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    Hit The Road
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    FILMGENUSS
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    3,5
    Veröffentlicht am 9. September 2023
    EIN GRENZFALL FÜR DIE FAMILIE

    Zwei Jahre hat es gebraucht, um diesen Film in die Kinos zu bringen. Vor rund zwei Jahren lief Hit the Road im Festivalprogramm der Viennale ’21 – was letztlich den Ausschlag gibt für eine derartige Verspätung, darüber kann man spekulieren. Gut ist, dass Panah Panahis Roadmovie es geschafft hat, ans Ziel zu kommen. Nämlich dorthin, wo er hingehört – auf die Leinwand. Für knappe 90 Minuten nimmt uns der Iraner mit auf eine höchstpersönliche Autofahrt quer durchs Land, vorbei an atemberaubenden Felsformationen, durch fruchtbares Land und über grüne Hügel. Es ist ein Weg des Abschieds, doch wer hier wen verlässt oder ob alle gehen, kristallisiert sich erst viel später heraus. Klar ist, dass Mutter, Vater und die beiden Söhne, zwischen denen ein enormer Altersunterschied liegt, nicht per Gaudi einen Ausflug unternehmen, obwohl man beim jüngsten Spross Rahma, der für sich allein die Party seines Lebens schmeißt und vor lauter Liebe zur Welt stets den Boden küsst, auf dem er wandelt, durchaus die Meinung vertreten kann, dass alles nur existiert, um Spaß zu haben und Scherze zu treiben. Rahma (eine Wucht: Rayan Sarlak) ist das quirlige Zentrum dieser kleinen Gemeinschaft, die ewige Sonne, um ihn herum schwerfällige und leichtere Trabanten. Papa trägt einen Gips, die Mutter weiß nie, ob sie lachen oder weinen soll, der ältere Sohn gibt sich wortkarg, denkt nach, ist so angespannt, als würde er in den Krieg ziehen oder verfolgt werden. Und der Hund? Der liegt im Sterben.

    Verfolgt zu werden wäre in Anbetracht der Tatsache, dass alle fünf unterwegs sind zur türkischen Grenze, gar nicht mal so abwegig. Im Iran herrschen andere Regeln, was die Ausreise betrifft. Da muss man schon wissen wie, um ein besseres Leben anderswo zu ergattern. Alles scheint organisiert, unter Dach und Fach. Die Fahrt ist lang, zu erzählen gäbe es viel, doch kaum jemand findet den Zugang durch all den Smalltalk hindurch genau dorthin, wo Angst, Kummer und Vertrauen liegen. Immer wieder hält das Auto an, immer wieder finden sich Momente der Klarheit und der Mut, das unmittelbar Bevorstehende anzusprechen.

    Für dieses waschechte Roadmovie, das durch den Nordwesten Irans führt, braucht es weder eine twistreiche Story noch einen komplexen Plot, sondern lediglich Raum und Zeit für Konfrontationen. Jafar Panahis (u. a. No Bears) Bruder Panah nutzt diese cineastische Mitfahrgelegenheit, um vor allem auch mit musikalischer Färbung die Emotionen hin und herfluten zu lassen, wie schwappendes Wasser in einer Wanne. Oft blickt der Vater gedankenverloren und verbittert ins Narrenkästchen, nachdem er für Rahma den kauzigen Brummbären gegeben hat. Dann setzt die Klassik ein, Tastenmusik in Moll. Für die Mutter gibt’s persische Schlager mit schmachtend- kitschigen Texten, zu denen sie gar mitsingt. Worte, die etwas bedeuten, sind ein schwer zu ergatterndes Gut – ist der Moment gerade günstig, lässt Parhani das Gespräch laufen, minutenlang, ohne Druck, ganz entspannt, irgendwo am Fluss, während dahinter das Wasser rauscht. Parhani spielt auch mit erzählerischen Ebenen, lässt essenzielles im Hintergrund und anderes, wichtigeres, nach vorne treten, obwohl dieses Wichtige nicht mehr preisgibt als den Blick. Der Moment der Wahrheit bleibt auf Distanz, ganz weit weg stehen wir und beobachten das Drama eines Neuanfangs. Über allem das quirlige Gekreische Rahmas.

    Persisches Kino ist seit jeher bereichernd – und auch Hit the Road bringt einiges an neuen Sichtweisen und veränderten Prioritäten mit. Die Art, wie Parhani den Alltag des Reisens einfängt und klarstellt, dass niemand jemals auf einen Abschied wie diesen vorbereitet sein kann, trägt eine gewisse Bescheidenheit in sich und eine Akzeptanz den Dingen gegenüber, die zu tun sind. Der kleine, hyperaktive Rahma aber wird, obwohl er nichts aktiv dazu beiträgt, die Inkarnation einer hoffnungsvollen Zukunft. Er ist die Stütze, die die Familie nicht zerbrechen lässt.
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