WAS GUT UND BÖSE GEMEINSAM HABEN
Eines vorweg: Mit Das Schweigen der Lämmer hat der kürzlich im Kino angelaufene Killerthriller nichts zu tun. Auch nicht mit Copykill, Sieben oder anderen finsteren Genrewerken – dafür verspielt Catch the Killer (im Original To Catch a Killer – warum nur hat man es nicht dabei belassen?) die Chance, einen Psychopathen ins Feld zu führen, dem es gelingt, in den eigenen finsteren Abgründen, im eigenen finsteren Unterbewusstsein zu stochern, wie Kevin Spacey als namenlose Todsünden-Vergeltungsmaschine. Anthony Hopkins hingegen, der zu einer Menschenleber gerne Chianti genießt, ist die Verbindung eines perversen Monsters mit einem so charismatischen wie klugen Kopf eingegangen. Das sind denkwürdige Auftritte aus der Filmgeschichte, die verfolgen einen bis heute. In Damián Szifrons urbaner Jagd nach einem vermeintlichen Waffennarr ist die Faszination für das Böse, so sehr man sich auch dagegen sträuben will, was aber gelungene Kriminalfilm-Perlen ausmacht, faktisch niemals vorhanden. Es bleibt selbstverständlich ein Täter X, den es zu fassen gilt, der in einer x-beliebigen Silvesternacht scheinbar wahllos wildfremde Menschen erschießt, die sich gerade mal in die freie Wildbahn der Balkone, Loggias und wandfüllender Fensterfronten begeben, um im nächsten Moment zum Schrecken aller anderen Beteiligten ganz plötzlich zusammenbrechen. Ein Schock, der in die Glieder fährt, denn mit solchen Schicksalsschlägen rechnet selten wer.
So kommt es, dass eines Abends – nämlich zu besagter Jahreswende, als der Killer 29 Opfer verzeichnen wird – die Streifenpolizistin Eleanor Falco, ähnlich wie Sergeant Powell im Stirb langsam-Original, zur falschen Zeit am falschen Ort weilt. Oder aber genau umgekehrt, denn es geht schließlich darum, Recht und Ordnung zu sichern. So mischt sie also mit und ist als erste Exekutiveinheit an Ort und Stelle. Es dauert auch nicht lang, da eruieren Ballistiker das Versteck des Schützen – eine Wohnung in einem Hochhaus gegenüber, die kurz darauf in Flammen aufgeht. Der konzentrierte FBI-Ermittler Lammark (Ben Mendelsohn, kürzlich in Secret Invasion zu sehen) wird den Fall schließlich an sich nehmen – und da ihm die Beobachtungsgabe der Möchtegern-Profilerin Eleanor sofort ins Auge sticht, wird sie auch Teil seines Teams. Warum ihre Analysen des Täters so treffsicher sind? Vielleicht, weil die ehemals drogenabhängige und mit einem Trauma aus der Kindheit hadernde Unglückliche ganz gut weiß, wie einsame Seelen, die ihren Frust irgendwie kanalisieren müssen, zu ticken haben.
Gut, denke ich mir, irgendwie wird Eleanors Einschätzung schon Hand und Fuß haben, wenn Lammark so begeistert scheint. Es setzt das Abenteuer der Investigation an, man findet Verdächtige und verhört alle, die Zugang zu besagter Wohnung hatten. Irgendeiner davon muss der Killer sein. Natürlich legt Szifron falsche Fährten und fährt mit der Kirche ums Kreuz, hinterdrein stets ein beeindruckender, seine Rolle mal ganz anders interpretierender Ben Mendelsohn und Shailene Woodley, die wohl gar nicht bemerkt, dass sie drauf und dran ist, ihre berufliche Karriere zu pushen – denn wer einmal fürs FBI gearbeitet hat, dürfte schon mal den Fuß in der Tür haben. Ein Wunschtraum, den sich der engagierte und stets verbissene Charakter unter subtilem Ehrgeiz erfüllen will. So gesehen könnte Catch the Killer fast schon die Pilotfolge zu einer neuen Crime-Show werden, in welcher Woodley in Zukunft den einen oder anderen kniffligen und vor allem psychologisch interessanten Fall lösen wird dürfen.
Catch the Killer ist solide inszeniert und scheut sich auch nicht davor, streckenweise ordentlich düster zu werden oder sich gar zur qualvollen Tragödie aufzubäumen, die in konsequenter Weise seine Opfer bringt, um auch entsprechend ernstgenommen zu werden. Doch gerade die Konfrontation des Killers (blass: Ralph Ineson) mit Mrs. Woodley erreicht niemals die Tiefe, die damals Jodie Foster mit Anthony Hopkins ausloten durfte. Mag sein, dass hier so einige Phrasen fallen, die psychoanalytischer klingen als sie sind und den Missstand unserer Zivilisation als Urgrund des Handelns von Gut und Böse wortreich aufs Tapet bringen – letztlich erscheinen sie als Worthülsen, da die Annäherung beider Parteien ein Vertrauen voraussetzt, dass niemals entstehen hat können. Dafür macht es sich Szifron am Ende zu einfach. Mit finsteren Momenten allein lässt sich das Defizit nicht kaschieren.
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