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    Donnie Yen's Sakra
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Donnie Yen's Sakra

    Chinas Antwort auf das MCU

    Von Björn Becher

    Jin Yongs zuerst zwischen 1963 und 1966 als Fortsetzungsgeschichte in seiner eigenen Tageszeitung veröffentlichtes Epos „Halbgötter und Halbteufel“ gehört zu den größten und bekanntesten Werken der chinesischen Wuxia-Literatur – also jenem Genre, in dem meist ehrenvolle Helden in gerne mit Fantasy-Elementen angereicherten historischen oder pseudo-historischen Settings für das Gute kämpfen. Das am ehesten mit westlichen Erzählungen wie „Herr der Ringe“ oder „Game Of Thrones“ vergleichbare „Halbgötter und Halbteufel“ ist so beliebt, dass es bereits zahlreiche Adaptionen fürs Kino, als TV-Serie und sogar als Videospiel gibt. Trotzdem wählte Martial-Arts-Superstar Donnie Yen („John Wick 4“) für seine erste Regie-Arbeit seit fast zwei Jahrzehnten eben diesen Klassiker – und zwar mit einem besonderen Ziel: Er wollte nicht einfach die nächste Adaption des bekannten Stoffes für das chinesische Publikum machen. „Donnie Yen's Sakra“ soll ein Film für die ganze Welt werden …

    … und dafür wählte er sich ein Vorbild, welches in der ganzen Welt erfolgreich ist: Marvel! Schließlich habe es der Comic-Gigant geschafft, dass das oft komplexe, sehr verschachtelte Ausgangsmaterial nun Unterhaltung für eine breite Masse liefert, bei der sich niemand verwirrt fragt, was gerade los ist und warum die Hauptfiguren durch die Luft fliegen. Doch es hat schon seinen Grund, warum vorherige Kinofilme meist nur Bruchstücke von Jin Yongs Roman adaptierten. Noch viel schwerer als zahlreiche langgezogene und dröge Dialog- und Erklärszenen wiegen allerdings andere Dinge, die Yen von Marvel übernommen hat – allen voran unnötige CGI-Effekte vor einem farbentsättigten und damit tristem Hintergrund.

    Donnie Yen spielt nicht nur die Hauptfigur, sondern führte auch Regie.

    Vor 30 Jahren als Baby vor einer Haustür gefunden, ist Qiao Feng (Donnie Yen) zum mächtigen Chef der im Song-Imperium beheimateten Bettlersekte aufgestiegen. Doch dann steht plötzlich ein ungeheuerlicher Verdacht im Raum: Qiao Feng soll einen Song-Offiziellen ermordet haben und zudem eigentlich aus dem verfeindeten Volk der Khitan stammen. So verliert der Anführer nicht nur seine Position, sondern wird auch als Verräter aus der Sekte ausgestoßen und gejagt.

    Gemeinsam mit der nach einem Diebstahl ebenfalls verfolgten Azhu (Chen Yuqi) macht sich Feng Qiao daran, seine Unschuld zu beweisen und dem Geheimnis seiner Herkunft auf den Grund zu gehen. Doch weil um ihn herum gewaltig intrigiert und getäuscht wird (sogar an die „Mission: Impossible“-Reihe erinnernde Gesichtsmasken kommen zum Einsatz), während er selbst zu oft zur falschen Zeit am falschen Ort aufschlägt, wird der eigentlich immer für das Gute einstehende Qiao Feng bald sogar noch einiger weiterer Morde verdächtigt…

    Zu viele Figuren, zu wenig Action

    Es ist wie gesagt kein Zufall, dass vorhergehende Adaptionen der Romanvorlage (wie „Das Blut der roten Python“ aus der legendären Shaw-Brothers-Filmschmiede) jeweils nur einen winzigen Ausschnitt verfilmt haben. Eine dreistellige Zahl an wichtigen Figuren gibt es in „Halbgötter und Halbteufel“ – und obwohl „Sakra“ nur einen Bruchteil davon auffährt, sind es immer noch viel zu viele. Womöglich befeuert davon, dass zahlreiche chinesische Stars sich bereit erklärten, für kleine Gastrollen vorbeizuschauen, tauchen in „Sakra“ immer wieder neue Figuren auf, die in zu langen Szenen die eigentliche Handlung ausbremsen. Sehr gut zeigt sich dies direkt vor einem Kampf, der zur Halbzeit des Films einen Höhepunkt bilden soll.

    Wenn er seine einstigen Mitstreiter und dazu noch dutzende andere Anwesende zum Kampf herausfordert, geht der Massenprügelei ein Trinkduell voraus, bei der jeder, der Qiao Feng töten will, sich erst mal einen Becher Wein mit ihm teilen muss. Und so zieht sich die Szene immer länger hin, ohne dabei gleichzeitig die Erwartungshaltung für den Kampf nach oben zu schrauben. Es ist nicht der einzige Moment in „Sakra“, wo man sich denkt: „Nun kämpft doch endlich!“ Denn der bisweilen sehr unglücklich strukturierte Film lässt immer wieder sehr lange Phasen zwischen Actionszenen verstreichen.

    Qiao Feng muss Azhu beschützen und sich einer Übermacht erwehren.

    Wenn es dann (meistens auch wunderbar lang) kracht, ist zu sehen, warum kaum jemand so ein gutes Gespür für Action-Choreographie hat wie Donnie Yen. Der Martial-Arts-Star versteht es, das An-Drahtseilen-durch-die-Lüfte-Wirbeln mit intensiven Nahkämpfen zu verbinden. In den besten Momenten hat „Sakra“ hier eine poetische Schönheit wie auch eine unmittelbare Brutalität – da gleitet Yen majestätisch durch die Luft und ist im nächsten Moment mitten in einer blutigen Rauferei mit einer (vermeintlichen) Übermacht. In den besten Szenen schaffen Yen und sein Co-Regisseur Ka-Wai Kam eine gute Symbiose der verschiedenen Elemente des Wuxia-Kinos, hier kombinieren sie geerdete Martial-Arts-Fights mit übernatürlichen Fantasy-Superkräften. Doch zu oft werden diese Szenen schnell wieder geschwächt – und zwar meist durch den Einsatz von mieser CGI.

    Dass viele Computereffekte auch aufgrund des mangelnden Budgets eher mäßig aussehen, wäre vielleicht noch zu verzeihen gewesen, wenn sie nicht oft auch noch schlecht eingesetzt würden. Da werden interessante Kampfchoreografien nicht nur durch eine unnötige Beschleunigung der Szene schlechter, sondern auch, weil die Figur mit Spezialeffekten halt noch mal weiter, schneller und höher fliegt als ohnehin schon an den Drahtseilen. Und dass der Held seine Lebensenergie nutzen kann, um Gegner wegzuschleudern, wird irgendwann so repetitiv eingesetzt, dass es sich abnutzt und den Kämpfen endgültig die Spannung raubt.

    Wo gehen während der Action all die Farben hin?

    Hier hindern Sakra auch einige visuelle Entscheidungen. Donnie Yen hat selbst in einigen der auch dank Farbeinsatz bildgewaltigsten Wuxia-Filme (siehe zum Beispiel „Hero“) mitgewirkt. Umso enttäuschender ist es, wie trist „Sakra“ bisweilen wirkt. Gerade in einigen Actionszenen scheinen dem Hintergrund fast alle etwas stärker leuchtenden Farben entzogen. Zurück bleibt jener Graufilter, der auch vielen Marvel-Filmen immer wieder in schnellen und vor allem CGI-überladenen Actionszenen schadet und diese teilweise visuell so uninteressant und austauschbar macht.

    Vom großen US-Comic-Vorbild hat sich Donnie Yen auch die – hier direkt zu Beginn des Abspanns platzierten – Teaser auf ein größeres Universum abgeschaut. Dazu kommt eine musikalische Untermalung, die am Ende so überdeutlich anschwillt, dass jeder versteht, dass nun die große finale Auseinandersetzung ansteht – allerdings mit einem kleinen Unterschied: Das Einläuten eines großen Finales durch die Musik passiert so oft, dass es am Ende schon ein ähnlich witziger Running-Gag ist wie das ständige Betonen des Umstands, dass der bald 60 Jahre alte Yen einen 30 Jahre alten Held spielt. Denn egal, wie sehr die Musik vermittelt, dass wir gerade das Finale erleben, es geht danach trotzdem noch weiter...

    Fazit: Man versteht schon, warum „Donnie Yen's Sakra“ für den in Deutschland sogar in den Filmtitel gehievten Star so ein Herzensprojekt war. Aber die Actionszenen werden trotz schöner Länge und guten Ideen von schwachen visuellen Effekte ausgebremst – und die überladene, umständliche Geschichte verlangsamt das Tempo sogar noch weiter.

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