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    The Drover's Wife - Die Legende von Molly Johnson
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    The Drover's Wife - Die Legende von Molly Johnson

    Ein feministischer Sturmwind fegt durch die australische Prärie

    Von Gaby Sikorski

    Das Leben in den Snowy Mountains im australischen Outback ist hart und karg Ende des 19. Jahrhunderts. Der Umgangston in „The Drover’s Wife – Die Legende von Molly Johnson“ ist rau und keinesfalls herzlich. Waffengewalt ist an der Tagesordnung, die Colts sitzen locker, der Alkohol fließt in Strömen, und die Hierarchien sind klar: Oben stehen die weißen Männer, unten die Indigenen und die Frauen. Ein Land, in dem nur das Recht des Stärkeren zählt. Hier, in einer schäbigen Hütte, lebt Molly Johnson (Leah Purcell) mit ihren vier Kindern, das fünfte ist gerade unterwegs. Als eines Tages Nate Clintoff (Sam Reid) und seine Frau Louisa (Jessica De Gouw) vor der Tür stehen, greift die hochschwangere Molly vorsichtshalber erstmal zur Waffe.

    Wie sich herausstellt, ist das Paar auf dem Weg nach Everton, einer Kleinstadt in der Nähe, wo Clintoff Polizeichef werden soll. Louisa gelingt es, das Vertrauen ihrer Gastgeberin zu gewinnen – und sie erfährt, dass Molly auf ihren als „Drover“ (= Viehtreiber) tätigen Mann Joe wartet. Außerdem hat Molly eine Bitte: Angesichts der bevorstehenden Geburt möchte sie, dass Louisa und Nate die Kinder mit nach Everton nehmen, um sie bei einer befreundeten Familie abzuliefern. Kaum sind das Paar und die Kinder fort, trifft Molly auf einen schwerverletzten Aborigine (Rob Collins), dessen Halseisen darauf hindeutet, dass er gerade aus der Gefangenschaft geflohen ist – und dann setzen auch noch die Wehen ein…

    Molly Johnson (Leah Purcell) weiß sich auch als Frau sehr gut selbst zu verteidigen.

    Wer an dieser Stelle denkt, es folge ein Rührstück über eine tapfere Frau in der Wildnis, die mit Hilfe eines halbtoten Mannes ihr Kind zur Welt bringt, der liegt vollkommen daneben. Denn Leah Purcells Film ist ein knallharter Western und noch mehr: Durch das spannende Drama weht nicht etwa ein leiser Hauch von Feminismus, es ist ein veritabler Sturmwind, von dem nichts und niemand verschont bleibt. Trotzdem geht es hier vorrangig aber nicht um Selbstfindung, sondern zunächst einmal ums pure Überleben. Dabei zeigt Molly schon zu Beginn, dass sie durchaus wehrhaft ist. Das Gewehr ist nie weiter als einen Schritt von ihr entfernt, im Strumpf trägt sie ein Messer. Sie befindet sich in ständiger Lebensgefahr, denn Indigene und Frauen stehen zu dieser Zeit in diesem Land ganz am Ende der Nahrungskette.

    Jeder weiße Mann darf mit ihnen machen, was er will – und viele von ihnen tuen es auch. So liegt eine ständige Bedrohung in der Luft. Im Grunde hat Molle keine Chance, aber sie ist bereit zu kämpfen und sie geht bis zum Äußersten, um ihre Kinder und sich selbst (sowie ihre Geheimnisse) zu schützen. Die Regisseurin und Autorin Leah Purcell schrieb zunächst ein Theaterstück nach der Kurzgeschichte „The Drover’s Wife“ von Henry Lawson, in der es um den Kampf einer mutigen Frau gegen die australischen Naturgewalten geht. Daraus entwickelte sie dann die ungewöhnliche Story über Molly Johnson, die sich in der gewalttätigen Männerwelt zu behaupten versucht: eine Frau, die es gewöhnt ist, sich selbst und ihre Kinder notfalls mit der Waffe in der Hand zu verteidigen.

    Mystisch schöne Bilder

    Dieses Konzept funktioniert als Film etwa bis zur Hälfte nahezu perfekt, was vor allem am intelligent konzipierten Drehbuch liegt: Mit vielen Schauplatzwechseln wird die Spannung gesteigert. Molly Johnson und ihr armseliges, aber stets gepflegtes und gefegtes Zuhause stehen zwar im Mittelpunkt, aber es geht auch nach Everton zu den Clintoffs und den Kindern, zu den Herden und den Viehtreibern. Dabei ist viel von der Wirkung auch der Kameraarbeit von Mark Wareham zu verdanken: Seine Bilder von den Snowy Mountains sind von atemstockender Schönheit. Vom ewigen Wind gekrümmte Bäume, die endlose Steppe der Hochebenen mit ihren Lichtreflexen oder sanft melancholische Dunstwolken um die grünen Hügel schaffen eine ungeheuer intensive, manchmal schon mystische Atmosphäre, die sehr viel mit der indigenen Kultur Australiens zu tun hat – ebenfalls ein zentrales Thema des Films.

    Mark Wareham gibt in seiner Bildgestaltung praktisch alles, um davon abzulenken, dass die Grundlage des Films ein Theaterstück ist. So ganz gelingt das am Ende aber doch nicht. Dafür bleiben zu viele bühnenmäßige Dialogsituationen – und es gibt relativ wenig Fahrten, die Kamera ist eher starr als bewegt. Sie schafft Tableaus oder ruht nachdrücklich auf den Gesichtern, die sie bis ins letzte Fältchen zu erforschen scheint. Leah Purcell, die selbst indigene Wurzeln hat, erschafft mit sparsamen Dialogen und einer ruhigen, immer unterschwellig bedrohlichen Entwicklung im ersten Teil eine kraftvolle Geschichte, gleichzeitig Anklage und Appell, Western und Thriller. Obwohl Gewalt eine wichtige Rolle spielt, verzichtet sie auf explizite Darstellungen.

    Rob Collins liefert als Aborigine Yadaka eine spannend-ambivalente Performance.

    Bei all dieser Subtilität ist es dann sehr auffällig, dass Purcell im zweiten Teil – ohne Not – den Holzhammer in Gestalt der Louisa Clintoff herausholt. Zumal die Figur nach ihrem ersten Auftauchen erst einmal fallen gelassen wurde wie eine heiße Kartoffel: Louisa wird nach ihrer Ankunft krank und hustet sich durch den Film, bis sie wieder etwas zu tun bekommt – und diese Aufgabe besteht dann nahezu ausschließlich darin, den ohnehin offensichtlichen feministischen Unterbau noch einmal für alle klar und verständlich auszusprechen. Das ist schade, gerade weil sie als zusätzliche nicht nur funktionelle Frauenfigur dem Film sicher gutgetan hätte, auch wegen der unterschiedlichen Ansichten von ihr und Molly. So aber hat Jessica De Gouw kaum eine Chance, sich zu profilieren, auch wenn sie sehr schön hustet. Sam Reid als gesetzestreuer Polizeichef und übereifriges Greenhorn hätte ebenfalls mehr Aufmerksamkeit verdient. Lediglich Rob Collins als indigener Flüchtling Yadaka kann durch sein ambivalentes Spiel überzeugen – ein Aborigine, der mit dem Land und seiner Kultur in Würde verwachsen ist.

    Die Autorin und Regisseurin verlässt sich also vor allem auf ihre eigenen schauspielerischen Fähigkeiten. Leah Purcell spielt Molly als grundsätzlich misstrauische Frau, die sich nicht mehr erniedrigen lassen will. Sie spricht wenig und lächelt selten. Dass Leah Purcells Spielfilm-Debüt als Regisseurin für sie eine Herzensangelegenheit ist, spürt man nicht nur in jeder Sekunde, man kann es auch hören: Der Soundtrack von Salliana Seven Campbell ist wunderschön und vereint indigene australische mit irisch-englischen Klängen. Dabei bleibt die Stimmung dramatisch, aber ohne jede Gefühlsduselei, so wie der ganze Film.

    Fazit: Ein richtig starkes Spielfilm-Regiedebüt von Schauspielerin Leah Purcell, deren suggestives Spiel über ihrem Film liegt wie der Schatten eines fliegenden Adlers über der Weite des Outbacks – stets gegenwärtig und bereit zuzustoßen.

     

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