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    Neue Silvester-Tradition bei ProSieben? Auch heute gibt’s die total durchgeknallte Neuauflage eines Kultklassikers
    Sidney Schering
    Sidney Schering
    -Freier Autor und Kritiker
    Er war noch niemals in Alabama, ruft aber unverhältnismäßig oft voller Freude „Umberto!“ aus und wusste schon zu „MTV Home“-Zeiten: Aus Joko und Klaas wird mal was!

    Er gehört zu Silvester wie Sekt und der Wunsch „Guten Rutsch“: Der Kult-Sketch „Dinner for One“. Doch ProSieben will dem Comedy-Klassiker mit zwei Spitzenstars des deutschen Fernsehens Konkurrenz machen. Das volltrunkene Ergebnis ist echt irre!

    ProSieben

    Der Alkohol fließt in Strömen: Das ist für viele die Essenz von Silvester. Insofern ist es konsequent, dass ProSieben nun offenbar eine neue Silvester-Tradition etabliert, bei der zwei betrunkene Chaoten den Folgen ihres Handelns ins Gesicht lachen. Denn am heutigen Silvesterabend zeigt ProSieben ab 20.15 Uhr mit „Silvester für Eins“ ein sehr freies Remake des Kultklassikers „Dinner For One.

    Darin übernehmen Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf die Rollen des beschwipsten Butlers James und seiner Chefin Miss Sophie. Das Comedy-Special feierte vor exakt einem Jahr seine Premiere, ist also noch weit davon entfernt, dem Original in Sachen Ausdauer Konkurrenz zu machen.

    Hinter den Kulissen eines Kultsketch-Remakes

    Aufgrund des hohen Kultstatus von „Dinner For One“ türmen sich die Neuauflagen und Imitationen des englischsprachigen Sketches. „Silvester für Eins“ sticht aus ihnen hervor, denn das Special ist gewissermaßen ein Making-of eines unvollendeten „Dinner For One“-Remakes mit Joko und Klaas.

    Zur Erklärung: Im Rahmen der Primetime-Show „Joko & Klaas gegen ProSieben“ spielt das Duo stets um das Anrecht, 15 Live-Sendeminuten zu gewinnen. Die nutzen Joko und Klaas dann etwa, um über Missstände aufzuklären oder Tohuwabohu zu stiften, indem sie etwa in der ProSieben-Sendezentrale so lange Stecker ziehen, bis das Notsignal für technische Problemfälle gesendet werden muss.

    Wenn Joko und Klaas in der Spielshow „Joko & Klaas gegen ProSieben“ alledings verlieren, bekommen sie dagegen Aktionen diktiert. Auch „Silvester für Eins“ war eine Strafe für das Versagen der Star-Moderatoren in einer Ausgabe von „Joko & Klaas gegen ProSieben“.

    Ursprünglich hieß es, sie sollten schlicht den ikonischen Sketch nachstellen. Abgeliefert wurde allerdings ein eigenes Biest turbulenter Unterhaltung: Das etwa 23-minütige Special zeigt Joko und Klaas, wie sie bereits angetrunken am Set ankommen und ihrem Produzenten Thomas Schmitt, seines Zeichens Teil des „Baywatch Berlin“-Podcasts, gehörig auf die Nerven gehen.

    Auch Moderator, Filmkritiker und Synchronsprecher Steven Gätjen, der den Part des „Dinner For One“ eröffnenden Conférenciers mimt, wird von den Trunkenbolden aus dem Konzept gebracht. Ein weiterer fassungsloser Augenzeuge des Wirrwarrs ist der ebenfalls zu „Baywatch Berlin“ gehörende TV-Redakteur Jakob Lundt.

    Schlecht geschminkt und die Lampen an: Joko und Klaas bringen ihre Crew an die Grenzen ihrer Geduld und provozieren bei ihren Fans somit einen Lachkrampf. ProSieben /Waya Yeung
    Schlecht geschminkt und die Lampen an: Joko und Klaas bringen ihre Crew an die Grenzen ihrer Geduld und provozieren bei ihren Fans somit einen Lachkrampf.

    Somit entwickeln sich Fremdscham, abstruse Fälle der Fehlkommunikation sowie trunkene Situationskomik. Dabei verschwimmt die Grenze zwischen dem Slapstick, der zu „Dinner For One“ dazugehört, und Patzern, die passieren, wenn Leute nicht bloß spielen, dass sie zu viel trinken. Wie sehr dieses Verwischen zwischen Fiktion und Realität von Anfang an Teil des Konzepts war, bleibt das Geheimnis der verantwortlichen Produktionsfirma Florida.

    Denn wenn sie nicht Filme wie das entschleunigte, berührende Drama „Mittagsstunde“ stemmt, verantwortet die Unterhaltungsschmiede vor allem Joko-und-Klaas-Formate und übt sich dabei liebend gern in Filmreferenzen, Meta-Humor und dem Spielen mit medialen Konventionen.

    Der "Dinner For One"-Kult

    Die Vorlage für „Silvester für Eins“ wurde für's britische Theater geschrieben und mehrere Jahrzehnte vor ihrem deutschen TV-Debüt uraufgeführt. Nach Deutschland schaffte es der Sketch über einen 90. Geburtstag erstmals 1963: „Dinner For One“ wurde live während der Unterhaltungssendung „Guten Abend, Peter Frankenfeld“ gespielt und sorgte für derart euphorische Resonanz, dass man noch im selben Jahr für die Zukunft vorsorgte.

    May Warden, die Darstellerin der Miss Sophie, und Freddie Frinton alias Butler James zeichneten eine erneute Performance des Stücks auf, dieses Mal mit einem Vorwort von Heinz Piper, der dem mit der englischen Sprache fremdelnden Publikum die Handlung erläuterte. Diese Fassung ist es, die in Deutschland zum Kulturgut wurde, auf das viele Menschen an Silvester noch schlechter verzichten können als auf Sekt, Feuerwerk und Marzipanschweine.

    Jedoch fand sich die Konstellation zwischen Jahresausklang und „Dinner For One“ nicht auf Anhieb: Die „Dinner For One“-Aufzeichnung wurde ab 1963 sporadisch im deutschen Fernsehen gezeigt, wann immer Programmplaner*innen eine etwa 20 Minuten lange Lücke schließen wollten.

    Seit 1972, also seit geschlagenen 50 Jahren, sind Silvester und „Dinner For One“ aber ein Herz und eine Seele: Das hochprozentige Geburtstagsfest fand beim TV-Publikum, das zum Jahresende noch einmal herzlich lachen wollte, so großen Anklang, dass der Sketch nicht mehr aus den Fernsehplänen für den 31. Dezember wegzudenken war. Er ist eine derartige Institution, dass er im öffentlich-rechtlichen Programm jedes Silvester auf mehreren Sendern gezeigt wird, teils mehrmals am Tag auf demselben Kanal.

    Die Konsequenz: Schon 1988 gelang der Comey-Einlage der Einzug ins Guinness-Buch der Rekorde: „Dinner For One“ ist die weltweit am häufigsten wiederholte Fernsehproduktion, und Jahr für Jahr baut der Sketch seinen Rekord aus.

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