„Emilia Pérez“ stellt sich auf Grund des Marketings als kleine Mogelpackung heraus. Das Musical führt die ohnehin schon eigene Handlung an die Genregrenzen und drückt damit dem eigentlich totgelaufenen Genre neues Leben ein.
Der Film handelt von Manitas, einem Drogenboss in Mexiko, der seine Macht durch Gewalt sichert. Allerdings fühlt dieser sich zunehmend als Frau. Nachdem er, mit Hilfe der Anwältin Rita, seinen Tod vortäuscht und sich schließlich vollständig zur Frau transformiert, startet er als Emilia Pérez ein neues Leben, in dessen Rahmen sie die Fehler ihrer Vergangenheit gut machen will.
Man muss dem Film zwar leider zugestehen, dass er an manchen Stellen durchaus Logiklücken hat auch nicht alles Sinn macht, aber dennoch funktioniert die Handlung, da die Geschichte in all ihren Themen, eine einzigartige Collage bildet, die so bisher im Kino nicht existent war. Das der Film auf Grund dieses Themas bereits in gewissen Kreisen für Anstößigkeit sorgt ist erwartbar. Man zeigt über weite Strecken das Bild von brutalen und gewaltbereiten Männern und Frauen, die durch Empathie und Nächstenliebe glänzen. Gerade der Wandel bei unserer Hauptfigur macht diesen Punkt doch sehr deutlich, revidiert dieses Bild aber im Laufe der Handlung hin und wieder. Die Handlung selbst ist eigentlich recht dünn und über weite Strecken passiert auch eigentlich sehr wenig, dennoch verliert man nie das Interesse an dem gezeigten, da die Figuren und ihre Beziehungen untereinander für ausreichend Stoff sorgen.
Karla Sofia Gascón spielt hervorragend als Emilia. Sie bringt, besonders in den emotionalen Momenten eine riesige Stärke mit sich. Da dürfte eine Nominierung für den Oscar sicher sein. Gleiches muss man über Zoe Sandana sagen. Diese zeigt ihre bisher beste Leistung und beweist, dass sie abseits der ganzen Blockbuster, die sie unter grüner Schminke oder blauen CGI überzeugen fantastisch spielen kann. Einzig Selena Gomez schwankt immer wieder hin und her in ihrer darstellerischen Leistungen.
Am überraschenden war aber der Aspekt des Musicals. Das Genre hatte sich schon vor Jahrzehnten totgelaufen und war zeitweise sogar tot. Mit „Moulin Rouge“ folgte dann eine kreative, neue Perle, ehe man mit „La La Land“ einen sehr sehr guten, wenn auch sehr klassischen Abgesang auf die traditionellen Werke der 50er und 60er Jahre lieferte. In den letzten Jahren funktionierten diese aber stets nach Schema F, haben immer gleiche Geschichten, den immer gleichen Stil, den immer gleichen Songs und Ausstattung. Kreative Ideen ließen auf sich warten, ein neuer Stil ebenso. Hier ist „Emilia Pérez“ ein willkommenes, neues Angebot, das modern wirkt, frische Ideen mit bringt und damit dem Musical einen neuen Anstrich bringt, wie es Machwerke wie „The Greatest Showman“ oder „Mamma Mia“ nicht konnten.
„Emilia Pérez“ wird sicherlich einem großen Teil vor den Kopf stoßen, die sich schon von Musicals abgeschreckt fühlen und das queere Thema als „woke“ abtun. All denen entgeht aber ein verdammt guter Film, mit frischem Wind, starker Story, unkonventionellen Genreregeln und starken Darstellerinnen.