Denzel Washington möchte gerne Pate sein, der Pate. Oder Ridley Scott, der Regisseur, wollte, dass Denzel Washington in die Fußstapfen des Paten tritt und hat ihm deshalb diesen "American Gangster" auf den Leib geschneidert. Leider jedoch sieht es so aus, dass sich die Fußstapfen des Paten im Vergleich zu denen von Frank Lucas (Denzel Washington) in etwa so ausnehmen wie die des Bernhardiners zu denen des Rehpinschers. Um Meilensteine wie "Der Pate" oder "Good Fellas" zu übertreffen oder auch nur mit ihnen gleichzuziehen, gehört schon etwas mehr als ein zugegeben sehr guter Schauspieler und (unnötige) 157 Min. Filmlänge.
Die Idee: Der Film beruht auf der Lebensgeschichte des schwarzen Verbrechers Frank Lucas, der Ende der 60er bis Anfang der 70er Jahre die Vorherrschaft im Drogenhandel New Yorks innehatte, da er auf die glorreiche Idee kam, seine Drogen ohne Zwischenhändler direkt aus Südostasien zu beziehen und - gelagert in amerikanischen Soldatensärgen - nach New York zu verfrachten. Das dadurch sehr reine, weil nicht gestreckte Heroin konnte somit mit unglaublichem Profit weiterverkauft werden und hatte selbst gestreckt noch eine weitaus höhere Qualität als der Stoff seiner Konkurrenten. Somit wurde Frank Lucas in sehr kurzer Zeit sehr reich - reich an Dollars und reich an Feinden. Er konnte jahrelang so gut wie unbehelligt von der New Yorker Polizei operieren, da a) Dreiviertel des Drogendezernats bestechlich war und b) zu der Zeit niemand einem Schwarzen einen derartigen Geschäftssinn und die nötige Intelligenz zugetraut hätte, einen Drogenhandel dieses Formats aufzuziehen. Erst mit der - ebenfalls realen - Figur des Richie Roberts (Russell Crowe) beginnt der Abstieg und letztendliche Fall des Frank Lucas. Roberts war einer der wenigen unbestechlichen Cops, der darüber hinaus seine vorrangige Aufgabe darin sah, New York drogenfrei zu machen. Somit waren Zufall, Dummheit, die damals vorherrschenden Verhältnisse (Vietnamkrieg), Intelligenz und Skrupellosigkeit die Zutaten, aus denen diese außergewöhnliche Lebensgeschichte des Frank Lucas entstanden ist.
Die Umsetzung: Das Problem ist, dass all diese Zutaten nicht ausgereicht haben, um den Film wirklich gut zu machen. Ich vermute, dies liegt schlicht und ergreifend daran, dass sich Scott sehr eng an die wahren Begebenheiten hält und wenig künstlerische Freiheit walten lässt. Somit ist der Film zwar authentisch, aber eben nicht wirklich fesselnd und spannend. Frank Lucas hat nun mal nicht dasselbe Charisma wie ein Ray Liotta in "Good Fellas" oder ein Robert de Niro in "Der Pate". Mit einem "beruht auf wahren Begebenheiten" hätte Scott die Möglichkeit gehabt, Frank Lucas mehr Schärfe zu verleihen, mehr Skrupellosigkeit und einen wesentlich differenzierteren Charakter. So sieht man Denzel Washington letztendlich nur in zwei verschiedenen Gefühlslagen agieren: familiär, aufopfernd und mit der verqueren Ehre und Moral, wie sie nur einem Gangster eigen ist oder eiskalt und berechnend, beim Ausschalten von Konkurrenten oder Verteidigen seines zur eigenen Marke avancierten Heroins. Alle Facetten dazwischen bleiben im Dunkeln. Noch farbloser bleibt Russell Crowe, der eigentlich nur als aufrechter Polizist mit juristischen Ambitionen und gelegentlichen privaten Bettgeschichten in Erscheinung tritt. Beide spielen ihre Rollen gut, aber eben nicht überragend. Die Geschichte bietet zu wenig Spannung, da sie sich über zwei Stunden nur um den immer weiter voranschreitenden Aufstieg Frank Lucas' und parallel um Roberts' Bemühungen um ein korruptionsfreies Drogendezernat dreht. Man sieht, wie Lucas seine ganze Familie nach New York holt, um mit ihnen sein Unternehmen zu leiten; Roberts schlägt sich derweil mit drogenabhängigen Kollegen und dem Scheidungsverfahren samt Sorgerechtsprozess um seinen Sohn herum. Die Handlungsstränge verlaufen parallel, überschneiden sich aber noch nicht. Bis es dann wirklich spannend wird, ist der Film schon fast vorbei. Erst im letzten Drittel dieser manchmal dann doch recht langatmigen 157 Minuten dämmert es Roberts, wer da halb New York mit Drogen versorgt, und Lucas werden immer mehr Steine durch ihn erpressende Polizisten und Konkurrenten in den Weg gelegt. Dann wiederum geht alles ganz schnell, Lucas wird verhaftet, verurteilt (zu 70 Jahren), kooperiert mit Roberts, wodurch Lucas' Strafe auf 15 Jahre reduziert und Dreiviertel des New Yorker Drogendezernats verhaftet und der Korruption beschuldigt wird. Des weiteren fallen zahlreiche Dealer Lucas' Gesprächigkeit zum Opfer. Lucas kommt 1991 frei, Roberts wird erst Staatsanwalt, dann Strafverteidiger. Ende.
Fazit: Erfahrener Regisseur ("Thelma & Louise", "Black Hawk Down" "Alien"), gute Schauspieler (neben Washington und Crowe fällt eigentlich nur noch Josh Brolin als Detective Trupo positiv auf, der Rest ist gut gecastet, aber Staffage), aber für die Länge des Films letztendlich zu belanglose und beliebige Geschichte vom Aufstieg und Fall eines Drogendealers und dessen vermeintlichen "Jägers". Weniger Detailversessenheit und eine deutliche Straffung und Anreicherung der Geschichte hätten diesen Film großartig werden lassen können. Denzel Washington hätte das Potenzial zum Paten (oder zumindest zu dessen Bruder), leider kann er sich hier aufgrund des Drehbuchs nicht frei entfalten. Hätte man darüber hinaus den Nebenrollen mehr Aufmerksamkeit gewidmet, hier mehr charismatische Figuren geschaffen (man erinnere sich vergleichsweise nur an Joe Pesci als Tommy DeVito in "Good Fellas"), wäre der Film bei weitem interessanter und vielschichtiger geworden. So folgt man leider nur Lucas und Roberts bei Aufstieg und Fall und umgekehrt. Sicherlich in authentischer Kulisse und mit Liebe zum Detail, aber eben doch nur interessiert und nicht fasziniert. American Gangster? Ja, aber nur einer von vielen. Dem Godfather macht eben so leicht keiner was vor oder nach.