Was für eine Enttäuschung!
Okay, es ist inzwischen zur Unsitte geworden, aber auch jede Geschichte alle paar Jahre wieder genau in die Heute-Zeit beamen zu müssen, egal, wie unlogisch sie dadurch wird - da es Kindern ja nicht zuzumuten oder gar zuzutrauen ist, historische Stoffe auch im historischen Gewande zu kapieren! - Aber was solls, manchmal entstehen dennoch Filme, die einen gewissen Charme haben.
Das ist hier leider komplett mißglückt. Es beginnt damit, dass nahezu alle Erwachsenen rundum fehlbesetzt sind: Tom Schilling, unser aller Smart-Lieblings-Yuppie als Dr. Justus Bökh?! Der für Kinder als Internatsleiter so ein Fels in der Brandung ist, dass die Drohung, ihn zwei Wochen lang nicht grüßen zu dürfen, tatsächlich wie schwer auszuhaltener Liebesentzug und heftige Strafe wirkt? - Schilling kommt daher wie ein etwas zu alt besetzter schöner Theodor, etwas unbeholfen und deplaciert. Eine Schülerin charakterisiert ihn allen Ernstes als "traurigen Spießer" - genau das, was Kästner nun wirklich nicht für seinen Justus, den Gerechten, im Sinne hatte!
Auch der Nichtraucher (Trystan Pütter) enttäuscht auf ganzer Linie - und das liegt nicht am Schauspieler, sondern an dem schlechtgelaunten Unfug, den er zu spielen hat. In nicht einem Moment ist er den Kindern der verstehende Freund und Ratgeber, der in selbstgewählter (tragischer) Aussteigerromantik in einem Eisenbahnwaggon wohnt und still-amüsiert und voller Sympathie die Querelen der Freunde beobachtet und auch schützend bewacht. Nein - selbstmitleidig greint er sich durch den Film, pampt die Kinder fast nur an und zickt beleidigt rum, als er Bökh unerwartet wiedertrifft: Im Buch eine zutiefst berührende Szene - hier ein Kübel Eiswasser und frustrierende Ernüchterung,
Hanna Herzsprung musste aus ihrer literarischen Vorlage, dem schrulligen Professor Kreuzkamm, eine altjüngferlich-albern-zickige Karrikatur von Schuldirektorin schustern, die statt des Sohnes Rudi eine Tochter namens Ruda alleinerzieht. Ruda ist die stets gemein guckende Anführerin der "Externen", die statt der kästnerschen Realschüler den Internen (im Internat lebenden Gymnasiasten) das Leben schwer machen. Frau Kreuzkamm ist aus nur ihr ersichtlichen Gründen erklärte Feindin der Internats-"Insassen", obwohl sie doch vermutlich freiwillig einer Schule vorsteht, die zu einem großen Teil von Kindern aus dem gesamten deutschsprachigen Raum besucht wird und die deshalb nun mal im Internat leben.
Aber dies ist nur eine von vielen, vielen Logik-Lücken dieser Verfilmung. - Jo, eine weibliche Johnny Trotz mit brasilianischen Wurzeln, wird permanent als "cool" dargestellt. Was genau ist an ihr eigentlich cool? Sie ist unzuverlässig, beschmiert (nein, das war kein Graffito!) neue Flächen mit "F*ck"-Schriftzügen, wirft dann den Koffer einer neuen Mitschülerin bei der Flucht vor den "Externen" über eine Brücke, verursacht damit einen Autoschaden und kriegt hernach vor dem Direx die Zähne nicht auseinander. Nimmt es, ohne mit der Wimper zu zucken, in Kauf, dass ihre drei Mitschüler nun pro Nase 250€ zahlen sollen. Das tut besonders der Neuen, Martina, weh, die auf ein Stipendium hofft - aber da sie erzählt, ihr Mutter arbeite im Krankenhaus, ist es der coolen Jo sofort klar, dass sie eine hochverdienende Ärztin sein müsse. Arbeiten ja nur Ärzte in Krankenhäusern...
Dafür wird in dieser Fassung Jo von den "Externen" entführt und gefesselt, und als Lösegeld wird "der Waggon" gefordert. Das kapiert zwar keiner, weil der Waggon den "Internen" gar nicht zur Verfügung steht, aber das ist den Filmemachern egal. Wird auch nicht weiter hinterfragt, genauso, wie die 250€ Strafe kein Thema mehr sind. Nur zum Schluß wird dies in einem Halbsatz nochmal erwähnt - und Bökh zeigt hier seine Menschenfreundlichkeit, indem er komplett realitätsfern agiert: Er erklärt das Geld für obsolet und bietet das Vorziehen eines Eignungstests an, der bislang nur mit harter Arbeit in der Ferienzeit als bestehbar behauptet wurde.
Inzwischen lernt Jo innerhalb einer einzigen Klavierstunde das Instrument so perfekt beim Nichtraucher, dass sie bei der Theateraufführung bereits begleiten kann.
Die Theateraufführung: Frau Kreuzkamm führt Regie, indem sie die verfeindeten Schüler in einer ersten Verständigungsprobe zu einem Team erklärt, es dabei nicht bemerkt, wie sehr der kleine Uli von Simmern gedemütigt wird und dann sinngemäß mit dem Satz: "Ich bin sehr für Eigenverantwortung, ihr macht das schon - wir sehen uns bei der Vorstellung!" aus der Aula hüpft.
Und siehe da - ohne Proben und ernsthafter Vorbereitung wird die Schule tatsächlich beim Abschlußfest mit einer professionellen Inszenierung...
Ich muss aufhören. Ich kann nicht mehr. Wirklich nicht.