Wenn es heutzutage einen Regisseur gibt, der es sich erlauben kann, ganz zaghaft in die Fußstapfen von Stanley Kubrick („Uhrwerk Orange“) treten zu dürfen, dann ist es wohl Paul Thomas Anderson („There Will Be Blood“). Erst in diesem Jahr hat er mit „Licorice Pizza“ eines der absoluten Kino-Highlights abgeliefert und seine bahnbrechende Karriere um ein Meisterwerk erweitert. Unmöglich zu beantworten ist daher auch die Frage, welcher Andersons bester Film ist.
Nicht wenige Cineast*innen würden sich letztendlich wohl dennoch für denselben Film entscheiden: „Magnolia“. Der dreistündige Episodenfilm aus dem Jahre 1999 war nach „Boogie Nights“ der endgültige Beweis dafür, dass Paul Thomas Anderson kein One-Hit-Wonder ist, sondern einer der interessantesten und virtuosesten Regisseure der Gegenwart. Das unterstreicht auch die Besetzung des oscarnominierten Tom Cruise, der hier in einer für seine Verhältnisse ungewöhnlichen Rolle absolut brilliert. Ab sofort steht „Magnolia“ im Abo von Amazon Prime Video zur Verfügung.
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Darum geht’s in "Magnolia"
In „Magnolia“ werden die Schicksale von neun in Los Angeles lebenden Menschen miteinander verknüpft. Earl Patridge (Jason Robards) ist ein an Krebs leidender TV-Produzent, der von Phil Pharma (Philip Seymour Hoffman) gepflegt wird. Er bittet Phil, seinen Sohn Frank Mackey (Tom Cruise) zu suchen, der mit großem Erfolg eine Macho-TV-Show unter dem Motto „Alle Macht den Schwänzen“ leitet.
Wir treffen auf den Showmaster Jimmy Gator (Philip Baker Hall), der ebenfalls krebskrank ist und nur noch wenige Monate zu leben hat. Gator versucht angesichts seines bevorstehenden Todes, sich mit seiner Tochter Claudia (Melora Walters) auszusöhnen. An Gators Show nimmt auch Stanley Spector (Jeremy Blackman) teil, ein Superkind, das alles weiß, angetrieben von seinem ehrgeizigen Vater (Michael Bowen). Auf einmal jedoch weigert sich Stanley in der Quizsendung, Gators Fragen zu beantworten.
Und dann wäre da noch Donnie Smith (William H. Macy), der früher nur als „Quiz Kid“ bekannt war. Wie Stanley war er als Kind ein gefeierter Showstar. Jetzt jedoch ist Donnie endgültig am Ende angekommen und der Verzweiflung mehr als nahe. Denn als wäre es nicht schon schlimm genug, dass er von seinem Chef Solomon (Alfred Molina) gefeuert wurde, ist er auch noch unglücklich in einen Barkeeper verliebt...
Ein überlanges Meisterwerk
In der offiziellen FILMSTARTS-Kritik gab es für „Magnolia“ 5 von 5 möglichen Sternen. Damit zählt Paul Thomas Andersons Dreistünder für uns zu den besten Filmen aller Zeiten! In seinem Fazit schreibt unser Autor Ulrich Behrens indes: „‚Magnolia‘ ist vollgestopft mit Geschichten, Hauptlinien und Nebenlinien, die zu Hauptlinien werden, Geschichten und Geschichte, Kultur und Mentalität, Stoff, sehr viel Stoff. Ich habe den Film innerhalb kürzester Zeit dreimal gesehen, und jedes Mal neue Seiten, Aspekte, Gefühle, Katastrophen, Möglichkeiten entdeckt. ‚Magnolia‘ gehört zu der Sorte Film, die mich nicht loslassen, und das ist gut so, das beste, was ein Film leisten kann."
Die offizielle FILMSTARTS-Kritik zu „Magnolia“
Schier bahnbrechend ist es zu beobachten, mit wie viel zwischenmenschlichem Feinsinn sich der damals gerade einmal 29-jährige Paul Thomas Anderson in die Gefühlswelten seiner Protagonisten einfühlt. „Magnolia“ erzählt – als Episodenfilm auch dramaturgisch gespiegelt – von inneren Verbundenheiten. Dabei geht es um Schmerz, um Verfehlungen, um Missbrauch, um Schuld, Sühne und Vergebung. Eigentlich ist „Magnolia“ ein Drama im klassischsten Sinne, aber Paul Thomas Anderson macht daraus ein Erlebnis im keinesfalls reißerischen Sinne.
In der Kritik heißt es: „Anderson demonstriert, wie trotz aller Aufklärung und trotz allen Glaubens an die Macht der Vernunft und des Verstandes, an die Planbarkeit unseres Lebens emotionale Verstrickungen unser Leben beherrschen. Wir müssen planen, kalkulieren, aber oft sind wir uns nicht darüber bewusst, wie sehr unsere Pläne scheitern können und welche Folgen dies für uns und andere haben oder haben kann. Anderson demonstriert im Zeitalter der Rationalität die Irrationalität des menschlichen Lebens.“
Dass „Magnolia“ aber so wunderbar berührt und mitreißt, liegt auch an den hervorragenden Darsteller*innen. Neben Philip Seymour Hoffman, Melora Walters, William H. Macy und Co. ist es ganz besonders Tom Cruise, der sich hier zeigt, wie nie zuvor oder danach. Als sexistischer TV-Prediger ist er scheinbar das Macho-Arschloch schlechthin („Respektiert den Schwanz und zähmt die Fotze!“), nur um seinem Charakter dann immer mehr Risse und Brüche zuzugestehen. Seine herzzerreißende Szene mit Jason Robards ist mit Sicherheit die eindrucksvollste, die Cruise jemals gespielt hat.
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