Religiöser Werbeclip radikaler Abtreibungsgegner
Vorbemerkung: Wenn es im Vorspann eines Films heißt, dass dieser auf „wahren Begebenheiten“ beruhe, dann bedeutet dies nicht, dass alles, was im Film zu sehen ist, genau so geschehen ist, sondern es bedeutet lediglich, dass es einen Kernbestand von Fakten gibt, um den herum eine fiktionale Geschichte erzählt wird. Mit fiktional ist die freie erzählerische Ausgestaltung gemeint, dies hat nichts mit Unwahrheit zu tun, sondern mit künstlerischer Freiheit.
Der Kernbestand an Fakten im Falle von „Unplanned“:
1. Abby Johnson hat zweimal eine Schwangerschaft abgebrochen.
2. Abby Johnson hat sich zuerst ehrenamtlich für eine Klinik von Planned Parenthood engagiert, später hat sie mehrere Jahre eine solche Klinik geleitet.
3. Abby Johnson hat ihre Stelle bei Planned Parenthood gekündigt, wurde Abtreibungsgegnerin und erlangte bei entsprechenden Organisationen, die gegen Abtreibung sich einsetzen, ebenfalls eine leitende Stellung.
Diese Fakten kommen chronologisch erzählt im Film vor. Es gibt allerdings zu Beginn des Films einen Vorgriff: Es wird der Moment, in dem Johnson bei einer Abtreibung am Ultraschall assistierte, gezeigt. Sie ist vom Vorgang der Abtreibung so geschockt, dass sie sofort danach beschließt zu kündigen. Anschließend springt der Film in die Vergangenheit, es werden ihre beiden eigenen Schwangerschaftsabbrüche gezeigt und wie Abby sich ehrenamtlich bei Planned Parenthood engagiert. Hier kommt sie auch in Kontakt mit (christlich motivierten) Abtreibungsgegnern, die vor dem Zaun der Klinik protestieren, manche beschimpfen die abtreibungswilligen Frauen, andere beten und halten Mahnwache.
Die Handlung arbeitet sich – vorsichtig formuliert – holzschnittartig an den Ereignissen im Leben von Abby Johnson ab: Die Begegnung mit der Klinikleiterin Cheryl, die fortan als Bösewicht aufgebaut wird, mit einem klassischen Bösewicht-Erscheinungsbild (schwarze Haare, strenges, abweisendes Auftreten usw.). Ihr Ehemann wiederholt, dass er Ihre Arbeit nicht mag, er sie aber trotzdem liebt, eine inhaltliche Auseinandersetzung findet in den Gesprächen der Eheleute nicht statt, es bleibt rein emotional. Auch Abbys Eltern halten nicht viel von ihrem Engagement, aber auch hier gibt es keine wirklichen Gespräche mit Inhalt.
Abby Johnsons Sichtweise, die der Film ungefiltert übernimmt, ist unreflektiert und an manchen Stellen unglaubwürdig: In einer Szene untersucht Abby in Anwesenheit von Cheryl einen realen toten Embryo und ist dabei völlig ungerührt, was von Cheryl auch bewundernd festgestellt wird. Erst später wird sie dann von einer Ultraschallaufnahme eines Embryos während eines Schwangerschaftsabbruchs derart geschockt, dass sie kündigt. Wie naiv muss man eigentlich sein, wenn man eine Klinik leitet, in der u.a. Abtreibungen vorgenommen werden, aber keine Ahnung vom Vorgang selbst hat? Zu keiner Zeit im Film reflektiert Abby Johnson ihr Handeln.
Planned Parenthood, welches mit seinen Kliniken oft die einzige Anlaufstelle für einkommensschwache Menschen in den USA ist, eine Vorsorgeuntersuchung, Gesundheitstest oder andere medizinische Hilfen zu erhalten, wird auf einen gefühlskalten Konzern reduziert, dessen Geschäftsmodell in Abtreibungen besteht. Diese Sichtweise wird der Realität in keiner Weise gerecht.
Ärgerlich ist die Inszenierung der Frauen, die zur Klinik kommen, um eine Schwangerschaft abzubrechen. Sie sind nur Statistinnen im Gerangel zwischen Klinikpersonal und christlichen Protestlern vor dem Zaun. Die Anliegen oder Probleme der Frauen werden nicht behandelt. Weder die Problematik, was eine ungewollte Schwangerschaft bedeutet, noch soziale Notlagen oder inhaltliche Auseinandersetzungen spielen im Film irgendeine Rolle. Der Informationsgehalt zum komplexen Thema Schwangerschaftsabbruch inhaltlich: Nichts!
Die FSK 16-Freigabe ist klar mit der blutigen Szene nach medikamentöser Abtreibung zu begründen, in der Abby sich in ihrem Zimmer vor Schmerzen windet und das Ganze sich zu einer „blutigen Schlacht“ auswächst. Die Filmemacher hätten eine niedrigere Jugendschutz-Einstufung erhalten, wenn sie bereit gewesen wären, diese Szene zu entfernen, sie wollten aber nicht darauf verzichten. Ich vermute, diese Art von schockierenden, blutigen Bildern wird von Abtreibungsgegnern als Aufklärung (miss)verstanden.
„Unplanned“ ist ein simpel gestrickter Film, der die Ereignisse so wiedergibt, wie Abby Johnson sie in ihrem Buch schildert. Zahlreiche Einseitigkeiten und Unglaubwürdigkeiten machen den Film zu einem unreflektierten Beitrag, der keinerlei Auseinandersetzung zum äußerst komplexen Thema Schwangerschaftsabbruch und dessen Umstände bietet, sondern einzig und allein eine Aussage monoton wiederholt: Schwangerschaftsabbruch ist Sünde. Zur Machart schreibt der Filmdienst: „Die Dialoge, Geschehnisse und auch die filmmusikalische Auswahl sind uninspiriert und vorhersehbar; die inszenatorische Umsetzung ist handwerklich zwar in Ordnung, aber künstlerisch gänzlich ambitionsfrei.“
„Unplanned“ trägt nichts zur gesellschaftlich notwendigen Diskussion zum Thema Schwangerschaftsabbruch bei, sondern vertieft Gräben zwischen Befürwortern und Gegnern aufgrund seiner undifferenzierten und ideologisch gefärbten Erzählweise. Die Filmemacher Cary Salomon und Chuck Konzelmann, die bereits für die ebenso undifferenzierten „Gott ist nicht tot“-Filme verantwortlich zeichnen, haben ein weiteres naives und simpel gestricktes „faith-based-movie“ produziert, welches inhaltlich nur ärgerlich ist, weil ein so wichtiges und sensibles Thema verschenkt wird.