ALLES EINE FRAGE DES STILS
von Michael Grünwald / filmgenuss.com
Da werden einige mit den Augen rollen, aber um einen Vergleich mit dem Marvel Cinematic Universe werde ich gerade hier nicht herumkommen. Marvel und DC sind eine Art Dualität, wobei die eine Comicwelt gar nicht so sein will wie die andere. Dort tönt Led Zeppelin oder Blue Swede, hier erklingen Nick Cave oder Leonard Cohen. Und das ist gut so. Das DC Expanded Universe, kurz DCEU, wird niemals diese leichte und verspielte Tonalität von Marvel erreichen. Das will es auch gar nicht. Und würde allein schon aufgrund seiner Figuren nicht funktionieren. Dabei gibt es, mit Ausnahme von Taika Waititi vielleicht (Thor: Tag der Entscheidung) keinen anderen Filmemacher, der das Genre des Comicfilms so sehr beim Wort nimmt wie Zack Snyder. Das hat er mit 300 längst bewiesen.
Wir wissen auch: Snyder hat 2017 seine Arbeit an der Erstversion der Justice League abgeben müssen. So ein Schicksalsschlag, wie er ihn erlebt hat, wirft jeden aus der Bahn. Joss Whedon hat übernommen und dabei versucht, dem DC-Universum den Charakter seiner Avengers-Filme umzuhängen. Was Whedon dabei entglitten war, ist klar zu erkennen. Und zwar die Darstellung des Antagonisten, in diesem Falle Steppenwolf – eine unheilbar eindimensionale Wutgestalt ohne Perspektiven. Da braucht Thanos nur zu schnippen, schon löst sich der gehörnte Despot in Rauch auf.
„Sie dir das bloß nicht an!“, soll Produzentin Deborah Snyder ihrem Gatten geraten haben, nachdem die 2017er-Version der Justice League im Kasten war. Diese sei nicht das, was ursprünglich geplant war. So ein Herzensprojekt lässt man sich im Endeffekt auch nicht nehmen. Da geht man zum rechten Zeitpunkt nochmal drüber. Entstanden ist einer jener Filme im Corona-Jahr 2021, die am meisten mit Spannung erwartet wurden: Die 4-Stunden-Version der Justice League, eine Art Ben Hur unter den Superheldenfilmen oder Wagners Ringoper für das autoaggressive Klientel. Die Backgroundstory um Snyder und seine Justice League ließe sich ohne weiteres als Teil einer umfangreichen Fachbereichsarbeit zum Thema Film im Comic – Comic im Film anführen. Womöglich gibt es die auch schon, und ich würde mich wundern, würde der Mann mit dem Hang zu malerisch-sattem Pathos dort nicht Erwähnung gefunden haben. Sein Werk ist das eines Comicnerds für Comicfans. Bei jenen, die andauernd über das ewige Getöse comiclastiger Blockbuster motzen, könnte eine gewisse Ratlosigkeit in Sachen Panel-Literatur zu vermuten sein. Daher ist Zack Snyder´s Justice League in Wahrheit nichts für die breite Masse, sondern fast schon ein orthodoxer Nischenfilm für Nerds und Liebhaber, die wissen, wie Superman, Batman und Co immer schon getickt haben, seit sie erstmals gezeichnet wurden. Snyder weiß das und wusste das und fusioniert sämtliche Interpretationen besagter Helden zu stolzen Compilations.
Sein Film ist düster, melancholisch und theatralisch, hat sogar weniger Witz als Whedons Version. Seine Bilder kennen wir – dunkle Wolkentürme vor tiefstehender Sonne, harte Kontraste und satte Farben. Altdorfer, William Turner oder der Romantiker Géricault – Inspirationen aus der Stilkunde für den mit Auszeichnung promovierten Kunststudenten. Umso logischer erscheinen die Ikonographien der Helden und Finsterlinge in charakteristischen Posen, wie Skulpturen griechischer Gottheiten, gerne auch im Freeze Frame.
Zwei deutliche Verbesserungen stechen sofort ins staunende Auge: Erstens die Änderung des Bildformats auf 4:3. Was für eine angenehme Abwechslung zum Cinemascope. Und das, um auch mehr den Dimensionen gezeichneter Panels zu entsprechen. Zweitens: die Metamorphose des Bösewichts. Steppenwolf ist nun nicht mehr der triviale Plagegeist mit Superaxt – er ist ganz plötzlich der Handlanger eines noch finsteren Gesellen. Steppenwolf hat eine Schuld zu tilgen, also will er in der Gunst des Meister stehen und ihm die Erde zum Geschenk machen. Das hat schon mehr Facetten, da lässt sich auch mehr herausholen – einfältig fies bleibt der Wicht aber immer noch. Wieder sind Comicleser eine Nasenlänge voraus und lächeln wissend: dieser Meister ist das Äquivalent zu Thanos, nämlich Darkseid. Ein grimmiger Haudrauf, der ganze Sonnensysteme seinem Willen unterwerfen will. Damit schafft Snyder den narrativen Überbau wie Marvel ihn mit Infinity hatte. Einen, der alles Kommende unter sich versammeln wird.
Snyder gliedert seinen Film in 5 Kapitel, einem Prolog und einem Epilog. Er gibt den Helden mehr Biographie, teasert neue Charaktere an, die die Tafelrunde ergänzen sollen und spielt auch mit kryptischen Traumsequenzen zwischen Steampunk und Terminator, die in ihrer Überstilisierung erneut den oft barocken Weltuntergangszenarien in den jüngeren Comics entsprechen, wo längst alles möglich und in alternativen Universen längst alles passiert ist. Unterm Strich ist dieser monumentale Schinken vor allem einer, der nach langem Kämpfen nun erreicht hat, was Marvel schon längst hatte: die Emanzipation vom großen Bruder, sein Coming-of-Age in Richtung eines Selbstbewusstseins, das ihm womöglich niemand mehr nehmen kann – sofern Zack Snyder dranbleibt und im DCEU weiterwirkt wie bisher.
Das DC-Universum ist und bleibt düster, schwermütig, vielleicht sogar manchmal in seinen Klageliedern träge und auf der Stelle tretend – aber mit dieser Psychonummer kann Marvel wiederum nur wenig anfangen. Mit diesem hechelnden Wahnsinn, dieser pessimistischen Weltsicht, dem ewigen Unwetter und dieser elegischen Melancholie in Slow Motion. Wenns hochkommt, lassen sich zarte Spitzen der Selbstironie entdecken, in dieser verbissenen, fast schon reaktionären Strenge, die sich leichter verhöhnen lässt als etwas, das sich von vornherein nicht ernst nimmt. Doch der Entschluss, so zu sein, steht nun fest.
Wäre Justice League-Schöpfer Gardner Fox Filmemacher, er würde es, denke ich, nicht anders machen.
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