Es war einmal, in einem von Nazis besetzten Frankreich: ein Trupp in Ungnade gefallener jüdischer US-Soldaten, genannt die Basterds, skalpiert sich durch die deutschen Besatzer. Währenddessen plant die Jüdin Shosanna ihre ganz persönliche Rache am diabolischen SS-Mann Hans Landa, der ihre Familie ermordet hat. Eine große Filmpremiere in ihrem Provinzkino, zu der sämtliche Oberhäupter des Nazi-Regimes erwartet werden, bietet ihr Gelegenheit zur Vergeltung. Doch auch die Basterds bekommen Wind von der Veranstaltung...
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Quentin Tarantino hat sich seit 1992 und seinem Debüt „Reservoir Dogs“ ein kurioses filmisches Universum an völliger Subjektivität zusammengezimmert, hat so viele Konventionen über den Haufen geworfen, dass nach Werken wie „Pulp Fiction“ (1994) oder „Kill Bill Vol. 1 & 2“ (2003/04) kein Stein mehr auf dem anderen lag. Tarantinos Bedeutung und Wichtigkeit für das Medium Film, für das Erlebnis Kino ist dabei immer auch messbar an der Bedeutungs’losigkeit‘ vieler seiner im Akkord filmenden Kollegen. Solchen, die ihre Drehbücher anhand von Ratgebern verfassen und Worte wie Dramaturgie‘ und Charakterentwicklung‘ erst in Wörterbüchern nachschlagen oder googeln müssen, um jene Ratgeber überhaupt entschlüsseln zu können. Solchen, die ihre Kamera stets genau dort positionieren, wo es ihnen unzählige Filme vor ihnen als richtig‘ erklärt haben, solchen, die die Trends nicht setzen, sondern sie kopieren und der Massenverträglichkeit wegen ausschlachten. Tarantino ist in diesen Punkten anders, ungezogen, könnte man sagen. Zwar in all seiner Zitierfreude und Ehrerweisung an von ihm geschätzte Werke viel weniger innovativ, als es oft den Anschein hat, denn schließlich kann kaum jemand ausnahmslos alles gesehen haben, an das er sich anlehnt und jeden Wink verstehen. Doch letztlich ist Tarantino immer aufregend und in verdienter Weise diskussionswürdig, ob nun für Hardcorefans, die selbst aus einer Fliege, die im Hintergrund einen Schiss setzt noch eine geniale Remineszenz herauszulesen wissen, oder für jene Dauerbeschuss-Kritiker, die in Tarantino unbedingt einen krankgeistigen Perversen sehen wollen und sich schulterklopfend dazu beglückwunschen, kein Fan von so etwas zu sein.
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Tarantino macht indes unbeirrt weiter, sieht sich pro freiem Tag wohl mehr Filme an, als er selbst bisher gedreht hat und bringt nun nach jahrelanger Entwicklungs-, Schreib- und Umschreibphase die heiß ersehnte WWII-Schlachtplatte „Inglourious Basterds“ in die Kinos. Seine Version eines men on a mission‘-Kriegsfilms in Anlehnung an US- und italienische Produktionen der 60er und 70er Jahre (wie „Das dreckige Dutzend“, 1967; oder der titelsgleiche „Inglorious Bastards“, 1978), gemischt mit Zutaten des Spaghetti-Westerns und deutscher Produktionen aus den 20er und 30er Jahren (wie etwa Fritz Langs Klassiker „Metropolis“, 1927), feierte in Cannes Premiere und wurde verhalten bis durchwachsen aufgenommen. Von massiven Kürzungen war im Anschluss die Rede, stattdessen ist die Kinoversion nun sogar um einige zusätzliche Minuten länger ausgefallen – und bietet wieder einmal allen Fraktionen reichlich Gesprächsstoff. Was nach allem Gebrüll über und von „Inglourious Basterds“ übrigbleibt ist in jedem Fall, so viel sei schon einmal verraten, ein sensationeller Film.
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Titelgebung und Propagandamaßnahmen (oder auch schlicht Marketing) führen einigermaßen in die Irre, denn weder steht der Werbefrontmann Brad Pitt im Zentrum, noch seine Basterds insgesamt. Die Story ist vielmehr in fünf Kapitel unterteilt, von denen das zweite den Titel des Films trägt. Aber beginnen tut alles ganz anders. Im ersten Kapitel Once upon a time... in Nazi occupied France‘, sucht SS-Standartenführer Hans Landa den Hof des Milchbauern Lapadite auf, um eine Formalität zu erledigen. Und nach wenigen Minuten und einigen Sätzen ist klar, wem „Inglourious Basterds“ gehört: Christoph Waltz. Eine bessere Artikulation und Verkörperung seiner geschliffenen Dialoge hat Tarantino bisher nie präsentieren können. In seiner schneidigen Wort- und Sprachgewandtheit liefert Waltz eine Performance, die den Atem stocken lässt. Landa ist dabei meilenweit davon entfernt, ein stumpfer Schlächter zu sein, mit ihm ist Tarantino in Sachen Charakterisierung und Psychologisierung ein unumstößliches Bravourstück gelungen. Waltz bereitet mit seiner Höflichkeit, die er nur um Nuancen hin zur Bedrohlichkeit verschieben muss, ein so greifbares Unbehagen, dass die eigentlich ruhige und nur aus dem Gespräch des SS-Mannes und des Bauern bestehende Szene enorme Spannung aufbaut, die sich in Landas volle Grausamkeit entlädt. Kaum etwas hat Tarantino bisher besser geschrieben und inszeniert, als dieses erste Kapitel.
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Kapitel Zwei, Inglourious Basterds‘, ist das brutalste des Films. Pitt schwört seine Truppe ein und diese kennt keine Gnade, skalpiert die feindlichen Soldaten, was in aller Deutlichkeit gezeigt wird, und verbreitet Angst und Schrecken unter den Nazis. Wie bei Tarantino üblich hält die Gewalt in diesem Abschnitt mit galligem Humor Händchen, dazu gesellt sich mit dem völlig überzogenen Auftritt von Martin Wuttke als Adolf Hitler ein beißender Schuss Satire. Als ob der Taten der Basterds zürnenden Derwisch zeigt er den Führer, dürfte damit wohl die umstrittenste Figur des Films werden, wenngleich dem Wahn(witz) des NS-Regimes ein anderer Zugang in die Parallelwelt von "Inglourious Basterds" möglicherweise gar nicht hätte gelingen können. Mit der Fiktion seiner Figuren legitimisiert Tarantino die Darstellung der realen Personen und geht mit diesem Ansatz vielleicht keinen zwangsläufig richtigen, aber einen möglichen Weg, um auch einer der größten Schattenseiten der Menschheitsgeschichte begegnen zu können.
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Die Basterds kommen in Sachen Feinzeichnung gegen Landa zwar nicht an, der harte Haufen macht aber einfach Laune, allein Pitts Unterhaltungswert liegt weit oben, als Baseballschläger schwingender Bärenjude macht „Hostel“-Fragwürdigkeit Eli Roth ebenfalls Eindruck und selbst Til Schweiger, dem sogar ein schmucker Freeze Frame samt Namenseinblendung und kurzer Flashback gegönnt wird, passt mit grimmigem Gesicht. Die kernigen Dialoge zielen in eine ganz andere Richtung, als der hintergründige Beginn, halten das Niveau aber dennoch hoch und „Inglourious Basterds“ gelingt ein toller Einstieg, der bereits reichhaltiger und erlebenswerter ist, als der gesamte bisherige Blockbuster-Sommer 2009 zusammen.
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Das dritte Kapitel nennt sich German night in Paris‘ und macht einen Zeitsprung von drei Jahren. Shosanna, die einzige Überlebende des Bauernhof-Massakers, betreibt mittlerweile ein kleines Kino und lernt eines Abends den Deutschen Frederick Zoller kennen, der ihr charmant und leicht unbeholfen den Hof macht. Erst später erfährt Shosanna, dass Zoller ein Kriegsheld ist, der von einem Glockenturm aus in drei Tagen 300 amerikanische Soldaten getötet hat und nun von Reichspropagandaleiter Joseph Goebbels zum Star des Kinofilms Stolz der Nation gemacht wurde. Aus (unerwiederter) Zuneigung zu Shosanna kann Zoller Goebbels überreden, die Premiere des Films in ihrem Kino stattfinden zu lassen. Zuständig für die Sicherheit der Veranstaltung: Hans Landa. Die erste Hälfte dieses Kapitels büßt zunächst einiges an Tempo ein, das Gebalze des von Daniel Brühl gespielten Zoller ist lapidar, doch mit Landas Auftauchen ist sofort wieder Zug im Geschehen. Mélanie Laurents Spiel, sie beim Unterdrücken von Hass und Wut und Abscheu zu beobachten, setzt einen perfekten Kontrast zu Waltz‘ zuvorkommender Freundlichkeit.
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Operation Kino‘, das vierte Kapitel, mutet zunächst wie das unspektakulärste an. Der britische Geheimdienst hat von der Kinopremiere erfahren und entsendet Archie Hicox zu den Basterds, mit deren deutschen Mitgliedern er sich mit der Schauspielerin und Geheimagentin Bridget von Hammersmark treffen soll. Doch der für sicher gehaltene Treffpunkt in einer Kellerbar offenbart ein Problem, denn er ist voll von deutschen Soldaten, die ihren freien Abend genießen. Die Nazis und von Hammersmark spielen zunächst ein Spiel, bei dem es die Person zu erraten gilt, die einem auf einen Zettel geschrieben vorm Kopf klebt. Die Runde ist ausgelassen, einer der Soldaten feiert sein Vaterglück und alle sind begeistert von dem Filmstar in ihrer Mitte. Dann tauchen Hicox und die Basterds auf. Was Tarantino aus dieser Situation konstruiert, ist eine der großartigsten Sequenzen von „Inglorious Basterds“. Von Hammersmark und ihre drei Komplizen wollen gerade den Plan besprechen, als der von August Diehl gespielte SS-Sturmbannführer Hellstrom auftaucht, sich zu ihnen setzt und sich über Hicox seltsame Aussprache wundert. Als er vorschlägt, das Spiel der Soldaten aufzugreifen, leitet Tarantino damit einen Suspense-Moment erster Güte ein, bei dem Diehl und der von Michael Fassbender gespielte Hicox einander auszustechen versuchen, was mit einigen auf Hoden gerichtete Waffen und schließlich in einem radikalen Blutbad endet, welches sämtliche dramaturgischen Regeln austanzt.
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Im fünften Kapitel, Revenge of the giant Face‘, finden die Handlungsstränge um die Basterds und Shosanna zusammen. Hier zündet gleich zu Beginn der großartigste Gag des Films, wenn Aldo Raine und seine Männer sich als Italiner ausgeben, dem einwandtfrei auf Italienisch palierenden Landa vorgestellt werden und Pitt mit breitestem Südstaatenakzent nur einige Brocken zustande bringt. Der Schlussakt ist dann auch wahrlich der Höhepunkt von „Inglourious Basterds“. Wie Tarantino den Racheplot um Shosanna und jenen um den Auftrag der Basterds letztlich auflöst, wohin er seine Charaktere letztlich treibt, ist teils bitter, teils verblüffend und stellt die Historie endgültig auf den Kopf, wobei sich der Film ja ohnehin von Beginn an als pures What if‘-Spektakel versteht und dementsprechend weit geht.
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Fünf Kapitel, ein Film. "Inglourious Basterds" ist in jedem seiner Teile und als Gesamtstück ein Meisterwerk. So simpel die Story zunächst anmutet, so vielschichtig setzt Tarantino sie besonders über die Charaktere um, auf verwinkelte Erzählmanöver verzichtet er gänzlich und hat sie dank der ausgefeilten Leistungen seines Ensembles auch nicht nötig. Christoph Waltz ragt zwar heraus mit seiner aufsehenerregenden Performance, auf der Stufe unter ihm tummelt sich aber ebenfalls geballte Klasse, aus der nicht mal die zuvor als potenzielle Störfaktoren ausgemachten Schweiger und Diane Kruger herausfallen. Bei letzterer kann man sich zwar nicht ganz sicher sein, was da schauspielerisch tatsächlich gewollt oder einfach nur nicht besser gekonnt ist, aber wirklich schlecht spielt sie nicht. Handwerklich ist der Film in allen Bereichen bestens gelungen, sei es die Ausstattung, Robert Richardsons mal beinahe intime, dann wieder elegante und schwungvolle Kameraführung, oder die standesgemäß passgenaue Songauswahl. „Inglourious Basterds“ ist ein Kino-Größtereignis, dem man so viel mehr abgewinnen kann, als pures Entertainement, obwohl Tarantino ihn näher daran positioniert, als man hätte vermuten können. Keine Minute zu lang, keine Szene zu viel und insgesamt ein Film, der sich vor vielem verbeugt und der selbst am Ende die tiefste Verbeugung verdient.
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komplette Review siehe http://blogs.myspace.com/index.cfm?fuseaction=blog.view&friendId=418824324&blogId=506501459