THE QUEEN IS NOT AMUSED
von Michael Grünwald / filmgenuss.com
Wenn man in den USA Überland unterwegs ist und dabei in einem Motel übernachten muss, gilt als erste Regel: Mische dich niemals – ich wiederhole: niemals – in Angelegenheiten der Zimmernachbarn ein. Auch wenn sich diese lautstark zu irgendwelchen Handgemengen hinreissen lassen, die noch dazu das Ableben eines der Streitenden nach sich ziehen. Die zweite Regel besagt: Auch wenn es den Anschein hat, dass die Querelen nebenan nun vorbei sind und dort niemand mehr aufzufinden ist: Gehe niemals dort hinein und schnüffle am Tatort rum. Und die dritte Regel – obwohl man davon ausgehen sollte, dass niemand so bescheuert sein sollte, diese wirklich und wahrhaftig zu brechen: Nimm, nachdem du Regel zwei schon gebrochen hast und sowieso alles egal ist, zumindest nichts mit, was nicht dir gehört. Auch – oder gerade, wenn es Millionen an Dollars sind, die in einer Tasche unterm Waschbecken ihrer Abholung harren. Diese Millionen lässt niemand so einfach stehen. Schon gar nicht jemand, der den Vorbesitzer dieses Trageutensils in die ewigen Jagdgründe geschickt hat.
Nun, so viel bei Verstand sollte zumindest jeder sein, der bis zehn zählen kann. Ist er aber nicht. Da gibt es den naiven Reggie (Rapper Chris „Ludacris“ Bridges), ein Ex-Knastbruder, der gemeinsam mit seiner älteren Schwester Brenda (Queen Latifah), seiner Nichte und seinem Neffen unterwegs ist zu deren Mutter, um neu anzufangen. Die Fahrt ist lang, und ohne Sleepover wird’s nicht gehen. Und siehe da: Die Nacht bringt eingangs erwähnte Unruhen mit sich. Und siehe da: der naive Reggie bricht Regel Nummer drei und schnappt sich, ohne dass die anderen es wissen, die Tasche voller Geld. Was folgt, sind Komplikationen, die entstehen, wenn man sich unter den Nagel reisst, was einem nicht gehört. Bares in Taschen ist meist unrechtmäßiges Eigentum von Verbrechern, die auch nicht zögern, Gewalt anzuwenden. In End of the Road kommt es, wie es kommen muss. Zum Glück aber haben sie einen kauzigen Sheriff in Gestalt von Beau Bridges an ihrer Seite, den genauso gut Clint Eastwood oder gar Liam Neeson hätten spielen können. Behäbig, jovial, und im Bilde, wenn es um gesetzliche Schieflagen geht.
Um diese flüchtenden und jagenden Figuren weht der Staub eines unerbittlichen New Mexiko. Die Einschicht und Isolation dieses Landstriches, der Hang zur Anarchie, die Gesetzlosigkeit, wie sie schon Steven Spielberg in seinem Duell bestens beschrieb, und die schon der Roadmovie-Thriller Joyride knackig formuliert hat, trägt auch in End of the Road von Millicent Shelton dazu bei, die Anzahl an Möglichkeiten, um aus dieser Sache schadlos herauszukommen, drastisch zu reduzieren. Wäre Queen Latifah nicht, die als Big Mama ordentlich auf den Putz haut und auch gleich einem ganzen Dutzend stiernackiger Nazis zeigt, wo die mütterlichen Instinkte herkommen, wäre der auf Netflix erschienene Durchreise-Thriller ein dramaturgischer Kolbenreiber mitten auf dem Highway.
Doch es kommt kein Hitcher, es kommt kein Truck, es kommt, wie man befürchtet hat, dass es nicht kommen soll. End of the Road bedient sich stereotypischen Story-Twists, die so abgenützt sind, dass sie jeglichen Suspense vermissen lassen. Die so konstruiert sind, dass sich selbst Millicent Shelton (die leider nicht das Script selbst schrieb) am Ende gar nicht mehr bemüht, ihren Film sorgfältig auszuerzählen. Und Queen Latifah? Nun, sie tut, was eine verzweifelte Mutter eben tut, um es allen recht zu machen. Selbst ihrem trotteligen jüngeren Bruder, den man eigentlich durch Sonne und Mond schießen sollte.
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