Dario Argento ist und bleibt der bedeutendste italienische Horrorregisseur. Auch wenn er zuletzt mit Filmen wie „The Card Player“, Masters Of Horror: Jenifer oder Do You Like Hitchcock? beileibe nicht an seine Hochzeit in den 70er Jahren anknüpfen konnte, so hat er sich doch mit Werken wie „Rosso – Die Farbe des Todes“, Suspiria oder „Horror Infernal“ seinen Platz im Genreolymp für immer gesichert. Mario Bava ist Italiens zweitbester Horrorregisseur. Sein Giallo-Meisterwerk „Blutige Seide“ muss sich beileibe nicht vor den Filmen von Konkurrent Argento verstecken, und in so ziemlich jedem anderen europäischen Land hätte es für Bava wohl auch spielend für die Spitzenposition gereicht. Ebenso wie die von Argento sind auch die meisten Bava-Filme vor allem optisch eine Wucht. Und in dieser Tradition der visuellen Brillanz steht auch ganz eindeutig Bavas „Baron Blood“. Leider hinkt da die nur durchschnittliche Geistergeschichte etwas hinterher.
Der junge, aufgeweckte Amerikaner Peter Kleist (Antonio Cantafora) hat gerade sein Studium beendet und will nun vor seiner Dissertation eine kleine Atempause einlegen. Hierfür reist er nach Österreich zu seinem Onkel Dr. Karl Hummel (Massimo Girotti), um sich dort auf die Spuren seiner Vorfahren zu begeben. Einer seiner Ahnen, der Baron Otto von Kleist, hat es Peter dabei besonders angetan. Der gefürchtete Baron hatte zu seinen Lebzeiten viel Spaß daran gefunden, seine Untertanen in seiner privaten Folterkammer zu quälen und anschließend – für jedermann gut sichtbar – an Pfählen auf dem Dache seines Schlosses aufzuspießen. Jenes „Schloss des Teufels“, das sich mittlerweile zu einer gut besuchten Touristenattraktion gemausert hat, ist noch immer im Besitz von Peters Familie. So ist es auch ein Einfaches für ihn, gemeinsam mit der attraktiven Architektin Eva Arnold (Elke Sommer) aus einer Laune heraus im Keller des Schlosses, genau an jener Stelle, an der einst der Tyrann von einem wütenden Mob zu Tode gefoltert wurde, eine uralte Formel zu sprechen, die angeblich den Baron Otto wieder zum Leben erwecken soll. Und wirklich ereignet sich in den folgenden Tagen eine Reihe von mysteriösen Mordfällen, die eindeutig die Handschrift des Folterbarons tragen…
Mit „Baron Blood“ erzählt Mario Bava ein durch und durch klassisches Gruselmärchen. Dabei bietet er zwar die eine oder andere mehr oder weniger überraschende Wendung, aber im Endeffekt keinerlei wirklich neue Ideen auf. Mittels geschickt integrierter Giallo- und Slasher-Szenen versucht Bava zwar, die konservative Gestalt seiner Geschichte hier und da aufzubrechen, aber auch wenn diese Sequenzen durchaus gefallen und ihre Schockwirkung tun, wirken sie sich auf den etwas zu klassischen Gesamteindruck doch nur bedingt aus. Was hingegen für erhebliche mehr Auflockerung sorgt, sind die beiden nicht italienischen Hauptdarsteller des Films. US-Star Joseph Cotten (Citizen Kane, Der Glanz des Hauses Amberson, Im Schatten des Zweifels, Der dritte Mann) verbreitet als geheimnisvoller, an den Rollstuhl gefesselter Schlosskäufer Alfred Becker eine wunderbar diabolische Atmosphäre. Deutschlands Exportschlager Elke Sommer („Zehn kleine Negerlein“, „Tote pflastern seinen Weg“) macht ihrer Funktion als Scream-Queen wirklich alle Ehre. Und abgesehen davon fällt ihr herausstehendes modisches Accessoire, eine knallrote Pudelmütze mit seitlich angebrachten Bommeln, so prägnant ins Auge, dass es für sich allein schon eine Handvoll Szenen trägt.
Was Bava auch in „Baron Blood“ einmal mehr an visuellen Spielereien und beeindruckenden Bildkompositionen auffährt, sollte man gesehen haben. Besonders viel Spaß macht es ihm dabei verständlicherweise, das gespenstische Schloss mit seinen dunklen Ecken und der reichlich ausgestatteten Folterkammer atmosphärisch in Szene zu setzen. Allzu viel hätte wohl auch ein Anfänger bei diesen gruseligen Drehorten nicht falsch machen können, aber Bava holt wirklich das Letzte aus ihnen heraus. Vor allem in einer Sequenz, in der Becker seinen Gästen von den Restaurationsarbeiten am Schloss vorschwärmt, woraufhin die Kamera urplötzlich zurückzieht und so den Blick auf das Dach freigibt, an dessen Pfählen wie früher wieder aufgespießte Kadaver hängen, zeigt sich Bavas dramaturgische Genialität. Allerdings verliert er sich nicht nur in seinen kunstvoll gestalteten Settings, sondern fährt auch die ein oder andere explizit blutige Szenerie auf, um sein Publikum zu schocken. So findet der Hausmeister seinen schmerzhaften Tod in einer verrosteten Eisernen Jungfrau und dem Doktor, der sich eigentlich doch so fürsorglich um die jahrhundertealten Wunden des Barons kümmert, wird kurzerhand die Kehle durchgeschnitten.
Fazit: Aufgrund der für Bava-Verhältnisse schwachen Gruselstory muss man den Film zwangsläufig zu den Nebenwerken des Regisseurs zählen. Aber dank seiner optischen Finesse, seiner brillant inszenierten Gotik-Settings und seinen gelungenen Schockeffekten bleibt „Baron Blood“ dennoch auf jeden Fall sehenswert.
Diese Kritik ist Teil der Retrospektive FILMSTARTS.de goes Grindhouse.