Es bleibt nach wie vor ein riesiges Ereignis, wenn Christopher Nolan einen neuen Film veröffentlicht. Der Brite, welcher für Meisterwerke wie "The Dark Knight", "Inception" oder "Interstellar" verantwortlich ist, liefert mit "Oppenheimer" seinen inzwischen zwölften Langfilm ab. Im Vorfeld kann man schon festhalten, dass Nolan im Grunde kaum von seinem bisherigen Handwerk abweicht und Personen, die bisher nichts mit dem Filmemacher anfangen konnten, werden es wohl auch mit diesem nicht. Zeitgleich kann man schon festhalten, dass dieses wohl Nolans unangenehmster Film ist, der sich stark an seine historische Vorlage hält und stellenweise sogar schwer auszuhalten ist.
Kurz zur Handlung: Der zweite Weltkrieg hält die Welt in Atem. Während die Nazis an einer Bombe basteln, mit der sie die Welt unterjochen rekrutieren die USA renommierte Wissenschaftler, die ebenfalls an einer Bombe arbeiten sollen, die sie gegen die Nazis einsetzen wollen. So kommt Robert Oppenheimer ins Spiel, der die Leitung über das "Manhattan-Projekt" übernimmt und nun an der Entwicklung der Atombombe beteiligt ist.
Mit "Oppenheimer" liefert Nolan seinen längsten Film ab, mit 3 Stunden Laufzeit trägt das Werk ein stolzes Gewicht, welchem aber Nolans Lieblingsstilmittel, die Zeit, zu gute kommt. Obwohl wir es hier mit einem historischen Drama zutun haben, von dem der Filmemacher auch nicht abweicht, so verzichtet er aber auf eine chronologische Erzählung. Das wirkt zunächst überflüssig und zu Beginn auch verwirrend, zeigt sich aber später als gelungener Gniff. So bleibt nicht nur die Konzentration aufrecht, die man in den drei Stunden auch benötigt, sondern auch aus dramaturgischer Sicht macht es absolut Sinn, da sich so alles im Finale auf die Höhepunkte der Zeitebenen konzentriert und man auf diese Weise nochmal belohnt wird. Dabei vertauscht der Brite auch bewusst die üblichen Stilmittel und taucht die Gegenwart in Farbe, während die historischen Ereignisse, die nach der Zündung der Bombe spielen, in schwarz/weiß gehalten sind. Nolan beweist an dieser Stelle wieder, dass er auch durchaus fähig ist ein Biopic zu schaffen, ohne dabei auf seine eigene Handschrift zu verzichten.
Erneut Teil dieser Handschrift ist auch wieder Hoyte van Hoytema, der seit "Interstellar" für die Kameraarbeit verantwortlich ist. Die Bilder sind absolut atemberaubend. Von den kleinen Kammern eines Hinterzimmers, über die Wüstenlandstriche bis hin zu den grandiosen schwarz/weiß Aufnahmen in Washington. Hoytema liefert erneut großartige Arbeit ab und dürfte sich zumindest über eine Nominierung für den Oscar freuen. Nachdem Hans Zimmer für "DUNE" nicht für Nolans "TENET" zur Verfügung stand, rekrutieren der Brite den Schweden Ludwig Göransson. Dieser zeichent sich auch in diesem Film für den Score verantwortlich und liefert ebenfalls wieder auf ganzer Ebene ab. An Stellen fühlt man sich zwar an Zimmer erinnert, dennoch ist Göranssons Stil, den er mit "TENET" oder ",The Mandalorian" geprägt hat, hier wieder unverkennbar. Der Schnitt ist ebenfalls sehr rasant und schnell, besonders zu Beginn, was eine gewisse Dynamik verschafft, aber nicht zwingend nötig gewesen wäre. Hier findet sich eine kleine Schwäche, die sich schon in "TENET" fand. In manchen Gesprächen wird schlicht immer nur auf die Person geschossen, die gerade spricht, anstatt die Reaktion des Gegenüber einzufangen. Ansonsten hat Nolan wieder fast vollständig auf Effekte verzichtet und hat so gut wie alles auch tatsächlich gedreht. Handwerklich würde ich den Film als absolutes Meisterwerk betiteln und dieses kann ich auch aufs Drehbuch übertragen.
Nolan verstrickt sich nicht in seiner langen Erzählung und verliert in seinen Zeitebenen nie den Überblick. Den Aspekt der Spannung habe ich so schon thematisiert, aber auch die Dialoge selbst finde ich sehr stimmig und gut geschrieben. So sind gerade die Höhepunkt des Filmes auch extrem spannend gestaltet. Gerade der Test der Atombombe ist ein stilles Highlight. Dabei spürte ich aber auch eine nie dagewesene unangenehme Stimmung in einem Nolan Film, da der Aufbau dieser Szene so niederschmetternd ist, insbesondere im Hinblick auf den Verlauf der Geschichte und wie real eben genau diese Gefahr auch in der aktuellen Lage, rund um den Konflikt in der Ukraine wieder ist und dort seinen Ursprung nahm. Nolan inszeniert aber genau diese Szene leise, still und langsam. Wodurch sich durch den großen Knall eben alles entfaltet.
Darstellerisch sticht Dieser Film wiedereinmal heraus. Nolan hat hier den Wes Andersen gemacht und hat alles versammelt mit Rang und Namen und sie teilweise in sehr kleine Rollen gesteckt. Nach den "Batman"-Filmen, "Inception" und "Dunkirk" übernimmt nun aber erstmals Cillian Murphy eine Hauptrolle in einem Nolan Film. Er zeigt sich als perfekter Cast für Oppenheimer und spielt die Rolle sympathisch, zurückhaltend, schüchtern, zielstrebig aber auch zerrissen und überheblich. Er bringt die ganze Facette des Charakters auf die Leinwand und kann auch seine Zweifel, gerade in der zweiten Hälfte perfekt verkörpern. Hier dürfte es endlich mal eine lang verdiente Auszeichnung geben. Emily Blunts Rolle als seine Frau, ist überschaubar, aber sie spielt ebenfalls großartig. Sie liefert die ganze Bandbreite an Emotionen ab und hat gerade gegen Ende eine unglaublich starke Szene, in welcher sie den gesamten Raum einnimmt. Auch wenn Frauen in diesem Film kaum vorkommen, so kann ich der Kritik an Nolan hier nur widersprechen. Blunts Rolle ist eben doch das Sinnbild einer starken Frau in den 30-50er Jahren. Ebenfalls großartig Aufspielen darf endlich mal wieder Robert Downey Jr. Der Ironman-Darsteller gibt eine wahnsinnig gute Performance und ist herausragend als Oppenheimers Kontrahent. Dabei liefert er in jeder Szene eine seltene Bandbreite an Emotionen an. Ebenfalls stark bleibt Matt Damon, der als General immer wieder auf dem Grad der Sympathie und Antipathie jongliert. Etwas kurz kommt Florence Pugh, die als Oppenheimers alte Liebe zwar wieder stark spielt, aber schlicht doch sehr wenig im Film vorkommt. Auch ansonsten ist der Film mit Josh Hartnett, Dane DeHaan, David Dastmalchian, Jason Clarke, Kennath Branagh, Alden Ehrenreich, Benny Safdie, Gary Oldman, Rami Malek, Casey Affleck oder Matthew Modine hervorragend besetzt.
Kurz: "Oppenheimer" ist für mich das nächste Nolan-Meisterwerk. Trotz der gewohnten Handschrift, sticht der Film doch aus seiner Filmografie heraus und liefert ein paar unangenehme Höhepunkte, die einem den Magen umdrehen. Ein starkes Drehbuch, perfektes Handwerk und eine ganze Reihe von erstklassigen Darstellern vervollständigen dieses Meisterwerk und setzen die Perfekte Vita des Briten fort.