KUBAKRISE 2.0
von Michael Grünwald / filmgenuss.com
Es kommt immer darauf an, wie Message Control ihre Arbeit leistet: Außen hui, innen pfui. Nach Filmen wie Judas and the Black Messiah oder eben Der Mauretanier ist das Bild von den (ehemals) selbsternannten Wächtern der Welt das eines durchtriebenen Heuchlers, der westliche Werte predigt, und selbst aber zu Mitteln greift, die schon in der spanischen Inquisition irgendwann später als überholt galten. Die Rede ist vom Foltern, bis das Geständnis kommt. Statt Streckbank und Daumenschrauben gibt’s in Guantanamo Waterboarding, Schlafentzug und sonstige Abscheulichkeiten, die den Gefangenen brechen sollen. Mit diesen Methoden ist es ein Leichtes, alle möglichen Geständnisse zu erzwingen, und seien es auch jene, die zugeben, mit sowas Abstraktem wie dem Teufel im Bunde zu sein oder den Hexensabbat zu tanzen. Unterzeichnete Wahrheiten, die nichts wert sind. Doch zumindest befriedigt es die Wähler, denn die wollen einen Sündenbock für das 9/11-Verbrechen, und da ist einer, der über mehrere Ecken mit Bin Laden zu tun hatte, gut genug.
Dieser Jemand ist Muhamedou Ould Slahi, eben ein Mauretanier, der früher mal auf Seiten der Amerikaner und der Al Kaida gegen die kommunistischen Invasoren in Afghanistan gekämpft hat. Der wird eines Nachts, kurz nach dem 11. September, ganz einfach einkassiert, zuerst in den Nahen Osten verschleppt, dann in Guantanamo inhaftiert – und folglich immer wieder verhört. Zuerst noch auf humane Weise, später dann auf die harte Tour. Klar sieht man das in diesem Film, manche Szenen wirken so, als wären sie aus der Horrorreihe The Purge oder aus einem anderen perfiden Psycho-Murks. Tatsächlich waren das Methoden des US-Militärs. Von dieser Schande erfuhr die Öffentlichkeit erst einige Zeit später, und das dank einer liberalen, sozial engagierten Anwältin, die sich Slahi annimmt, einfach, um einen fairen Prozess auf Schiene zu bekommen – und den Verdächtigen mangels Beweisen freizubekommen. Das gebärdet sich natürlich schwieriger als gedacht.
Das Beeindruckende an diesem Politdrama von Kevin McDonald, der in Sachen Menschenrecht und Politik schon mit Der letzte König von Schottland verstört hat, sind die im Abspann zu sehenden, echten Aufnahmen des ehemals Gefangenen. Slahi wirkt wie eine unerschütterliche, lebensbejahende und enorm sympathische Person. Wie einer, der es geschafft hat, dank seines Glaubens an Gott diese 14 gestohlenen Jahre zu überstehen. Tahar Rahim versucht, diesem Gemüt ebenfalls zu entsprechen – und bekommt das szenenweise wirklich gut hin. Dieses Verschmitzte, Zuversichtliche, diese direkte Art, aber auch dieses Unbeugsame: eine stilsichere Performance. Dagegen bleibt Jodie Foster angespannt und blass, der Golden Globe für diese Rolle wurde womöglich aus reiner Sympathie vergeben. Der Fokus liegt also eindeutig auf Rahim, der übrige illustre Cast bleibt nicht mehr als solide, was man von der eigentlichen Inszenierung allerdings auch sagen kann. Schwierig, so einem brisanten Thema gleichzeitig den Schrecken zu lassen und andererseits aber ein chronologisch akkurates Geschichtskino zu bieten. Sehr wohl gelingt das, und auch schafft MacDonald den Schulterschluss mit vergeltungsaffinen, skeptischen und humanitär veranlagten Parteien. Dadurch bekommt Der Mauretanier eine überlegte Nüchternheit – doch was nebenbei den stärksten Effekt erzielt, ist die erfolgreiche Nutzbarkeit eines festen, inneren Glaubens, in diesem Fall dem des Islam, der in seiner reinen, von kulturellen Geboten entkoppelten Beschaffenheit genauso wie das Christentum Geist und Seele schützen kann.
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