Wem soll man glauben?
Keiner war dabei. Niemand war Zeuge.
Wir sind gute 105 Minuten im Gerichtssaal. "Sie sagt. Er sagt." Das ist nicht nur der Titel des Films, der im ZDF zu sehen war. Der Titel ist Programm: Sie sagt. Er sagt. Aber welche der Aussagen ist glaubhafter?
Die prominente Moderatorin Katharina Schlüter (Ina Weisse) sagt, ihr ehemaliger Geliebter Christian Thiede (Godehard Giese) habe sie vergewaltigt. Jahrelang hatten sie eine heimliche Affäre, hatten sogar überlegt, ihre Familien zu verlassen.
Aber die Beziehung bekam Brüche, stand vor dem Aus.
Sie sagt, sie anfangs den Sex wollte, aber währenddessen merkte: Sie will nicht mehr, und sie habe das ihm deutlich gemacht. Er habe dennoch weitergemacht. Für sie hat das schwere psychische Folgen - und nach der Anzeige wird sie medial hingerichtet.
Er sagt: Nichts. Erst mal. Seine Anwältin streitet alles ab.
Aber die Indizien scheinen gegen ihn zu sprechen - bis er ganz am Ende doch noch das Wort ergreift.
Es ist ein spannendes Experiment aus der Feder von Ferdinand von Schirach. Denn wir Zuschauer sehen und hören auch nur das, was im Gerichtssaal gesagt wird. Wir sehen die Reaktionen in den Gesichtern. Wir sehen die Indizien.
Wir erfahren auch nicht, was denn da genau zwischen den beiden passiert ist. Aber vor allem: Wir müssen uns selbst darüber Gedanken machen, wie wir urteilen würden. Und wir merken: Das ist gar nicht so einfach.
Medial erleben wir in solchen Fällen viele Vorverurteilungen. Jeder steht auf irgendeiner Seite. Da ist im Film nicht anders. Aber es gibt den Moment, wo man in seinem Denken erschüttert wird, weil plötzlich doch alles anders sein könnte.
"Sie sagt. Er sagt." hat einen Aha-Effekt, er bietet aber nicht die Lösung. Das macht ihn so sehenswert - und nachdenkenswert.