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    Pulse
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Pulse
    Von Carsten Baumgardt

    Im Westen nichts Neues: Hollywood-Remake eines Japan-Horrors, nächster Teil. Altmeister Wes Craven guckte sich als Autor die US-Umsetzung von Kiyoshi Kurosawas „Kairo“ (dt.: „Pulse“) aus und lieferte Werbefilmer Jim Sonzero eine durchwachsene Vorlage, die sein Regisseur in düster-schicke Bilder packte. „Pulse“ ist zwar nicht so desaströs, wie ihn ein Großteil der horrorverabscheuenden amerikanischen Presse machte, doch trotz einer annehmbaren zweiten Hälfte verpasst der Endzeit-Horror-Thriller das Mittelmaß, weil einfach zu viele gute Ideen ungenutzt verstreichen.

    Psychologiestudentin Mattie (Kristen Bell) macht sich große Sorgen um ihren Ex-Freund Josh (Jonathan Tucker), der sich sehr seltsam verhält. Als er sich zutiefst verstört in seiner verwahrlosten Wohnung in Matties Beisein erhängt, ist die junge Frau schockiert. Mit ihren Freunden Stone (Rick Gonzalez), Tim (Samm Levine) und Isabell (Christian Milian) versucht sie, hinter die Gründe für den überraschenden Selbstmord zu kommen. Derweil ereignen sich in der Stadt immer mehr mysteriöse Suizide, aber eine Massenpanik bleibt merkwürdigerweise aus. Die meisten Menschen wirken wie paralysiert. Matties Spur führt zu dem Bastler Dexter (Ian Somerhalder), der ihr hilft, die Geschichte zu verfolgen. Denn die Zahl ihrer engsten Freunde reduziert sich rasend schnell... durch unvorhergesehenes Ableben. Ein Computervirus, das Geister aus der Schattenwelt in die Realität holt, ist anscheinend der Ursprung allen Übels.

    Obwohl Hollywood oft an der Adaption von Japan-Horror gescheitert ist, will diese Mode einfach nicht abreißen. Die Schwierigkeit, die besondere Stimmung der asiatischen Vorlage in die völlig anders funktionierende US-Gesellschaft zu übertragen, klappt selten so perfekt wie bei Gore Verbinskis The Ring zum Beispiel. An der Tagesordnung sind eher mittelmäßige bis schlechte Umsetzungen wie Dark Water oder Der Fluch. Jim Sonzeros Mystery-Horror „Pulse“ reiht sich nahtlos in letztere Kategorie ein. Dabei wäre aus der immens spannenden Grundidee viel, viel mehr herauszuholen gewesen, als nur sehr, sehr schicke, kühle, düstere Bilder.

    Regisseur Sonzero über sein Werk: „Mich hat die Message des Films angesprochen. ‚Pulse’ behandelt den Widerspruch unserer heutigen Kommunikationstechnologie: Eigentlich soll sie uns zusammenbringen, und doch sorgt sie bei den Menschen oft für Entfremdung. Wir sitzen Stunden vor dem Computer, schreiben E-Mails, surfen im Internet, geben uns der Illusion hin, mit den anderen in Verbindung zu treten, aber dabei nehmen wir zwischenmenschlich ja gar nicht mehr mit den anderen Kontakt auf. Virtuelle Interaktion ist für mich der Sündenfall, das verlorene Paradies. Je mehr uns die Technologie verführt, desto stärker hängen wir von ihr ab. Sie verändert uns. Wir verlieren unsere Menschlichkeit und isolieren uns voneinander.“ Sonzeros romantische Vorstellung der modernen Welt sei ihm von Herzen gegönnt, doch dieses Statement ernsthaft in Verbindung zu seinem Film zu setzen, wie er es macht, entbehrt einer gewissen Komik nicht. Im Kontext mit den Geisterwesen der Handlung entpuppt sich die Aussage des Filmemachers in der Praxis als ausgemachter Nonsens. „Pulse“ ist ein streng formelhafter Konventionsfilm, der sich nach einfachem Strickmuster voranbewegt. Die von Sonzero beabsichtigten gesellschaftskritischen Untertöne verpuffen in der durchgestylten Werbeclip-Optik komplett.

    Nochmal der gute Sonzero: Für ihn ist „Pulse“ eine Warnung an die Menschheit. Eine Geschichte, die aufrütteln soll: „Je mehr wir uns der Technologie hingeben, desto mehr trennt sie uns voneinander.“ Doch dieser Aufruf darf keine einseitige Angelegenheit sein. Vielmehr sollte die Kinomenschheit gewarnt sein, sich genau zu überlegen, ob sie für Sonzeros Film 85 Minuten Lebenszeit opfern will. Der Regisseur hat zwei schlagkräftige Argumente, je eines für männliche und eines für weibliche Zuschauer. Ganz abgesehen von der Qualität des Films ist es eine Freude, Hauptdarstellerin Kristen Bell (der Kultstar aus der TV-Serie „Veronica Mars“, Kifferwahn) auf der Leinwand zu sehen. Dass sie ihrer genreüblichen Figur Mattie keine Wunderdinge entlocken kann, sondern nur Solides bietet, spielt dabei keine tragende Rolle. Für die weiblichen Fans gilt es indes, sich am nahezu unverschämt guten Aussehen von „Lost“-Star Ian Somerhalder zu erfreuen, wenn schon ansonsten nur magere filmische Hausmannskost geboten wird.

    Autor Wes Craven (Scream, Hügel der blutigen Augen, „Nightmare On Elm Street“) zeigt sich in „Pulse“ von seiner schlechteren Seite und versteht es nicht, dem japanischen Original die Essenz zu entziehen, stattdessen wirkt sein Extrakt wie eine beliebige Zutat in einem gewöhnlichen Horrorfilm. Es bleibt der unangenehme Nachgeschmack, dass Craven Amerikanisierung mit Vereinfachung gleichsetzt, damit seine Landsleute dem geisterhaften Treiben auch problemlos folgen können. Von der Subtilität der J-Horror-Vorlage ist nichts mehr zu spüren. Wenigstens vermag es Regisseur Sonzero nach handelsüblichem Beginn, seinen Film in Schwung zu bringen. Schockmomente hat „Pulse“ wenige, die gut funktionieren, das Grauen hält sich in überschaubaren Bahnen, die CGI-Effekte wirken großteils sehr künstlich, doch das Tempo stimmt und die düstere Endzeit-Atmosphäre baut sich nach und nach auf. Trotz einiger positiver Ansätze und einer packenden Grundidee kommt „Pulse“ nicht über den Status eines ausgedehnten Horrorvideoclips hinaus. Die Schauwerte stehen über allem, Substanz ist Mangelware. Dass es im Zweifelsfall auch mal style over substance sein darf, beweist derzeit eindrucksvoll Michael Mann mit seinem Cop-Thriller Miami Vice, aber bis Sonzero dessen überragende Kunstfertigkeit erlangt hat, selbst einen mittelmäßigen Plot unglaublich cool aussehen zu lassen, werden wohl noch einige Jahrhunderte ins Land ziehen...

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