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    Polite Society
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Polite Society

    Es gibt kein Problem, das ein gezielter Roundhouse-Kick nicht lösen könnte

    Von Oliver Kube

    Wer nur oberflächlich den Titel und das Poster von „Polite Society“ betrachtet, könnte leicht auf die Idee kommen, dass es sich hier wohl um ein seicht-dramatisches Bollywood-Projekt handelt. Aber Pustekuchen: Der erste Spielfilm der in Singapur geborenen Wahl-Londonerin Nida Manzoor, die zuvor schon mit der Sitcom „We Are Lady Parts“ über eine aus jungen Muslima bestehende Punkband für Aufsehen gesorgt hat, ist nämlich vielmehr eine britische Coming-of-Age-Komödie mit turbulenten Martial-Arts-Einlagen, die mit einer originären Cleverness sowie einem immensen Unterhaltungswert begeistert.

    Die 13-jährige Ria Khan (Priya Kansara) besucht eine Schule in London und träumt davon, einmal eine Stuntfrau zu werden – ganz so wie ihr großes Vorbild Eunice Huthart, die u.a. für Angelina Jolie regelmäßig in die Bresche springt. Rias ältere Schwester Lena (Ritu Arya) tut unterdessen wirklich alles, um Ria ihren Herzenswunsch zu erfüllen – und hilft so etwa beim Dreh der Videos für ihren passend betitelten YouTube-Kanal „Khan Fu“. Doch dann tritt Salim (Akshaye Khanna) in Lenas Leben. Ria ist sich sicher, dass der aalglatt-attraktive Arzt ihre Schwester nur um den Finger wickeln und nach Singapur mitnehmen will. Also setzt die Teenagerin alles daran, Lena die Augen zu öffnen und die anstehende Hochzeit zu verhindern – egal mit welchen (Martial-Arts-)Mitteln…

    Um ihre ältere Schwester Lena (rechts: Ritu Arya) zu beschützen …

    „Polite Society“ ist umwerfend witzig! Der Humor des Films spielt sich allerdings nicht primär auf der üblichen One-Liner- und/oder Slapstick-Ebene ab (selbst wenn solche Momente ausreichend vorhanden sind). Was das Ganze so unterhaltsam macht, ist vielmehr die schiere Absurdität der Situationen – sowie die Ernsthaftigkeit und der Enthusiasmus, mit der die liebenswert-eigenwillige Protagonistin diese angeht: Rias kämpferische Attitüde wird früh und glaubhaft in einer von der jungen Hauptdarstellerin Priya Kansara („Bridgerton“) erstaunlich vielschichtig gespielten Sequenz klargemacht. Hier versucht Ria einer stocksteifen Lehrerin (Jenny Funnell) ihren Karrierewunsch zu erklären, wird von dieser aber herablassend abgeschmettert.

    Doch die Schülerin sieht überhaupt nicht ein, sich dem mit ihrer pakistanischen Herkunft verbundenen Klischee zu beugen und Ärztin zu werden – sie fühlt sich schließlich zur Stuntfrau geboren. Und das, obwohl ihre Martial-Arts-Fähigkeiten bislang noch nicht einmal ausreichen, um sich gegen die mobbende Schulhof-Schlägerin Kovacs (Shona Babayemi) durchzusetzen. Gerade die erste physische Auseinandersetzung mit Kovacs im Film dürfte unvorbereitete Kinogänger*innen auf dem falschen Fuß erwischen. Denn plötzlich ist es vorbei mit dem bis dahin noch weitestgehend durchgehaltenen Realismus in „Polite Society“…

    Ria stellt sich ihrer Peinigerin und hängt dabei offensichtlich an Drähten wie sie traditionell eben auch für die Kampfszenen in Wǔxiá-Filmen à la „Tiger & Dragon“ oder „Hero“ verwendet werden. Allerdings bewegt sie sich längst nicht so elegant und effizient wie Michelle Yeoh oder Jet Li. Letztlich enden ihre Bemühungen meist mit blauen Flecken – oder direkt einem krachenden Sturz in die Trophäen-Vitrine ihrer Schule samt Eintrag ins Klassenbuch.

    … ist der von einer Karriere als Stuntfrau träumenden Ria Khan (Priya Kansara) wirklich jedes Mittel recht!

    Auch der Rest der Geschichte birgt immer wieder erfrischende Überraschungen und Wendungen, sowohl erzählerischer wie inszenatorischer Natur. So gibt es etwa eine köstliche Heist-Nummer mit bescheuerten Verkleidungen, einen nächtlichen Einbruch, ein versuchtes Kidnapping, natürlich diverse weitere haarsträubende Hauereien und tatsächlich doch noch eine (beinahe!) klassische Bollywood-Einlage. Obendrein wird auch emotional einiges geboten: Die Beziehungen zwischen den Schwestern zu einander sowie zu ihren Eltern, die zwar das Beste für ihre Kinder wollen, zugleich aber auch sehr bedacht auf ihren eigenen gesellschaftlichen Status sind, werden nicht nur lustig, sondern streckenweise auch sehr berührend dargestellt.

    Es mag moralisch nicht ganz korrekt sein, dass mehrfach Prügeleien als Lösung für Probleme präsentiert werden. „Polite Society“ ist aber eben ganz offensichtlich eine völlig überspitzte Komödie, wie spätestens der große Twist zum Ende der Geschichte klarmacht. Zudem sind die Fights allesamt dermaßen over the top und mit mehr als nur einem Augenzwinkern ins Bild gesetzt, dass selbst Kids und Jugendliche die ihnen anhaftende Ironie umgehend erfassen dürften. Insofern ist es also völlig okay, Ria bei ihren – als Allegorie auf das Finden eines eigenen Weges ins Erwachsenwerden angelegten – Kloppereien anzufeuern. Das ist übrigens eine Reaktion, der sich beim Schauen von „Polite Society“ wohl ohnehin kaum jemand entziehen können wird…

    Fazit: Dieser bunte Mix aus berührender Coming-of-Age-Story, überdrehter Action und nicht immer ganz korrektem Feelgood-Humor ist herrlich kurzweilig. Dazu befindet sich die stets mit vollem Körpereinsatz in die Bresche springende Priya Kansara auf dem besten Weg, ein Star zu werden.

     

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