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    Emancipation
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    3,5
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    Der Siegemund
    Der Siegemund

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    4,5
    Veröffentlicht am 15. Dezember 2022
    Der Film EMANZIPATION, der auf dem historischen Foto des "whipped Gordon" gründet - ein Foto, das um die ganze Welt ging und erstmals die Schandtaten der Sklavenherren vor Augen führte - erzählt die Geschichte des Sklaven Peter, der von seiner Familie getrennt wird, um beim Bau einer Eisenbahnstrecke eingesetzt zu werden. Die abenteuerliche Erzählung enthält eine ausgedehnten Anteil über die Flucht von 4 Sklaven, darunter Peter, in der Art eines Survival-Thrillers, während man im letzten Drittel Zeuge von der Beteiligung der befreiten Sklaven am Sezessionskrieg wird, so dass man für dieses Jahr erneut mit dem Wahnsinn des Tötens auf den Schlachtfeldern zwecks Befreiungskampf konfrontiert wird.

    Die Behandlung der Sklaven, ihr familiäres Leben und die Sklavenarbeit wurden schon oft thematisiert. Der einführende Erzählstrang biete die biographische Grundlage für den Protagonisten, nach seiner angestrebten Befreiung, auch seine Familie befreien zu wollen. Ungewöhnlich neu ist der antithetische Aspekt der Rolle der christlichen Sklavenhalter und die Nicht-Verurteilung von Sklaverei durch die Bibel, welche hier mittels Zitaten in die Köpfe der Zuschauer einmassiert wird. Für die schwarzen Sklaven war das Christentum der einzige Hoffnungsanker, sich vom Joch der Sklaverei zu trösten und Kraft zu schöpfen sich zu befreien. Das wird hier exzessiv in Bild und Sprache dargestellt, doch es wird auch in Form der Antithese der Wortlaut des Neuen Testaments wiedergegeben, wo es deutlich heißt, dass der Sklave seinen Herren zu gehorchen habe, gleich auf welche Weise dieser ungerecht sei.

    "Ihr Sklaven, ordnet euch in aller Ehrfurcht euren Herren unter, nicht nur den guten und freundlichen, sondern auch den launenhaften! " - 1 Petrus 2,18

    Die Bibel rät außerdem dazu Sklaven Religionsfreiheit zu gewähren, sie gut zu behandeln, soweit es dem Herren möglich ist, doch sie verurteilt Sklaverei nicht als Sünde. Den Sklaven wird aufgetragen, ohne nachzudenken, alles zu tun, was der Herr sagt, selbst wenn es eine Sünde ist. Das wird in der ganzen Bibel auch nirgendwo abgemildert oder aufgehoben, es ist die bittere Wahrheit. Das ist schon allein der Grund, warum die Bibel nicht von Gott geschrieben sein kann, es sei denn man glaubt wirklich, dass Sklaverei moralisch von Gott gesegnet ist. Das liegt wohl daran, dass die Sklaverei in der Frühgeschichte der Menschheit als göttliches Schicksal angesehen wurde, in welches man hineingeboren worden ist. Das ist ähnlich wie beim indischen Kastensystem, das es in ähnlicher Weise in vielen Kulturen der Welt gab. Die einen wurden als Herrscher geboren, die anderen als Sklaven. Und wurde man nicht per Geburt Sklave sondern erst später, dann war das Vorsehung bzw. Karma.

    "Wenn du als Sklave berufen wurdest, soll dich das nicht bedrücken; auch wenn du frei werden kannst, lebe lieber als Sklave weiter." - 1 Korinther 7,20-21

    Ein Religionskritik wird hier deutlich akzentuiert, mit Sicherheit stark auf das Christentum bezogen, egal ob protestantisch oder katholisch, denn ist es eben eine Bibelkritik, vor der keine christliche Konfession frei ist. Da hilft es auch nicht ins Feld zu führen, dass in der Bibel Sklavenhaltern auch Ratschläge erteilt werden, wie sie Sklaven gerechter behandeln können. Entschärft wird dies ebenfalls nicht dadurch, dass die Bibel Jesus einen Gottesknecht nennt, der das Leid der Menschheit trägt. Wer heute die Sklaverei oder Verknechtung noch als moralisch gerecht empfindet, der gehört zu einer obskuren Minderheit. Es gibt keine Bibelversion in der Sklaverei unmoralisch ist oder irgendwie in Frage gestellt wird. Dieser wichtige Umstand ist selbst den meisten Christen nicht so bekannt, lohnt die eingehende Reflexion über die als "Gottes Wort" bezeichnete Literatur auf jeden Fall, denn es stellt sich dadurch die Frage:

    Warum ist Sklaverei eigentlich keine Sünde?

    Ein zweiter wichtiger Aspekt, den die Erzählung näher bringt, ist die Frage, was Freiheit überhaupt ausmacht, denn als Peter befreit wurde, hat man seine Freiheit gleich wieder per staatlicher Gewalt einkassiert. Die Desillusionierung war ihm deutlich anzusehen, als er seine Vorgesetzen erst um Erlaubnis bitten muss sprechen zu dürfen. Er hat jetzt zwar die freie Wahl, aber nur zwischen Lohnsklaverei und Soldat der Befreiungsarmee der Yankees.

    Natürlich hatte er sowieso vor seine Familie zu befreien, aber als Soldat kann er nicht seine eigenen Wege gehen oder seine eigenen Ziele wählen, sondern er muss im Gleichschritt marschieren, zudem wird er auf dem Schlachtfeld dazu kommandiert in den Kugel- und Kanonenhagel zu rennen, statt selbst einen Weg zu wählen, der vielleicht für ihn weniger riskant und taktisch klüger wäre.

    So hat sich die Befreiung niemand vorgestellt, wie er sie sich vorher erträumt hatte.

    Pointiert wird diese Erkenntnis noch von der Reaktion der Sklavenarbeiter, bei ihrer Befreiung. Zunächst fragen sie sich, was das überhaupt bedeutet, befreit zu sein, dann freuen sie sich verhalten, aber niemand packt seine Sachen und haut ab. Was der Film hier nicht zeigt ist, dass viele Sklaven froh waren, wenn sie einen guten Herren hatten, denn so hatten sie ein sicheres Auskommen. Als Befreite sind sie plötzlich auf sich allein gestellt, haben aber nie Selbstverantwortung gelernt, geschweige denn das Rüstwerkzeug von Sprache und Bildung.

    Es ist wie der Sturz in ein endloses schwarzes Loch und so wählen sie die Abhängigkeit zu neuen Herren.

    An dieser Stelle wird einem eventuell klar, warum Sklaverei in der Menschheitsgeschichte solange funktionieren konnte, nämlich weil es genug Menschen unaufgeklärte und unmündige Menschen gab, die weder das System in Frage stellten, es nicht konnten, noch sich ein besseres System auszudenken in der Lage waren. So führt die Unmündigkeit vieler Menschen selbst Verantwortung zu übernehmen in die Abhängigkeit zu jenen, die bereit sind für viele Verantwortung zu übernehmen, nicht selten um Profite zu machen.

    Fazit:

    EMANCIPATION ist schon ein starkes Stück Filmwerk.

    Will Smith spielt stark, wir männlicher als früher, sie reif und nicht wie ein alter Junge. Sein Schauspiel ist außerordentlich, hat man ihn wohl selten so ernst und wütend gesehen. Eine Nominierung für einen Preis als Best Actor scheint führ ihn in greifbarer Nähe. Als unangenehm altbacken und melodramatisch empfinde ich persönlich allerdings den Score.

    Herausragend an EMANZIPATION sind nicht etwa die toll fotographierten Szenenbilder, sondern etwas gehaltvolleres, nämlich die zur Reflexion anleitenden moral-philosophischen und bibelkritischen Aspekte, die durch die offen vorgetragene moralische Bewertung der Sklaverei in der Bibel entstehen.

    Zum einem werden die Rollen von christlichen Herren und christlichen Sklaven hinterfragt, in dem sie einem quasi antithetisch durch die Mantra mäßige Rezitation von Versen aus dem Neuen Testament ins Ohr einmassiert werden. Damit ist die Frage verbunden, wie die Sklaven an den gleichen christlichen Gott glauben können, wie ihre Herren, in Anbetracht dessen, dass ihnen Gottes Wort in der Bibel dieses Joch auferlegt.

    Zum anderen wird durch das Schicksal der Befreiten eine Reflexion darüber angestoßen, was Freiheit überhaupt bedeutet und was die Motive sein können für die Freiheit zu kämpfen. Für den Protagonisten besteht der größte Teil seiner Freiheit darin eine Familie sein zu dürfen, weshalb er für die Freiheit kämpft. Aber bei seiner eigenen Befreiung bekommt er zu spüren, das die neue Freiheit einfach nur weniger Unfreiheit bedeutet. Auch muss hier noch mal die Reaktion der befreiten Sklaven der Plantage erwähnt werden, die gar nicht wussten, was sie nun mit ihrer Freiheit anfangen sollten.

    Dass ein Film über Sklaverei, der erschöpfend viele Survival-Elemente enthält, so viele tiefgehende moralische und religionskritische Fragen anstößt, das muss sich in der Wertung besonders niederschlagen.

    Ich vergebe das Prädikat "wertvoll".
    FILMGENUSS
    FILMGENUSS

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    3,5
    Veröffentlicht am 27. Februar 2023
    DER MEUTE EINS AUSGEWISCHT
    von Michael Grünwald / filmgenuss.com

    Nach dem Watschen-Eklat bei der letzten Oscar-Verleihung 2022 (ob er wohl heuer tatsächlich nicht eingeladen wird, trotz sichtbarer Reue?) präsentiert sich Will Smith erstmals wieder in einem Film aus dem Sortiment des Streamingdienstes AppleTV+ – weit, weit entfernt von seiner exaltierten Kunstfigur des Prinzen von Bel Air, dem Buddy aus Bad Boys oder dem Date Doctor, der Kevin James das richtige Werkzeug fürs Anbaggern in die Hände gelegt hat. Seit seinem Oscar-Triumph für King Richard – und auch schon längst davor – sieht der impulsive Charaktermime nur in wirklich ernsten, tieftragischen und verzweifelten Rollen die wahre und einzige Wiege guter Schauspielkunst. So wird auch das von Antoine Fuqua inszenierte Abenteuer- und Historienepos für Will Smith eine Rolle vorgesehen haben, die durch die Hölle gegangen sein muss und immer noch geht, die sich aber dadurch auszeichnet, dass sie wirklich allen Gräueln dieser Welt, allen Zumutungen und Entbehrungen letztlich widerstehen kann, einzig und allein durch den unerschütterlichen Glauben an einen gnadenvollen Gott der Christenheit.

    Das klingt pathetisch, das klingt nach Märtyrer zur Zeit der Christenverfolgung, und in gewisser Weise scheint Emancipation auch so ein Film zu sein, der für die historische Figur des Whipped Peter, der aufgrund einer 1863 entstandenen Fotografie seines von Peitschenhieben vernarbten Rückens zu weltweiter Bekanntheit gelangte, eine Art Seligsprechung auszurufen gedenkt. Ein Vorhaben, dem Will Smith, womöglich selbst strenggläubig, nur zu gerne zum Ziel verhelfen mochte. Diesem Peter also, welchem die Flucht aus dem Arbeitslager tatsächlich gelang, folgt Emancipation auf historisch akkurate Weise, ohne scheinbar viel zu verfälschen. Um die Schrecken der Sklaverei auch zu übermitteln, wie es seinerzeit schon Steve McQueen mit Twelve Years A Slave getan hat, legt Fuqua enorm viel Wert auf Opulenz und Ausstattung, gönnt seinem Publikum großzügige Panoramabilder und elegante Drohnenfahrten über den Sumpf. Alles in so stark entsättigten Bildern, dass die Frage aufkommt, warum nicht von vornherein in Schwarzweiß gedreht wurde, wenn schon das bisschen Farbe überhaupt keine Notwendigkeit mehr hat. Das Grün der Vegetation des Sumpfes oder die Gesichter des Sklaven im Schein der Lagerfeuer erscheinen dann doch wie handkoloriert – ein Effekt, den man selten sieht, der für die Wahl der Optik aber ein Grund sein kann. Durch das Weglassen der Farbe bekommt aber auch die dargestellte Gewalt der weißen Herren den Farbigen gegenüber eine andere Dimension. Es entsteht ein Eindruck, als wäre man nicht in den USA, sondern in einem Konzentrationslager der Nazis – Assoziationen mit Schindlers Liste drängen sich auf, und Co-Star Ben Foster, der als wortkarger und gefährlich ruhiger Chefaufseher die bösartige Selbstverständlichkeit eines Amon Göth widerspiegelt, der als Morgensport mit dem Gewehr auf Häftlinge zielt, pfeift seine Hunde zum Halali. Doch hier, in dieser Hölle auf Erden, ist ein Schindler leider fünf Tagesmärsche durch den Sumpf entfernt – nämlich dort, wo Lincoln seine Armeen hat: in Baton Rouge. Peter gelingt es zu fliehen, mit ihm ein paar andere. Ihnen nach: eine vierpfotige Meute, die mit erstaunlicher Genauigkeit die Positionen der Flüchtlinge erschnüffeln kann. Oben im Sattel: Ben Foster, ebenfalls hinterher. Alle treibt es durch die Wildnis, und so sehr sich Peter auch bemüht, seine Verfolger abzuhängen – immer wieder kreuzen sich deren Wege.

    Ja, Will Smith ächzt und stöhnt wie Leonardo DiCaprio in Iñárritus The Revenant. Seine Gesichtszüge verraten Panik, Angst, Stress und Wut. Das Entsetzen und der Irrsinn des nackten Überlebens trägt Smith in dezentem Overacting zur Schau. Eine geschundene, aber willensstarke Seele, doch immer wie eine, die sich in einer Challenge mit der Wildnis messen mag. Fuqua will mit diesem Denkmal für eine Ikone der Emanzipation und dem Ende der Sklaverei aber nicht nur dessen Schicksal zelebrieren, sondern auch den Sezessionskrieg in prächtiger Ausstattung heraufbeschwören – was ihm gelingt. Zwar nicht spiefilmlang, sondern als letztes Kapitel, und von einem martialischen Naturalismus, welcher in der aktuellen deutschen Oscar-Hoffnung Im Westen nichts Neues seinen stilistischen Meister gefunden hat. Emancipation hat also alles, was es für ein Drama aus der finstersten Epoche der USA eigentlich braucht. Und tatsächlich gelingt es Fuqua, eine packende Geschichtslektion zu erteilen, wenn auch das christliche Pathos zu viel dem lieben Gott verdanken will.
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