„Longlegs“ reiht sich ein in die lange Liste von Filmen, die alleine durch einen Internethype groß geworden sind. Grundsätzlich macht mich dies zunächst skeptisch, fand ich doch beispielsweise „Smile“, der auf ähnlichem Weg bekannt wurde, gar nichts anfangen und fand diesen weder spannend, innovativ, gruselig oder neu. Glücklicherweise wurde ich mit „Longlegs“ nun doch eines besseren belehrt, den diesen Film fand ich großartig. Im Vorfeld habe ich mir nichts zum Film angeschaut, außer vor ein paar Monaten mal einen Trailer gesehen zu haben, der allerdings so kurz war, dass ich mich an nichts mehr erinnern konnte. Im Nachgang ist diese Unwissenheit sicherlich viel wert gewesen. Zudem habe ich mir den Film im Originalton angesehen, wodurch nicht nur das Spiel von Cage gut zur Geltung kommt, sondern auch das Publikum sehr ruhig und angenehm war.
Doch worum geht es: Die FBI Agentin Lee Harker wird mit dem Fall des Serienkillers „Longlegs“ konfrontiert, der seit Jahren für Morde verantwortlich ist, aber nie irgendwelche Spuren hinterlässt, außer einem kodierten Brief, der mit seinem Namen unterschrieben ist. Lee scheint, dank ihrer Vorsehung dem Killer nun auch näher zu kommen.
Zunächst muss ich sagen, dass „Longlegs“ in keinem Fall so brutal oder gruselig ist, wie es in den überschwänglichen Reaktion der Fall ist. Das muss er auch gar nicht, den das Werk schafft es vollumfänglich durch seine Stimmung und Atmosphäre zu überzeugen. Von Beginn an wird eine erdrückende und deprimierte Lage eingefangen, die mit Regen und kühlen Bildern untermalt sind. Die Cinematography ist beeindruckend und die Kamera häufig so platziert, dass selbst im Safespace die Türen im Hintergrund dauerhaft im Bild sind, wodurch stets eine Beklemmung entsteht, da man immer glaubt, dass gleich jemand im Hintergrund steht. Regisseur Oz Perkins beweist hier großes Geschick und dass er ein Gefühl fürs Genre hat. Das wird auch durchs Format sichtbar, dass immer wieder wechselt und teilweise im 4:3 Format besticht, welches die Visionen oder Akten darstellen, die einem Polaroid ähneln. Aber auch der erdrückende Score erfüllt hier seinen Zweck. Alleine das Handwerk holt schon einiges aus dem Film heraus und erzeugt den wahren Horror.
Perkins vermischt diese visuelle Ebene mit einer Erzählweise, die an Finchers „Zodiac“ erinnert, aber auch mit Genreperlen wie „Hereditary“ oder „Sinister“. Gleichzeitig reißt die übernatürliche Komponente aber nie heraus und wirkt in der etablierten Welt sehr organisch. Das sorgt an vielen Stellen für starke Bilder und unterstreicht die erdrückende Stimmung. Einzig am Ende wirkt es etwas zu schnell gelöst und ein paar Minuten mehr hätten dem ganzen gut getan. Wenn gleich es noch etwas konsequenter hätte sein können. Dies drückt aber dennoch wenig am dennoch beklemmenden Finale.
Maika Monroe macht ihre Sache als Lee hier wieder verdammt gut und spielt ihre ambivalente und oft introvertierte Figur, die selbst sehr labil wirkt hervorragend. Sie kann den Film problemlos tragen und wirkt als starker Gegenpol zu Nic Cage. Ich muss gestehen, dass ich kein Fan des Darstellers bin, da mir sein ständiges Overacting oft zu viel ist und in meist ohnehin lächerlichen oder schlechten Filmen zu viel ist. Mit Ausnahme von „Pig“ oder „Willy´s Wonderland“, den ich als Guity Pleasure immer wieder gerne schaue. Als Longlegs aber passt er super und sein Schauspiel wirkt auch hier im ersten Moment etwas drüber, passt aber gut zur Figur und reist nicht heraus. Besonders sein Spiel mit der Stimme ist hervorragend und auch sein gehauchtes „Couckoo“ wirkt ebenso beängstigend wie die Maske. Im ersten Moment habe ich Cage kaum erkannt, da er unter einer sehr markanten Decke von Make-up verschwindet. Die Figur selbst wirkt ebenfalls sehr spannend und durch ihren reduzierten Einsatz kann man die Parallelen zu „Das Schweigen der Lämmer“ durchaus nachvollziehen.
Kurz: „Longlegs“ wird tatsächlich mal seinem Hype gerecht und überzeugt mich vor allem durch seine beeindruckende Cinematography und der Atmosphäre. Brutalität und Schock ist geringer als im überschwänglichen Internet heraufbeschworen, aber auf diese Komponenten setzt der Film auch nicht, der seine Stärken gezielt ausspielt. Die ruhige Art der Inszenierung, sowie Monroes starkes Spiel werten die Spannung auf und Cage, den ich sonst eher nicht mag, ist hier als Killer eine positive Ergänzung, dessen skurriles Spiel und Maske gut zum Gesamttenor des Filmes passen.