Kontrolle gerät. Roy Scheider, der ohnehin schon immer ein wenig unterschätzt wurde und Ende der 1980er-Jahre kaum noch etwas zu melden hatte, ist hervorragend als in die Enge gedrängter Macho, der zum Gegenschlag ausholt, weil ihm keine andere Möglichkeit mehr bleibt. Interessant ist dabei nicht nur, wie eine derart lächerliche Summe für so viel Chaos sorgen kann. Sondern auch, wie sehr sich beide Parteien (Harry und die Gangster) letztlich darauf versteifen, unbedingt als Gewinner aus der Sache hervorzugehen. Da wird „52 Pick-Up“ auch zu einer Abrechnung mit männlichen Egos.
Unglaublich, aber wahr? In diesen Filmen sollen echte (!) Leichen zu sehen sein*Bei den Links zum Angebot von Amazon und WOW handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links erhalten wir eine Provision.