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    Holy Spider
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    62 Follower 362 Kritiken User folgen

    4,0
    Veröffentlicht am 21. Januar 2023
    Ein packender, erschreckender Film, der auch durch die drastischen Bilder unter die Haut geht und wohl ein recht authentisches Spiegelbild der iranischen Gesellschaft in den frühen 2000er Jahren darstellt.
    Religiöser Fanatismus vermengt sich mit einer gestörter Psyche und sexuellen Komplexen.
    Sehr sehenswert
    Ich habe die deutsche Synchronfassung gesehen, OmU wäre wahrscheinlich die bessere Wahl gewesen.
    FILMGENUSS
    FILMGENUSS

    720 Follower 942 Kritiken User folgen

    3,0
    Veröffentlicht am 4. Februar 2023
    DER ZWECK HEILIGT DIE MITTEL
    von Michael Grünwald / filmgenuss.com

    Das älteste Gewerbe der Welt gibt es immer noch, und zwar überall. Das wird es so lange geben, solange es Männer gibt. Denn Männer haben einen Sexualtrieb, dem sie nachgehen müssen. Da lässt sich noch so beschämt in die Runde blicken – die Natur gibt, was sie eben gibt, um die Art des Homo sapiens zu erhalten. Wohin also mit den Trieben? Genau deshalb gibt es die Prostitution, es ist ein Knochenjob, es ist weder erquickend für die, die es anbieten, noch sinnlich oder befriedigend. Es ist körperliche Arbeit, es ist Erduldung und Erniedrigung, für die letztendlich etwas Geld rausspringt, damit der entbehrliche Alltag noch finanziert werden kann. Prostitution entsteht aus sozialer Not und gesellschaftlicher Ausgrenzung. Männer wie Saeed Hanaei, beseelt durch den heiligen Imam Reza, hätte diesen Frauen in der heiligen Stadt Maschhad durchaus einfach nur das Geld geben brauchen, damit sie nicht anschaffen müssen. Er hätte sie vielleicht auffangen, woanders hin vermitteln können. Saeed ist schließlich niemand ohne Kontakte. Doch der Humanismus ist solchen Leuten suspekt. Sie sehen nur die Symptome, die da sind: sich für Geld zum Sex anzubieten.

    Das macht Männer wie Saeed Hanaei wütend, vielleicht auch aus verstecktem Selbsthass und der Ohnmacht, ein Mann zu sein, dessen Geschlechtsgenossen dieses Gewerbe überhaupt am Laufen halten. Also wählt der verheiratete Zimmermann und Vater zweier Kinder die so grausame wie plumpe Methode, um seine Heimatstadt vor dem Verfall der Sitten zu bewahren: er bringt die Frauen eine nach der anderen um. Lädt sie zuerst zu sich nachhause ein, um sie dann zu strangulieren und die Leichen wegzuschaffen, an irgendeinen anderen Ort, um nicht in Verbindung damit gebracht zu werden.

    Dieser als Spinnenmörder Anfang der 2000er Jahre berüchtigte Verbrecher hat tatsächlich so gewütet – und war sich bis zuletzt keinerlei Schuld bewusst. Um den Fall zu untersuchen, reist die (fiktive) junge Journalistin Arezu Rahimi an den Ort des Verbrechens, um dem Mörder auf die Spur zu kommen. Sie interviewt die Polizei, sie folgt den Aussagen von Zeugen und geht sogar, in Ermangelung investigativer Erfolge, sogar so weit, sich selbst als Prostituierte auszugeben, um Saeed inflagranti zu erwischen. Letzten Endes wird ihr das auch gelingen, trotz subversiven Widerstandes und den Einschüchterungen der örtlichen Polizei. Es wäre womöglich kein muslimisches Land, würde der Sinn für Recht und Unrecht klar unterschieden, Saeed verurteilt und seiner Strafe zugeführt werden. Hier, in einem Land, in welchem das lockere Tragen eines Kopftuches für Frauen gefährlich werden kann, wo Frauen nicht alleine reisen oder überhaupt frei agieren können, ohne die so strafenden wie lüsternen Blicke der Männer auf sich zu ziehen, herrscht eine verkehrte moralische Welt, die mit zweierlei Maß misst und die Tötung von Menschenleben umjubelten Vororte-Jihads gleichsetzt, die das nötige Prestige einbringen.

    Ali Abbasi, ein nach Dänemark ausgewanderter iranischer Filmemacher, der zuletzt mit dem skandinavischen Fantasy- und Mythendrama Border für Aufsehen sorgte, begibt sich nun wieder zurück an den Ursprung – und zwar in den zumindest im Film dargestellten Iran (gedreht wurde tatsächlich in Jordanien), um anhand dieses True Crime-Szenarios die viel zu hemmungslos nutzbaren Mechanismen der Ermordung anderer zu erörtern, die den heiligen Lehren zuwiderlaufen. Wie bei Hanekes Das weiße Band, wo die Ursprünge des Faschismus einer Wurzelbehandlung unterzogen wurden, wühlt Abbasi mit Leichtigkeit im vertrockneten Sumpf der Moralvorstellungen Strenggläubiger herum und sieht bereits in deren Nachwuchs das nächste Problem. Da ist es fast schon egal, ob es gegen die Sitte oder den Unglauben geht. Die Bereitschaft, den Islam reinzuhalten, duldet radikale Mittel. Und so staunt man als Zuseher nicht schlecht, und es wird einem seltsam anders zumute, wenn der sechzehnfache Mörder als Held gefeiert wird. Holy Spider zeichnet eine kranke, vor allem frauenfeindliche Welt, die schon in den ersten Szenen des Films ihre Ablehnung auf alles Weibliche offenbart. Klar gibt es Ausnahmen, wenn Bildung und Aufklärung greifen. Doch wer hat die schon, können diese Faktoren autoritären Regimes schließlich gefährlich werden. Holy Spider, brisanter denn je, macht aus seinem Stoff aber keine Parabel, sondern bedient sich des Genres eines klassischen Thrillers im kalten Schein der Halogenlampen, billigen Reklamelichter und unter wummernden Klängen. Er wirft Sahra Amir Ebrahimi, Gewinnerin der goldenen Palme als beste Schauspielerin, dem Patriarchat fast schon zum Fraß vor.

    Die Zeitschrift cinema meint, Holy Spider hätte nichts mit einer gewissen Religion zu tun oder gar mit einer Kritik an den Staat selbst. Letzteres mag stimmen, bei ersterem bin ich anderer Meinung: Gerade dieses Verständnis für Sitte und Anstand wurzelt im Moralkodex eines religiösen Extremismus, und selbst die Ehefrau Saeeds kann, als sie von den Straftaten ihres Mannes erfährt diese nicht verurteilen. Das ist es, was zutiefst irritiert, doch Ali Abbasi nutzt das Medium Kino, in dem alles möglich sein kann, nicht dafür, die True Story insofern zu verzerren, um eine noch bizarrere Zukunftsvision zu errichten, vor welcher selbst der muslimische Mann zusammengezuckt wäre. Abbasi zeigt zwar drastische Bilder und lässt auch so manche Sexszene nicht unbeobachtet, besinnt sich aber dennoch einer kühlen, recht nüchternen Erzählweise, wie Asghar Farhadi sie in seinen Filmen gerne nutzt, dabei aber erzählerisch dichter wird. Vielleicht hätte ich mir gerne mehr persönliches Statement erwartet, vielleicht auch eben diese Radikaldystopie, die aus den Opfern letztendlich belangbare Täter macht und umgekehrt. Hier begnügt sich der Filmemacher damit, die Volksmoral von der Moral der staatlichen Institution zu trennen. Und das fiel mir letztendlich zu verhalten aus, vielleicht gar zu versöhnlich.
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    Kinobengel
    Kinobengel

    463 Follower 550 Kritiken User folgen

    3,5
    Veröffentlicht am 17. Januar 2023
    Bedrohte Brauchtümer

    Zimmermann Saeed (Mehdi Bajestani) möchte die iranische Pilgerstadt Mashhad von sittenwidrigen Frauen befreien. Der Familienvater fährt auf seinem Motorrad durch die Metropole, lockt und tötet. Journalistin Rahimi (Zar Amir Ebrahimi) wirft der Polizei Untätigkeit vor.

    Filmemacher Ali Abbasi liefert drastische Bilder nach eigenem Drehbuch, basierend auf tatsächlichen Ereignissen. Grausam werden die Prostituierten in der Nahaufnahme erwürgt. Immer wieder darf das Publikum Zeuge sein. Der Geist des Täters wird von Beginn an durchdrungen, sein Charakter offengelegt. Er ist keine eiskalte Killermaschine eines Standard-Actionstreifens. Insbesondere die stark inszenierte Picknick-Situation mit Frau und Kindern zeigt die Angegriffenheit seiner Person. Wie selbstverständlich geht der Regisseur auf die Unterdrückung der weiblichen Bevölkerung in Iran ein. Rahimi ist nicht auf den Mund gefallen und muss aufpassen, denn die Mächtigen herrschen durch Gewalt.

    Abbasi setzt später auf simple Krimimechaniken. Mit einer Lockvogelvariante gerät das sehr ordentliche True-Crime-Konstrukt erstmalig ins Wanken. Weit entfernt von Asghar Farhadis genial geheimnisträchtigen Weisen, aber dennoch nicht ungeschickt erzählt, steht Weltliches der Sharia gegenüber. Was kann selbst im Jahr 2001 so unrecht sein, ein paar Junkies zu beseitigen, die ihre Körper an der Straße verkaufen?! Der sogenannte Spinnenmörder bekommt seine Anhängerschaft. Gehören Hintermänner aus Teheran oder der Richter dazu? Es folgen ein paar hinterhältige, keinesfalls abwegige Kniffe. Die Spannung kann quälender kaum sein.

    „Holy Spider“ ist ein packender Thriller, der von dem gewählten Weg des intensiven Beobachtungskinos allmählich abweicht, aber aus dieser Phase bis zur letzten Minute die notwendige Kraft schöpft.
    Riecks-Filmkritiken
    Riecks-Filmkritiken

    27 Follower 212 Kritiken User folgen

    4,0
    Veröffentlicht am 9. Januar 2023
    Geschickt tänzelt der iranisch-dänische Regisseur Ali Abbasi mit HOLY SPIDER zwischen einem konventionellen, aber effektiven Krimi und einem historischen leicht dokumentarischen Drama hin und her. Dabei gelingt es ihm nicht nur einen interessanten und mitreißenden Storyaufbau zu gestalten, der sich natürlich an einer realen Vorlage orientiert, sondern vor allem auch eine umfassende Bedeutungsebene zu öffnen, die reichlich Diskussionsstoff mit sich bringt und thematisch wohl kaum aktueller sein könnte. Dabei übersieht man regelrecht, dass Hauptdarstellerin Zar Amir-Ebrahimi lediglich eine Notlösung war. Europäisches Kino war noch nie so westasiatisch wie hier und eröffnet zugleich erneut die Debatte, ob es angemessen ist, wenn westliche Wertevorstellungen über islamische Gesellschaftsordnungen urteilen. In jedem Fall gehört HOLY SPIDER auf jede Watchlist und ist angesichts der Thematik ein ernstzunehmender Konkurrent im Rennen um den diesjährigen Oscar®.

    Die gesamte Kritik gibt es auf riecks-filmkritiken.de/holy-spider
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