Eher eine Flaute als eine frische Brise
Von Sidney ScheringCornwall ist hierzulande bestens bekannt als Schauplatz unzähliger Rosamunde-Pilcher-Filme, die im ZDF seit Jahrzehnten für Herzschmerz sorgen. Zudem ist Cornwall seit ein paar Jahren weltberühmt als Heimat des Shanty-Chors The Fisherman's Friends. Die Truppe wurde 2009 zufällig von einem Radiomoderator entdeckt, ein Jahr später nahm Universal sie unter Vertrag. 2019 wurde diese Entdeckungsgeschichte mit allerlei künstlerischer Freiheit zur Wohlfühl-Dramödie „Fisherman's Friends – Vom Kutter in die Charts“. Im Zuge dessen erhielt die Musik des Chors neuen Marketing-Rückenwind. Außerdem wurde sogar ein Bühnenmusical kreiert.
Man könnte also von einem Mini-Franchise reden, das jetzt weiter wächst – auch im Kino mit einer Fortsetzung der Geschichte über die ungewöhnliche Boyband. Nick Moorcroft und Meg Leonard, die beim ersten Film am Drehbuch mitwirkten, haben auf dem Regiestuhl Platz genommen, um „Fisherman's Friends 2 – Eine Brise Leben“ zu inszenieren. Das Problem: Wirklich was zu erzählen haben sie nicht mehr.
Sie singen wieder ...
Beim Klabautermann! Seit dem Überraschungserfolg ihres ersten Albums häufen sich für The Fisherman’s Friends die Ärgernisse! Rowan (Sam Swainsbury) kommt den weiblichen Fans zu nah, weshalb ihn seine Frau Sally (Mae Voogd) aus dem Haus schmeißt. Sein Chorkollege Leadville (Dave Johns) erzürnt unterdessen eine Reporterin mit Doppeldeutigkeiten. Und da man bei Universal das Vertrauen in die „älteste Boyband der Welt“ verliert, bekommt sie einen Kurs in medialer Professionalität und progressivem Verhalten aufgebrummt.
Derweil verfällt der um seinen verstorbenen Vater trauernde Jim (James Purefoy) dem Alkohol, zankt sich mit der neu in die Nachbarschaft gezogenen Aubrey (Imelda May) und bremst die Suche nach einem neuen Chormitglied aus. Dabei wäre der gutmütige Morgan (Richard Harrington) wie gemacht für den Posten. Es bräuchte ein Wunder, etwa in der Form eines prestigeträchtigen Festivalauftritts, um den Chor zurück auf Kurs zu bringen...
Der erste Teil fand mit dem unerwarteten Charterfolg des Fischerchors einen schablonenhaften, aber gefälligen Abschluss. Wie daran anknüpfen? Moorcroft, Leonard und dem erneut für das Drehbuch mitverantwortlichen Piers Ashworth hätte sich sogar eine Geschichte in der Realität geboten: 2013 stürzte während Bühnenarbeiten eine schwere Stahltür auf Paul McMullen, den Tourmanager des Chors, und Sänger Trevor Grills. McMullen verstarb unmittelbar, Grills zwei Tage später an den Folgen seiner Verletzung.
Eine Fortsetzung zu „Fisherman's Friends“ schreit eigentlich danach, das schlagzeilenträchtige Ereignis und den Umgang des übrigen Chors mit diesem Schock aufzuarbeiten. Doch offensichtlich wollte man nicht in solche tragisch-dramatischen Gewässer navigieren. Dann sollte man sich aber auch eine sehenswerte Alternativroute ausdenken. Doch Moorcroft, Leonard und Ashworth scheinen dabei so große Angst vor der wahren Geschichte zu haben, dass sie in ihrem herummäandernden Film mit allerlei kreativer Freiheit, ernüchternd wenig Kreativität und noch weniger Konsequenz einfach auf Zeit spielen. Das Ziel scheint nur zu sein, irgendetwas zu erzählen, was bei einer Station der Bandgeschichte endet, die zeitlich noch vor dem tragischen Unfall liegt.
... doch das macht weniger Spaß als im Vorgänger.
Also werden Subplots und thematische Ideen wahllos auf's Deck geschmissen und wieder weggepackt: Erst gibt es platte Späße über eine vermeintlich zu politisch korrekte Welt, die keinen Platz mehr für Sänger mit Altherrenhumor habe. Bevor man mit diesem Thema zu sehr aneckt, verflüchtigt sich dieser Ansatz ins Nirgendwo. Ähnlich beliebig beginnen und enden Konflikte über die Vergrößerung des Chors, Universals Misstrauen in das geplante, nächste Album sowie darüber, ob der Ruhm der Fisherman's Friends ihrem Heimatort schadet.
Somit treibt „Fisherman's Friends 2“ vor allem in der ersten Hälfte ziellos umher – arm an Gags und frei von überzeugendem Drama. Dann kristallisiert sich Jims Kampf mit dem Alkohol als Schwerpunkt heraus und gibt James Purefoy Gelegenheit, über seine Darbietung im ersten Teil hinauszuwachsen: Der „The Following“-Star spielt den mürrischen Dickschädel, der sich in selbstzerstörerischen Tendenzen verliert, überzeugend und an Genre-Maßstäben gemessen nuanciert. Auch seine Chemie mit der neu zum Cast dazu gestoßenen Sängerin Imelda May kann sich sehen lassen.
Die überzeugt in ihrem Schauspieldebüt. Als Ex-Alkoholikerin und Ex-Cholerikerin Aubrey gibt sie eine etwas klischeehafte, dennoch stimmige Mischung aus Vorbild und Seelentrösterin für den streitlustigen Jim ab. Dass Mays Rolle gen Ende des Films abrupt ihre Ecken und Kanten verliert, ist weniger ihrer Schauspielleistung anzukreiden, als dem Skript, das hektisch ein möglichst simples, geradliniges Ende heraufbeschwört. Doch vielleicht erwarten das zumindest manche Teile des Publikums einfach von Wohlfühlgeschichten, die in Cornwall spielen.
Die mit Postkarten-Motiven bestückte Bildsprache und die ebenso plötzlich aufkommenden wie abflauenden Konflikte (inklusive spannungsfreier Rettungsaktion bei einem Sightseeing-Unfall) haben eh schon was von Rosamunde Pilcher. Nur wird da nicht so schön inbrünstig von Leid, Sehnsucht, Suff und schweinischen Gedanken auf hoher See gesungen – schade, dass „Fisherman's Friends 2“ nicht öfter auf die Kernkompetenz seiner Figuren zurückgreift.
Fazit: Eine fahrige Ansammlung an uninspiriert zusammengeknoteten Storyideen und flaue Witze halten einen engagierten James Purefoy zurück: Nach dem unaufgeregten, aber gefälligen Vorläufer über einen Chart-Überraschungserfolg hat „Fisherman's Friends 2“ keinen klaren Kurs – und zu wenig Glauben in den rau-schönen Charme seiner Musikeinlagen, um als reine „Der Weg ist das Ziel“-Musikdramödie zu bezirzen.