IM BETT MIT DEM KÖNIG
Nie wieder wolle sie mit diesem Star zusammenarbeiten, hat Maïwenn Le Besco rückblickend gemeint. Er habe sich laut eines Berichts von Stefan Geisler auf filmstarts.de kaum für seine Rolle, geschweige denn für seinen Film interessiert, er habe sich diesen nicht mal angesehen – obwohl Johnny Depp das meistens nicht tut – eben sich selbst zu sehen. Er ist da sicher nicht der Einzige, der nicht wirklich darauf steht, sich selbst zu betrachten. Nicht nur Eitelkeit und Ego spielen da eine Rolle, ich kann das sogar ein bisschen nachvollziehen.
Will man aber einem Interview von Scott Orlin aus dem cinema-Magazin Glauben schenken, so dürfte der ins Rampenlicht der Schmierblätter gelangte Ex-Jack Sparrow der ideale Gesprächspartner gewesen sein, in den sich Maïwenn mit eigenen Worten richtig verliebt habe. Wie denn jetzt? Ein desinteressierter Launebär ohne Charme oder doch der Vertraute am Set mit der richtigen Chemie? Das wird man wohl nie wissen, denn die eine Erzählung ist wohl der Werbung des Films Jeanne du Barry geschuldet, und die andere ein gewisses, der Erschöpfung nach der Arbeit unterworfenes Resümee. Wie auch immer: eines ist gewiss. Johnny Depp ist ein Profi, und schauspielern, das kann er. Der mittlerweile 60 Jahre alte Promi, der sich zumindest bei den Prozessmitschnitten rund um den Amber Heard-Skandal der Physiognomie eines alternden Steven Seagal annähert, gibt den vorletzten Franzosenkönig als leicht aufgeschwemmten wie verschlossenen, dem Hofzeremoniell längst müde gewordenen Monarchen, der Abwechslung und Nonkonformismus dringend nötig hat und die Erschöpfung eines stagnierenden, bis zur Unfähigkeit dekadent gewordenen Absolutismus mit sich trägt wie eine tonnenschwere Perücke, unter der so manche Laus die bald schon eintretende fröhliche Endzeit feiert. Vor allem die Schlüsselszene im Halbdunkel seiner Gemächer, wenn Maïwenn als titelgebende Mätresse dem König ihre Aufwartung macht, trägt Johnny Depp eine ganze Epoche der Machtwillkür im Gesicht – ungeschminkt, Wein trinkend, mit wenigen Worten und abschätzendem Gelächter das Hofzeremoniell nur noch duldend, nicht vertretend. So hat man den Schauspieler noch nie gesehen. Und Maïwenn, die wusste, was sie tat, als sie sich für ihn entschieden hatte, um dann den Star eigentlich ganz unbewusst als mondänes Aushängeschild eines einstmals kreativen Hollywoods in Szene zu setzen, den momentanen Paradigmenwechsel in der Filmwelt reflektierend.
Die Biografie von Jeanne du Barry selbst ist ebenfalls so wenig ein Geheimnis mehr wie die Regentschaft des Königs. Bereits 1919 durfte die unorthodoxe Bettgespielin unter der Regie von Emil Jannings das Licht der Leinwand erblicken, dargestellt von Pola Negri. Weitere Auftritte sollen folgen, doch Maïwenn hat das Schicksal des von der Französischen Revolution ebenfalls nicht verschont gebliebenen höfischen Störfaktors ihr selbst auf den Leib geschneidert. Die Filmemacherin (u. a. Mein ein, mein alles – nominiert für die goldene Palme) interpretiert die Favoritin von Ludwig XV. als aus der Reihe der Entourage tanzende und schillernde Traumfigur, unwiderstehlich lächelnd und leidenschaftlich. Ernst Marischka, Macher der Sissi-Filme, wäre hin und weg von so viel Charisma, das einen Kostümfilm wie diesen zu einem Sittenbild in einer Zeitkapsel formt, in welchem ich, einmal nur hineingeblickt, dank der höfischen Entrücktheit das Drumherum der Gegenwart für einige Etappen so richtig außen vor lassen konnte.
Mit sicherer Hand und einem Gespür für Stimmungen wird Jeanne du Barry zu einem chronologischen Kostümreigen mit ganz viel bizarrem Hofzeremoniell, das naturgemäß unfreiwillig komisch wirkt, fast schon wie Realsatire, wenn nicht alles so wahr gewesen wäre. Das Rückwärtstänzeln vor dem König, das allmorgendliche Aufgebot im Schlafgemach des Regenten. Hachgott, wie eignet sich das nicht für eine Sensationsshow wie diese: für einen Blick zurück auf günstige und weniger günstige Umstände, die den Absolutismus als das darstellen, was er war. Darin wie ein Fisch, der ab und an gegen den Strom schwimmt, eine prächtige Verbündete – eine Modererscheinung in einem aus der Mode gekommenen Mikrokosmos der Eitelkeiten. Fashion Weeks in Versailles, die den müden König, sparsam mit Worten, in eine Götterdämmerung geleiten. Viel weniger zuckersüß als bei Sophia Coppola, dafür akkurater und um Maïwenn herum unverfälscht, geschmeidig arrangiert und konzentriert gespielt. Sie selbst allerdings bleibt eine sehnsüchtige Idealvorstellung, ein zeitgeistiger Popstar wie Romy Schneiders ewige Kaiserin.
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