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    Die Erde von oben
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Die Erde von oben
    Von Carsten Baumgardt

    Der Fotograf Yann Arthus-Bertrand erregte im Jahr 2000 mit seiner Ausstellung „Die Erde von oben“ immenses Aufsehen. Diese 170 poetischen, wunderschönen Luftaufnahmen entwickelten eine ungemeine Faszination, der sich kaum jemand entziehen konnte. Der ehemalige Journalist, TV-Macher und Produzent Renaud Delourme war derart gefangen von der Schönheit der Werke, dass er Arthus-Bertrand davon überzeugen konnte, einen Film daraus machen zu dürfen. Das Ergebnis fällt gewöhnungsbedürftig aus. Delourmes Kinodebüt „Die Erde von oben“ ist optisch atemberaubend, aber der inhaltliche Kontext versandet, ohne das Interesse des Zuschauers wecken zu können. Ein echtes Dilemma.

    Technisch ist die sehr freie Dokumentation der Schöpfungsgeschichte außergewöhnlich und beachtlich. Nachdem sich der Betrachter nach einer gewissen Zeit daran gewöhnt hat, dass er in „Die Erde von oben“ kein einziges bewegtes Bild zu sehen bekommt, beginnt die einzigartige Bilddynamik zu wirken. Daniel Marchetti, Experte für Spezialeffekte und Bildanimation, erschuf eine Technik, die es Regisseur Delourme erlaubte, den Fotos von Arthus-Bertrand eine dynamische Ebene zu geben. Die Kamera zoomt über die Bilder und dabei wird ein Gefühl von Raumtiefe erzeugt. In Kombination mit den grandiosen Aufnahmen ist der Film ein Fest für die Augen des Zuschauers. Immer wieder stockt einem der Atem vor derart außergewöhnlich komponierten Fotos.

    Leider, leider ist das aber nur eine Seite der Medaille. Die inhaltliche Komponente ist nahezu ein Totalausfall. Delourme sieht sein Werk als Ode an eine unabdingbare Versöhnung zwischen Mensch und Natur, als freie Interpretation der Entstehung der Erde, der Schönheit, der Vitalität sowie des menschlichen Schicksals. Dies hängt der Filmemacher an einer Geschichte auf, die ein Vater seinem Sohn erzählt. Schritt für Schritt sollen sich so die Gegensätze zwischen Mensch und Natur offenbaren. Das Problem: Der philosophische Unterton hemmt den Film, bremst ihn aus. Er hindert eine große Masse, einen Zugang zu finden. Die über sieben Stationen („Die Genesis“, „Der Mensch“, „Die Sinne“, „Babel“, „Chaos und Ordnung“, „Zivilisation“, „Terra Incognita“) angelegte Reise wirkt immer am stärksten, wenn der Off-Kommentar (im Deutschen von Thomas Fritsch und Malte Stübbing gesprochen) dem Betrachter eine Pause gönnt und der exotisch angehauchte Score von Armand Amar greift. In den besten Momente entwickelt der Film dann tatsächlich vorübergehend eine Sogwirkung, die durch die prächtige Komposition der Farben zusätzlich getragen wird.

    Bilder von unfassbarer Schönheit konterkariert Delourme mit Unglücken wie Tschernobyl oder Naturkatastrophen. Die „hässlichen“ Fotos (die trotzdem eine abartige Faszination durchzieht) häufen sich gen Ende, um dem Fazit in die Karten zu spielen. „Die Menschheit ist gescheitert. Ethisches Bewusstsein und menschliche Verantwortung gleich Null“, bilanziert der Regisseur im Film. Er führt seinem Publikum die Schönheit dieses Planeten vor, um schlussendlich den großen Zeigefinger zu ergeben. Inhaltlich lässt sich das Fazit diskutieren, ein Stückchen Wahrheit steckt selbstverständlich darin, aber die Art und Weise, wie die Botschaft unters Volk gemengt wird, ist wenig elegant. Und so bleibt „Die Erde von oben“ ein zwiespältiges Vergnügen. Wer einen Zugang zu Delourmes Gedankengut findet, hat beste Aussichten, einen faszinierenden Film zu sehen. Zuschauer, die daran scheitern, dürfen sich immerhin noch an den famosen Bildern berauschen, so denn ihnen vom Off-Kommentar nicht der Nerv geraubt wird.

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