Auftrag(nehmer) erledigt
Wenn James Harper in die Kanalisation hinab steigt, um seinen Häschern zu entkommen, dann wird der Dreck und der Verfall mit dem er sich seit seiner Ankunft in Berlin konfrontiert sieht auf die Spitze getrieben. Wer die deutsche Hauptstadt schon einmal besucht hat, wird ein wenig irritiert sein, dass der schwedische Regisseur Tarik Saleh bis auf ein zwei establishing Shots nur ranzige Hotelzimmer, dreckige Hinterhöfe und Graffiti verschmierte Wände präsentiert, von denen der Putz abblättert. Geht es dann doch einmal ins Grüne, dann natürlich in einen selbst bei Tage dunklen Wald, der auch schon ohne den ständigen Bodennebel und das brackige Gewässer alles andere als einladend wirkt. Auch wenn man diese versifften Ecken leicht findet, mit dem Flair der deutschen Hauptstadt hat dieser Look kaum etwas gemein, geschweige denn, dass er repräsentativ wäre. Das kann man ärgerlich finden, aber dann übersieht man seine dramaturgische Funktion. All der Dreck, der Verfall, der Morast steht symbolisch für den Auftrag, die Mission. Und die hat sich der Auftragnehmer James Harper (Chris Pine) ganz anders vorgestellt.
Zu Beginn steht er allerdings vor einem Scherbenhaufen. Nachdem er wegen einer Knieverletzung die er mit illegalen Steroiden behandelt hatte aus der Armee entlassen wird, droht Harper der finanziellen Ruin. Doch bei seinen speziellen Fähigkeiten sind gesucht. Über seinen ehemaligen Vorgesetzten und Freund Mike (Ben Foster) kommt er in Kontakt mit einem privaten Militäranbieter unter der Leitung des Veteranen Rusty Hayes (Kiefer Sutherland). Der versichert ihm glaubhaft nur Gutes im Sinn zu haben und ausschließlich im Dienst der nationale Sicherheit zu operieren. Mikes großzügiges Anwesen und ein Vorschuss von 50.000 Dollar machen die Job-Offerte noch lukrativer. Zudem würde der dreiwöchige Job im Ausland für den hoch dekorierten Ex Special Forces Sergeant ein Kinderspiel sein, schließlich ginge es in erster Linie um Beobachtung und Sicherstellung prekärer Daten und Informationen. Und tatsächlich erweist sich die Überwachung des Wissenschaftlers Salim zunächst als reiner Routinejob. Bis Rusty Harpers Infiltrationsteam anweist das Labor zu stürmen, Salima Forschungsergebnissen sicher zu stellen und den vermeintlichen Al-Qaeda Terroristen auszuschalten …
„The Contractor“ gehört zu einer Filmgattung, die spätestens seit Ende der 1990er Jahre aus den Lichtspielhäusern verschwunden war und in letzter Zeit vor allem in serieller Form auf diversen Streamingplattformen ein kleines Comeback feiert. Was die aktuellen Ableger des politischen Action-Thrillers besonders kennzeichnet ist, dass Sujet und Protagonist sehr häufig einen militärischen Hintergrund haben der entweder mit kriminellen Machenschaften verwoben ist, oder einzig dazu in der Lage scheint den Sumpf trocken zu legen. Die Amazon-Serien „Jack Reacher“ und „The Terminal List“ beackern genau denselben Morast wie „The Contractor“, wobei es vor allem zwischen den beiden letztgenannten erstaunliche Parallelen gibt, nicht nur aufgrund der Ähnlichkeit der beiden Hauptdarsteller Chris Pratt und Chris Pine. In beiden Fällen geht es um Entbehrlichkeit und Missbrauch, um verratene Ideale und Werte wie Freundschaft und Familie. Dem Genre geschuldet gibt es eine befreiende Katharsis durch Gewalt und individuelles Handeln, was der anklagenden Düsternis zwar die Zähne zeigt, aber eben auch ihrer nachhaltigen Wirkung beraubt.
Dieses Dilemma zeigt sich auch in der Figur des James Harper, die Chris Pine lange Zeit durchaus beeindruckend als gebrochenen, desillusionierten und innerlich zerrissenen Mann speilt, der gleichzeitig Selbstverständnis, Perspektive und Orientierung verliert. Er ist ein Spielball äußerer Umstände und Mechanismen für die er nur bedingt verantwortlich. Die Entscheidung die er schließlich trifft ist nicht der erhoffte Befreiungsschlag, sondern zieht ihn nur noch tiefer ins Chaos. Dass er sich daraus in einem regelrechten Kraftakt buchstäblich wieder heraus kämpft ist dann zwar ein typisch amerikanisches Motiv, aber in seiner Umsetzung zu ruppig und schlampig um vollends überzeugen zu können.
Letztlich ist es die Regie des Schweden Tarik Saleh, die immer wieder zu sehr ins Plakative rutscht, so dass „The Contractor“ trotz interessanter Ansätze und einem stark aufspielenden Chris Pine nicht über Genre-Mittelmaß hinaus kommt. Der Kontrast zwischen dem schmuddeligen Berlin (als Symbol für die Verkommenheit privater Miitärdienstleister und des konkreten Auftrags) und der adretten, sauberen Idylle amerikanischer Vororte (als Symbol für Harpers Fahnentreue und ehrenhafte Überzeugungen) ist dabei nur ein Beispiel. Zumal die Oberflächlichkeit der heilen US-Fassade optisch nicht aufgebrochen wird. Ein anderes ist der substanzlos präsentierte Primat familiärer Bindungen, der bloße Behauptung bleibt. Zu nennen wäre schließlich auch ein Feuergefecht mit der Berliner Polizei, das rein auf der Actionebene funktioniert, hinsichtlich Handlung und vor allem Figurenzeichnung aber einige Fragezeichen hinterlässt. Die letzte Einstellung ist trotz ihrer angedeuteten Offenheit eindeutig positiv und knickt vor dem Grundtenor des Films ein. Dabei hätte Saleh in der letzten Einstellung nur eine der Berliner Kanalratten den Bordstein entlang laufen lassen müssen. Aber den Mut, oder den Einfall hatte er leider nicht.