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3,0
Veröffentlicht am 18. Januar 2025
das dreckige Dutzend


Die streitfreudige Kendall (Francesca Eastwood) lebt nicht mehr. Als Mörder angeklagt, steht ihr Freund James (Gabriel Basso) vor Gericht. Justin (Nicholas Hoult), einer der Geschworenen, muss nach Vortrag des Sachverhalts davon ausgehen, dass er Kendall getötet hat.

Als Regisseur hat Clint Eastwood Arbeiten zu verschiedenen Genres geliefert. In seinen von diversen Institutionen vielfach mit Preisen ausgezeichneten Filmen stehen Verantwortungsbewusstsein, Gerechtigkeit wie Irrtum oft an erster Stelle (z.B. „Mystic River“, „American Sniper“, „Gran Torino“), so auch in „Juror #2“. Justin muss sich nicht selbst beschuldigen, aber darf er zulassen, dass James für eine nicht begangene Tat den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringt?

Als sensibler, trockener Alkoholiker wird Justin treffend von Nicholas Hoult gespielt. Die geschickte Erzählstruktur verrät dem Publikum anhand der Miene des ethisch in die Ecke Gedrängten stets, was in seinem Kopf vorgeht, eingefangen in vielen Nahaufnahmen, die einen außergewöhnlich guten Schauspieler verlangen und bekommen. Anders als in dem Meisterwerk „Die zwölf Geschworenen“ (1957 von Sidney Lumet) ist Justin von der Unschuld des Angeklagten gänzlich überzeugt, im Gegensatz zu der schon bedrohlich gut verkörperten Staatsanwältin Faith (Toni Collette).

Während dem inzwischen 94-jährigen kalifornischen Filmemacher die Umsetzung des moralischen Aspekts ganz hervorragend gelingt, schießt die Anprangerung des US-amerikanischen Rechtssystems über das Ziel hinaus. Zu offensichtlich weist er durch das stur despektierliche Gehabe von zehn der zwölf Geschworenen auf den Nachteil des Schwurgerichts hin. Zu offensichtlich zeigt Eastwood den gleichgültigen Umgang der Justizbeamten mit unterdurchschnittlichen Ermittlungsergebnissen; er möchte diesen Eindruck kraft einer extrem kurz inszenierten Beweisaufnahme in dem scheinbar klaren Fall sogar forcieren. Und zu offensichtlich wirkt diese Darstellung auf die Zeugen vor der Leinwand, da diese als allwissende Kenner der Handlung zum Kopfschütteln bzgl. der Prozessbeteiligten manipuliert werden. Ein unklarer Tathergang, wie ihn „Anatomie eines Falls“ (2023 von Justine Triet) aufweist, hätte hier hilfreich sein können.

Vor dem Gerichtsgebäude taumelt die Waage der Justitia im Wind. Die schwankende Zerrissenheit der Jury, speziell von Justin, erzeugt stets eine gewisse Spannung, die sich bis zur Verkündung des Urteils steigert. Danach ist der Film noch nicht vorbei.

„Juror #2“ wirft den Menschen in einer intensiven Inszenierung mangelnden Ethos vor. Einige der Figuren und mehrere Teile der Geschichte sind jedoch zu einfach geraten.