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Kinobengel
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4,0
Veröffentlicht am 5. Juli 2024
was war wann
Sylvia (Jessica Chastain) wird nach einem Schultreffen von dem dementen Saul (Peter Sarsgaard) verfolgt. Er weiß jedoch den Grund nicht.
„Memory“ habe ich auf dem 41. Filmfest München gesehen.
Der erfahrene mexikanische Filmemacher Michel Franco zeigt ein sehr realistisch wirkendes Werk nach selbstgeschriebenem Drehbuch. Sylvias Verhalten im Alltag mit Beruf, der jugendlichen Tochter Anna (Brooke Timber) sowie weitere regelmäßige Ereignisse charakterisieren die Figuren zweifellos treffend. Dass die Farbsättigung auf der Leinwand eher schlicht ausfällt, passt zu den dargestellten Situationen. Dabei bleibt die Kamera des Belgiers Yves Cape („Holy Motors“) überwiegend auf Distanz. „Memory“ hält bis zum Abspann daran fest; die wenigen Nahaufnahmen bestätigen den guten Stil.
Für Beobachtungskino ist Jessica Chastain erste Wahl. Die vom Theater kommende ausdrucksstarke Oscar-Preisträgerin aus Kalifornien wurde für zahlreiche Genres gebucht. Nominierungen für bedeutende Preise ließen nicht lange auf sich warten.
Franco findet den geeigneten Zeitpunkt, Saul einzuführen und eine Geschichte in Gang zu bringen. Der Regisseur legt keinen Wert darauf, ein Geheimnis für ein Paukenschlagfinale zu verbergen (wie z.B. der geniale Erzähler Denis Villeneuve). Das Publikum erfährt recht früh, was Sylvia bewegt und wechselt dann wieder zur Musterung der Geschehnisse. Hier spielt Jessica Chastain ihre schauspielerischen Trümpfe aus, indem sie Sylvia unsicher bezüglich ihrer Absichten erscheinen lässt, denn die Protagonistin fühlt sich zu Saul hingezogen. Das ist dann auch so gut erzählt, dass alle Emotionen aus den Gesichtern der Figuren ablesbar sind. Ein fortwährendes leichtes Kribbeln füllt den Saal. Auftauchende Familienmitglieder sorgen für weitere Reibungspunkte.
„Memory“ ist ein kraftvolles Drama um die Liebe erfahrener Menschen.
Eine seelisch zermürbte Frau wird von einem unbekannten Mann nach Hause verfolgt – es beginnt aber kein Thriller, sondern ein schmerzhaftes Drama. Denn Der Mann ist dement und hat denoch die Fähigkeit, sich an lange vergangenes zu erinnern. Warum also hat er sie erkannt und ist ihr gefolgt? Aus dieser Basis entpsringt ein nüchtern, bitteres Drama in dem die Vergangenheit aufgearbeitet ist. Schauwerte gibt es in dem Sinne nicht, es ist ein reiner Dialogfilm. Aber eben auch ein großer Schauspielerfilm. Jessica Chastain und Peter Sargaard spielen zurückhaltend, buhlen nicht um die Gunst des Zuschauers. So nüchtern und spröde wie die Figuren daherkommen, kommt am Ende auch der Film daher. Aber wer Zugang dazu findet, erlebt hundert Minuten mit aufwühlenden und bitteren Emotionen.
Fazit: Sanft gespielt und ohne jede Beschönigung – eine unangenehme Liebesgeschichte!