Nun hatte ich vor kurzem Gaspar Noés "Menschenfeind" gesehen, der auch als Skandalfilm angesehen wird und mir recht gut gefallen hatte. Ich hatte viel über "Irreversibel" gehört und war deshalb auch sehr gespannt. Wenn sogar bei der Aufführung in Cannes viele Leute den Saal verlassen haben sollen, muss der Film ja irgendwas Extremes haben. Nun ja, das Endergebnis sehe ich recht zwiespältig, denn auf der einen Seite hat "Irreversibel" wirklich etwas Verstörendes, auf der anderen Seite hat er mir aber auch nicht so wahnsinnig gut gefallen.
Es wird eigentlich eine ganz simple Geschichte erzählt, in der die Freundin eines Mannes vergewaltigt wird und dieser sich anschließend äußerst brutal rächt. Wäre "Irreversibel" nicht chronologisch verkehrt herum erzählt, hätte der Film also eigentlich nichts Besonderes an sich. Ganz neu ist diese Art des Rückwärtserzählens aber auch nicht, da dies schon bei "Memento" so ausgeführt wurde. Auf jeden Fall bringt dieses Rückwärtserzählen hier ein paar Nachteile mit sich. Man kennt am Anfang, welches ja dann schon das Ende darstellt, niemanden der Figuren und kann die ganzen Reaktionen nicht nachvollziehen. Ebenso kann man die Figuren als glaubwürdig oder sympathisch bezeichnen, weil man sie ganz einfach noch nicht kennt. Das andere Problem ist dann, dass nachdem nach ca. zwei Drittel des Films alles passiert ist und man dann nur noch die Einleitung zu sehen bekommt. Hier wird es dann schon ein wenig langweilig, weil man halt weiß, dass nichts mehr passiert.
Der Anfang des Films fängt mit dem Abspann an, welcher rückwärts läuft. Daraufhin erfährt man kurz, wie es dem Metzger aus "Menschenfeind" so ergangen ist. Er gibt auch wohl die Grundaussage des Films ab, die da lautet "Zeit zerstört alles". Danach sieht man Marcus in einem Homosexuellenclub herumirren. Die wilden Kamerafahrten sollen wohl seine Wut wiederspiegeln, aber nach einer Zeit wird es doch etwas nervig. Was dann folgt ist eine sehr harte und explizite Gewaltdarstellung, welche es echt in sich hat. Insgesamt kann man die ganze Szene im Homosexuellenclub schon als sehr beklemmend und gelungen bezeichnen.
Danach läuft der Film auf den Mittelteil zu, in welcher es dann die ca. zehnminütige Vergewaltigung zu sehen gibt. Auch diese wurde sehr gut und vor allem sehr authentisch in Szene gesetzt. Ob man allerdings zehn Minuten zeigen muss, wie eine Frau vergewaltigt und anschließend verprügelt wird, ist fraglich, denn ehrlich gesagt wurde es auch hier nach ein paar Minuten langweilig. Wer sich jetzt denkt, er könnte an der Szene Gefallen finden, wird sicherlich falsch liegen, denn Fans von Sexploitation oder ähnlichem werden der Szene nichts abgewinnen können, da sie extrem realistisch und glaubwürdig rüberkommt. Wer daran Gefallen findet, der sollte sich wahrscheinlich mal Gedanken machen.
Nach dieser berüchtigten Szene wird es ruhiger und wir kommen langsam zur Einleitung. Die Kamera wird sichtbar ruhiger und ab hier wird es dann auch langsam aber sicher langweilig. Das liegt ganz einfach daran, dass man weiß, es wird nichts mehr passieren.
Von der Inszenierung her ist "Irreversibel" gut, aber teilweise übertreibt es Herr Noé doch mit der Kamera. Bis zum letzten Drittel ist diese nämlich oft sehr wild, kreist umher oder ist einfach total verwackelt. Mag sein, dass es ein gutes Stilmittel ist um die Gefühle zu vermitteln, doch teilweise nervt es einfach nur noch und man hat keine Lust mehr auf den Bildschirm zu gucken. Übrigens kommt der Film ganz ohne Schnitte aus.
Die Darsteller spielen allesamt sehr gut und total überzeugend. Gerade Vincent Cassel spielt seine zornige Figur toll und Monica Bellucci gibt auch eine echt gute Leistung ab, auch gerade während er Vergewaltigung. Der Rest der Besetzung spielt aber auch glaubwürdig.
Bis man am Ende den Anfang sieht, ist "Irreversibel" ein überaus kalter, düsterer und pessimistischer Film. Zusätzlich hat er auch eine sehr beklemmende Atmosphäre. Am Ende, welches ja den Anfang darstellt, gibt es dann noch ein bisschen Humor und hier ist der Film dann auch noch recht locker. Der Score ist passend und untermauert teilweise die sehr hektische Kameraführung.
Fazit: Ich weiß nicht als was man "Irreversibel" bezeichnen kann. Ist es ein Kunstfilm? Ist es ein Experimentalfilm? Oder doch einfach nur ein Skandalfilm? Ist auch egal! Auf jeden Fall hebt er sich von der Masse nur wegen seines Erzählstils, einer expliziten Gewaltszene und einer sehr heftigen Vergewaltigung ab. Schockiert hat mich das alles nicht und verstört war ich danach ebenfalls nicht, doch muss ich zugeben, dass "Irreversibel" schon etwas hat. Ich werde ihn mir aber sicher nicht nochmal ansehen und Mainstreamgucker sollten sich vorher fragen, ob sie sich diesen Film wirklich angucken wollen.