Kulturen sind unterschiedlich, doch Gefühle sind universell.
Die eigene Familie zu ertragen ist nicht immer leicht, doch ist vermutlich ein jeder froh darum, diese Personen bei sich zu haben, sollten schwere Zeiten anstehen. In genau einer solchen Zeit spielt die Geschichte von Regisseurin und Drehbuchautorin Lulu Wang, die mit ihrer neuen semi-biografischen Tragikomödie eine "wahre Lüge" verfilmt.
Die Geschichte zu dieser wahren Lüge handelt hierbei von einer chinesischen Familie, die ihrer Großmutter Nai Nai (Shuzen Zhao) verschweigt, dass sie nur noch wenige Monate zu leben hat. Um ihr aber dennoch die Möglichkeit zu geben, sich von ihrer Familie angemessen zu verabschieden, wird kurzerhand eine falsche Hochzeit zwischen ihrem Enkel Hao Hao und dessen japanischer Freundin Aiko organisiert. Dass die beiden sich zu diesem Zeitpunkt aber gerade erst 3 Monate daten, hält die Familie nicht ab, den Plan durchzuführen. Kurzerhand fliegen somit sämtliche Familienmitglieder aus den USA und Japan nach Changchun, um sich für die anstehende Hochzeit vorzubereiten und die letzten Momente mit Nai Nai zu verbringen.
Der Fokus des Filmes liegt dabei jedoch nicht auf Nai Nai selbst oder gar auf der ganzen Familie, sondern vielmehr auf der eigensinnigen Enkelin Billie (Awkwafina), einer Immigrantin in New York, die versucht, sich trotz einer schwierigen Beziehung zu ihren Eltern ein geordnetes Leben zwischen zwei Kulturen aufzubauen. Dabei fungiert Nai Nai als liebevolle Sicherungsleine in Billies Leben, die nach der Diagnose und der Beichte dieser zu reißen beginnt. Kurzerhand und ungeachtet finanzieller Schwierigkeiten fliegt Billie, trotz der Absage ihrer Eltern, nach China, um ein letztes Mal die ihr vertrauteste und liebevollste Person zu sehen.
The Farewell geht hierbei rund 100 min. und schafft es in dieser Zeit, vor allem durch toll geschriebene Dialoge und einen fantastisch agierenden Cast, allem voran durch Shuzen Zhao und Awkwafina, ehrlich und echt zu wirken. So schafft es das Drehbuch, die sowohl dramatische und nie zu kitschig werdende Elemente mit total skurrilen Situationen zu kombinieren. Die dabei angesprochenen Themen wie Kultur, Zugehörigkeit, Familie oder Liebe fühlen sich dadurch nie aufgesetzt erzwungen oder fern ab der Realität an.
Unterstützend zu dieser Thematik und den Themen agieren hier die Musik und die Kamera, die immer zu den passenden Momenten hervorstechen, was den ein oder anderen auch aus dem Geschehen im Film herausreißen könnte, mir persönlich aber nie negativ aufgefallen ist. Generell lässt sich sagen, dass beide Elemente sehr gezielt und bewusst eingesetzt werden und nie versucht wird, den Fokus des Publikums von der eigentlichen Handlung wegzulenken. Lulu Wang hat den Einsatz der Elemente hier tadellos gemeistert.
Zum Szenenbild selbst lässt sich noch sagen, dass wir hier anfangs die Großstadt um New York zu sehen bekommen und im späteren Verlauf des Films das sich im Wandel befindende Changchun, welches wiederum sehr schön den emotionalen und mentalen Zustand Billies begleitet und Raum für Interpretation zulässt.
Abschließend kann ich sagen, dass mir der Film sehr gut gefallen hat. Wer somit Lust auf ein Familiendrama mit komödiantischem Einschlag hat und nicht davon abgeneigt ist, Gesichter und Schauspiel auf sich wirken zu lassen und es zu interpretieren, dem kann ich The Farewell wärmstens empfehlen. Ich freue mich zumindest, ihn ein zweites Mal genießen zu können, wenn er dann auf Blu Ray erscheint.