ZU FUSS IN EINE BESSERE WELT
von Michael Grünwald / filmgenuss.com
Nicht lange suchen, einfach buchen: Mark Wahlberg ist die Universalbesetzung für so ziemlich alles – ob Action, Familienkomödie, Science-Fiction oder Tatsachendrama. Der durchtrainierte Muskelmann setzt weniger auf seine körperlichen Schauwerte, sondern auf professionelle Routine. Und das ist es auch, mehr wird’s nicht. Wahlberg ist gut, aufgeräumt und im Teamwork mit der Filmcrew womöglich erstaunlich integer. Sonst würde man ihn nicht für alle erdenklichen Projekte besetzen. Einziger Wermutstropfen: Wahlberg entwickelt keine Leidenschaft. Seine Rollen sind Tagesgeschäft, mehr lässt sich dabei kaum erspüren. Wir werden sehen: selbst im kürzlich anlaufenden Uncharted wird Wahlberg wieder waschecht Wahlberg sein, neben einem Tom Holland, der hoffentlich nicht nur den Spider-Man gibt. Aber ich lass mich überraschen. Und übrigens: Die Goldene Himbeere könnte dieses Jahr seine Regale zieren, sofern er sich diese abholen will: In Infinite war ihm der Alltag seiner Arbeit in fast jeder Szene abzulesen.
Wahlbergs Agent hat dem Profi zwischenzeitlich auch noch diese Rolle verschafft: die des zweifachen US-amerikanischen Familienvaters Joe Bell, der die Homosexualität seines Sohnes nur mit Mühe akzeptiert und der dann auch nicht ausreichend hinhört, als dieser von massivem Mobbing an seiner Schule berichtet. Die grausamen Sticheleien intoleranter Altersgenossen führen zur unvermeidlichen Katastrophe: Sohnemann Jadin begeht Selbstmord. Daraufhin beschließt Joe Bell, seine Defizite als Vaterfigur, posthum für seinen Sohn, wiedergutzumachen und zieht als Referent gegen Mobbing quer durch die USA. Es ist der Weg eines trauernden, traumatisierten, in eine notwendige Katharsis getriebenen Menschen, den das Schicksal seines Sohnes für den Rest seines Lebens begleiten wird. Und auch dieses muss nicht zwingend lange dauern.
Ein Trauermarsch für eine bessere Welt, das Gedenk-Roadmovie eines reumütigen Egoisten, der mit Eifer seinem Sohn gerecht werden will: Oft geht Joe Bell nicht allein – es begleitet ihn sein verstorbener Sohn als Projektion einer Sehnsucht. Jungschauspieler Reid Miller ist dabei faszinierend gefühlvoll und scheut nicht davor zurück, zärtlich und verletzbar zu sein. Der Film selbst, inszeniert von Reinaldo Marcus Green, dessen Oscar-Favorit King Richard demnächst ins Kino kommt, hat berührende Momente, vor allem dann, wenn Wahlberg posthume Gespräche mit seinem Sohn führt. Da wünscht man sich sehnlichst, es wäre nie so weit gekommen, und man könnte das Rad zurückdrehen. Geht durchaus nah. Sonst aber mag sich Green mit dem Thema Mobbing nicht so recht auseinandersetzen zu wollen und verlässt sich auf Wahlberg, der dem Thema entsprechen muss: Routine also auf einem gewissen Level, in vertrautem Rhythmus einer True Story aus der amerikanischen Gesellschaftschronik, betroffenheitsfördernd und sich ganz auf das Schicksal einer aufs Tragischste gebeutelten Familie verlassend, leidgeprüft wie Hiob.
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