Bei Filmen wie Lethal Weapon oder Last Boy Scout fallen einem wohl zunächst die Namen der Actionstars Mel Gibson und Bruce Willis, möglicherweise auch die der Genrevirtuosen Richard Donner und Tony Scott ein, die diese Streifen inszenierten. Man denkt an die gekonnte Verquickung von knallharter Action und trefflicher Komik, die von der Konstellation der grundverschiedenen Charaktere ausgeht, die unter ungewöhnlichen Umständen zur Zusammenarbeit gezwungen werden. Zusammengefasst wird dies unter dem Begriff „Buddy Movie“, einem ungemein beliebten und immer wieder gern und selten besonders innovativ aufgewärmten Sub-Genre.
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Eher selten kommt einem der Name Shane Black in den Sinn. Dieser landete 1987 mit dem Drehbuch zu Lethal Weapon – Zwei stahlharte Profis DEN Paukenschlag und modernen Prototypen des Buddy Movies. Schnell wurde Black, nebenbei auch als Schauspieler und Produzent tätig, zu einem der bestbezahlten Autoren überhaupt – und verabschiedete sich Ende der 90er Jahre aus dem Geschäft. Erst 2005 kehrte er mit Kiss Kiss, Bang Bang zurück, bei dem er neben dem Drehbuch auch zum ersten Mal die Regie übernahm. Zwar konnte der Film nicht annähernd an den kommerziellen Erfolg vergangener Tage anknüpfen, doch darum wird es Black auch nicht vorrangig gegangen sein. Kiss Kiss, Bang Bang ist ein erfrischend respektloses, mit vielen Seitenhieben und Referenzen auf die Traumfabrik Hollywood und ihre Machenschaften gespicktes Knallbonbon, teils cartoonhaft überzeichnet und nie im politisch überkorrekten Stil einer BigBudget-Produktion.
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Den größten Tribut zollt Black seiner Vorliebe für Groschenromane und Detektivgeschichten. Die vertrackte, manchmal unübersichtliche Story streift so manch groteske Spur, nimmt aber stets die richtige Wendung, um nicht ins allzu Schräge abzugleiten. Das cartooneske und überdrehte einiger Situationen, in die der Protagonist und Erzähler Harry Lockhart gerät, wird ungemein charmant und amüsant in die Handlung eingebettet und von Harrys Kommentaren unterstrichen, in denen er den Zuschauer direkt anspricht und den Film klar als solchen benennt. Auch ziehen Harry und die anderen Charaktere des öfteren Parallelen zu den schundigen Kriminalromanen des für die Story nicht unbedeutenden fiktiven Autors Jonny Gossamer. Auf diese Weise nimmt sich der Film über die gesamte Zeit in köstlicher Art nicht besonders ernst, scheut dabei Tabuthemen ebensowenig, wie einen recht komplizierten Verlauf, bei dem hier und da die Übersicht verloren geht, der aber andererseits in den richtigen Abständen erklärend zusammengefasst wird. Dennoch ist ein bißchen Insiderwissen und Mitdenken angebracht, wofür man Black loben kann, da er sein Publikum ganz offensichtlich nicht für so dumm hält, wie es manch andere simpel konstruierte Produktion tut.
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Im Mantel der Detektivgeschichte ist Kiss Kiss, Bang Bang genau wie Blacks bekannteste Arbeiten ein waschechtes Buddy Movie. Der Kleinganove Harry verbockt einen Einbruch und platzt auf der Flucht versehentlich in ein Casting zu einem Detectivfilm. Er überzeugt die Produzenten mit seinem „Method Acting“ und bekommt einen echten Privatdetectiv, den schwulen Perry zur Seite, der als Berater für Filmproduktionen tätig ist. Schnell stolpern der tollpatschige Harry und der sarkastische Perry, der nicht müde wird, seinen Schützling als Blödmann zu outen, über eine Leiche nach der anderen. Harrys Jugendliebe, die Schauspielerin Harmony, sorgt zusätzlich für Aufruhr, als ihre Schwester scheinbar Selbstmord begeht. Das Trio, gespielt von den glänzend in ihren Rollen aufgehenden Robert Downey jr., Val Kilmer und Michelle Monaghan, verstrickt sich in einem Sumpf aus Kindesmissbrauch, Mord und Betrug.
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Monaghan, zwar bisweilen arg hysterisch unterwegs, erweitert das genreübliche ungleiche Duo sehr gut und ist mehr als nur ansehnliches Beiwerk. Sie nimmt schonmal einem bewusstlosen Downey jr. die Actionszene ab und auch wenn ihr Charakter verruchter angelegt wird, als dass dies bei der niedlichen Monaghan vollends rüberkommt, überzeugt sie mit Durchsetzungskraft und ihrer kecken Art. Downey jr. und Kilmer sind als kabbelnde Ermittler wider Willen Herz und Seele des Films. Von Fettnäpfchen zu Fettnäpchen springt Downey jr. ohne Rücksicht auf Verluste, verliert Körperteile und wird an den Genitalien gefoltert und all das mit einem herrlich hilflosen Gesichtsausdruck. Downey jr. ist es dabei zu verdanken, dass Harry Lockhart nicht zur bloßen Witzfigur wird, seine dauernden Manöver in die falsche Richtung (schläft mit Harmonys Freundin, entsorgt Tatwaffe am falschen Ort, pinkelt auf eine Leiche,…) meistert er mit Selbstironie und einer symathischen Unaufgeregtheit. Kilmer bildet als weicher Kerl mit hartem Kern (oder umgekehrt) ein tolles Gespann mit Downey jr. und man würde sich wünschen, dass der exzentrische Star öfter in solcher Spiellaune vor die Kamera getreten wäre. Weitere Figuren sind zumeist Randerscheinungen, so dass der knifflige Plot nicht unnötig vollgestopft wird.
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Kiss Kiss, Bang Bang ist eine freche, teils wunderbar unverschämte Hommage an klassiche Detectivgeschichten. Kein Meilenstein in Sachen Action, wie Black ihn einmal setzte, aber ein durchweg sehenswerter Spaß mit einnehmenden Darstellern, einem vergnüglichen Umgang mit sich selbst, besonders durch Harrys Off-Kommentare und einer stimmigen Ausgewogenheit in der Inszenierung seiner Zutaten. Schade, dass man seit 2005 widerum von Shane Black nichts mehr gehört und gesehen hat. Dass er heute wie damals zu den wohl besten seiner Zunft gehört, hat er mit Kiss Kiss, Bang Bang zweifelsfrei bewiesen.
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komplette Review siehe: http://christiansfoyer.wordpress.com/2010/01/19/review-kiss-kiss-bang-bang/