VON WEGEN STILLES ÖRTCHEN
von Michael Grünwald / filmgenuss.com
So, jetzt mal ganz im Ernst: Widmen wir uns den wichtigen Dingen des Lebens. Den wirklich wirklich wichtigen. Denn alles im Leben steht und fällt mit einer gesunden Verdauung. Der Knüppel zwischen den Beinen auf dem Weg dorthin könnte unter Umständen eine besetzte Toilette sein. Nicht auszudenken, wenn die Natur ihr Recht einfordert, und man nirgendwo hinkann. Was aber, wenn die Natur gerade mal gar nichts zu sagen hat, der Kaiser längst zu Fuß dorthin gegangen ist und dieser von dort nicht mehr wegkommt? Das ist dem einen oder anderen vielleicht schon mal als Kind passiert. Da schließt man sich am Klo ein, bekommt die Tür aber nicht mehr auf. Ein Albtraum. Ungefähr so ergeht es einem Architekten namens Frank, der inmitten eines umgekippten blauen Dixie (oder Toi Toi)-Klos erwacht, gar nicht weiß, wie er hierhergekommen und zu allem Übel auch noch in einer Baugrube gelandet ist, aus welcher geriffelte Stahldrähte gen Himmel ragen und eine davor direkt durch Franks linken Unterarm geht. So ein Anblick fördert dann doch einen panischen Urschrei zutage, wie in Thomas Niehaus tätigt. Nur: Am Lokus hört dich niemand schreien. Zumindest nicht auf diesem.
Aber gut. Diese ganze verzwickte Situation würde sich irgendwann (und hoffentlich noch, bevor Frank verblutet) in Wohlgefallen auflösen, wäre da nicht eine ins „Häusl“ stehende geplante Sprengung, die in Kürze das ganze Areal einmal umkrempeln würde. Und zwar einschließlich unseres Alltagshelden, der jetzt schon nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, und es ist ja am Ende des Tages nicht so, als hätte Frank im Laufe des Films nicht alles versucht. Regisseur und Drehbuchautor Lukas Rinker schenkt ihm dafür satte 91 Minuten Laufzeit, was man von einem Film, der nur auf maximal zwei Quadratmetern spielt, vielleicht als allzu großzügig ansehen kann oder eben auch nicht, denn es gibt im Laufe der Filmgeschichte so einige Werke, die ihre Spannung trotz der eingeschränkten Parameter mühelos halten konnten. Buried– Lebendig begraben mit Ryan Reynolds zum Beispiel. Dann gibt es Joel Schumachers Telefonzellenpartie Nicht Auflegen! (heutzutage nicht mehr möglich, da sowieso jeder ein Handy hat – auch Frank) oder den Science-Fiction-Film Oxygen mit Mélanie Laurent. Alle diese Arbeiten funktionieren auf ihre Weise. Und tatsächlich schafft es Ach du Scheiße! ebenfalls, seinen Plot niemals nur aufs notdurftbedingte Zeitunglesen zu beschränken, sondern gefühlt alles in diesem versifften Plastiksarg zur Befreiung einzusetzen.
Dazu gehört auch das lautstarke Organ von Thomas Niehaus. Dieser Mann greift für sein Leben tief ins Klo, brüllt und schreit sich die Seele aus dem Leib. Spuckt, flucht, schwitzt und besudelt sich mit Blut. Der Stress steht ihm ins Gesicht geschrieben, Visionen von sprechenden Klobrillen dienen dazu, nicht oder doch komplett den Verstand zu verlieren. Wer als Hygieneverfechter stets sein Fläschchen Hochprozentigen für die Hände mithat und niemals auch nur in den Dunstkreis einer öffentlichen Toilette tritt, wird Ach du Scheiße! nur schwer aushalten können. Durch den Supergau aus Fäkalien, Handseife und übertrieben viel Blut muss man sich als Zuseher erstmal durcharbeiten wollen, um dann dazwischen auch sowas wie eine kleine, feine Romanze zu entdecken und die in groben Zügen verfasste Tragödie eines Verrats, ausgeübt von Gedeon Burkhard in seiner wohl schludrigsten Performance, die gegen die Qualität von Thomas Niehaus‘ expressivem Spiel erbarmungslos abstinkt. Durch Burkhardt, der ja sogar schon mal für Tarantino vor der Kamera stand, hievt sich Ach du Scheiße! gegen Ende auf die Bauernbühne, mit Unterstützung zweier Dorfgendarmen, entliehen aus irgendeinem der Eberhofer-Krimis.
Natürlich ist Ach du Scheiße! eine wilde Mischung aus Trash und Splatter, welche sich in den starken Momenten mit voller Konzentration auf Thomas Niehaus zu einem kuriosen Survival-Thriller auswächst, dem Ekel einfach fremd sein muss und der sich mit dem Siff verbrüdert, um seinen Protagonisten halbwegs heil aus der Scheiße zu ziehen. Da fallen die klamaukigen Elemente rund ums Klo vom Herzstück des Films ziemlich ab und wirken in ihrer Beliebigkeit wie hingeworfen. Wer da den Schließmuskel noch zudrücken kann, hat aber mit Sicherheit reuelosen Spaß dabei und es lohnt sich, diesem irrwitzigen Escape-Toilet-Reißer durch den Abfluss zu folgen.
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