Storytelling mit Anspruch: „HORIZON: AN AMERICAN SAGA“ von und mit Kevin Costner
Die Meinung eines überzeugten Content Marketing Strategen und passionierten Journalisten zum Teil 1, der zur Zeit in unseren Kinos läuft
Die meisten der bekannten und international erfolgreichen Italo-Western wie z.B. Sergio Leones „Once Upon a Time in the West“ oder „Für eine Handvoll Dollar“ waren eigentlich „Gute-gegen-böse-Cowboys-Geschichten“, bei denen der Westen Amerikas mit seinen Ureinwohnern nur die wilde Kulisse abgab. Die Indianer in diesen 1960er-/1970er-Jahre-Movies wurden als immer ernst dreinblickende kämpferische Wilde dargestellt, deren Alltag vor allem aus Postkutschen-Überfällen, Farmerstöchter-Entführungen und Skalpieren zu bestehen schien.
Stereotyper Protagonist und unverwundbarer Held in diesen Action-Filmen: Ein wortkarger Streiter für das Gute und eine Auge-um-Auge-Gerechtigkeit à la John Wayne oder Clint Eastwood.
Gleichzeitig kamen in den 1960er-und 1970er-Jahren hierzulande Indianerfilme wie „Winnetou“, „Lederstrumpf“ oder „Tschetan, der Indianerjunge“ in die Kinos und die Herzen von Jung und Alt flogen den Ureinwohnern Amerikas zu. Stolz trugen wir Boomers zu Fasching und auf Freizeiten Indianerkleidung und dachten nicht eine Sekunde an kulturelle Aneignung. Verachtung gab’s damals vor allem für die bösen weißen Männer, die den Ureinwohnern ihr Land und ihre Lebensgrundlage streitig gemacht hatten.
Wir alle wissen, dass die Auseinandersetzungen zwischen den indigenen Völkern Nordamerikas und den europäischen Einwanderern mit der Unterwerfung und Gefangennahme, mit der Vertreibung und Abschiebung in Reservaten und vor allem mit der Ausrottung eines großen Teils der indianischen Urbevölkerung endeten. Die Siedlerrepublik seit 1776 dezimierte die Gesamtzahl der „Native Americans“ dramatisch auf 237.000 Indianer im Jahr 1900.
Kein Wunder, dass bis heute bei so manchen Europäern und weißen US-Amerikanern ein schlechtes Gewissen und Schuldgefühle blieben. Ob Karl May in seiner „Winnetou“-Buchreihe oder Kevin Costner in seinem Blockbuster „Der mit dem Wolf tanzt“: Sie alle träumten von Völkerverständigung, Versöhnung, Wiedergutmachung und Frieden zwischen „Weißen“ und „Rothäuten“.
Und nun kommt „HORIZON: An American Saga“ von und mit Kevin Costner in die Kinos. Das Projekt ist Costners Herzensprojekt und entsprechend viel Haltung, Botschaft, Erzählkunst, Passion und Talent kann man in diesem Film auch erfahren und erleben.
Zwar floppte der erste Teil der Saga in den USA, aber das ist bestimmt kein Grund, diese bildgewaltige Seherfahrung nicht zu machen. Nur weil ein Film kein Kinokassen-Schlager ist, muss er noch lange nicht schlecht sein. Ich halte Kevin Costners Werk sogar für unbedingt sehenswert. Es ist nämlich ein Lehrstück zu den Schattenseiten der Westerschließung der USA und zu den Anlässen, Motiven und Absichten hinter den kriegerischen Auseinandersetzungen. Man lernt die Beweggründe und Ansprüche der indigene Bevölkerungsgruppen, die sich selbst als "American Indians“ bezeichnen, ebenso kennen, wie die der Siedler und Kolonialisten und des Militärs. Ja, der Kinobesucher erfährt sogar die schreckliche Eskalation von Streitigkeiten durch die Existenz von Handfeuerwaffen.
Der Mythos des robusten, christlichen und daher gerechten Pioniers, der sich und sein Land gegen die Bedrohung durch die wilde Natur und die aggressiven Indianer verteidigen muss, wird in diesem Film ebenso demontiert wie das Bild des Friedenspfeife rauchenden und mit Pfeil und Bogen nur Tiere jagenden Indianers. Kevin Kostner zeigt Schuld, Sühne, fehlendes Einfühlungsvermögen und die Brutalität des Kampfes um die Nahrungs- und Lebensgrundlagen aus der Perspektive aller Beteiligten ohne sich auf eine Seite zu schlagen.
Der Storyteller stellt sich übrigens auch nicht in den Mittelpunkt: Kevin Costner betritt in der Rolle des Hayes Ellison erst 1 Stunde nach Beginn des Films die Bühne.
Kritiker, die den Film von Anfang an pauschal wegen seiner Länge und seines Konzepts als Mehrteiler verrissen haben, waren wohl bereits im ersten, 3 Stunden dauernden Teil intellektuell überfordert. Denn der Film springt zwischen vier zentralen Handlungssträngen hin und her, was die ganze Aufmerksamkeit des Zuschauers bis zum Schluss fordert und das Ganze sehr kurzweilig erscheinen lässt.
Visual Storytelling As It‘s Best!
P.S.
Zum Schmunzeln bringt einen Abbey Lee als Marigold und richtig sympathisch ist Sam Worthington in der Rolle des Trent Gephart.