TIERE IM HOTEL
von Michael Grünwald / filmgenuss.com
Wer hätte das gedacht: das streitlustige Kultduo, das weder ohneeinander noch miteinander kann, konnte sage und schreibe siebenmal den Oscar für den besten Kurzfilm abräumen. Dazu zählen legendäre Klassiker wie jener, in welchem Tom ein nicht ganz unproblematisches Klavierkonzert gibt. Eine Sternstunde der animierten Slapstickkunst. Mit Tom & Jerry ist man aufgewachsen – hierzulande im deutschsprachigen Raum verbindet man die beiden natürlich mit Udo Jürgens‘ Hit Vielen Dank für die Blumen. Tom & Jerry ist Fernsehkindheit der vergnüglichsten Sorte, und jedes Mal, wenn Tom am Ende das Buch zerreißt, hieß es schmerzlich Abschied nehmen. Man hätte den beiden stunden-, wenn nicht gar tagelang zusehen können. Vor allem auch deshalb, weil, egal wie sehr Tom Jerry und Jerry Tom auch eines ausgewischt hat – gerade aufgrund dieser bizarren Formen blutloser Gewalt, von denen beide niemals langfristigen Schaden nahmen, konnte die Martial Art urbaner Haustiere solche humoristischen Qualitäten erreichen.
Und es braucht auch sonst nichts, wenn man Tom & Jerry sehen will. Schon gar keine Menschen. Na gut, ab und an schiebt sich die matronenhafte Hausherrin ins Bild, maximal bis zum gerüschten Unterrock. Denn das ist die Welt der beiden Buddys – so wie die Welt der Peanuts keine Erwachsenen braucht, die sowieso nur Kauderwelsch reden. Tom & Jerry wiederum sprechen kein Wort – das verleiht ihnen den Charakter eines Charlie Chaplin oder Buster Keaton, Legenden aus der Stummfilmära. Dadurch wird ihr Treiben universell und ihre Akrobatik angenehm unkommentiert.
Aufgrund dieser Faktoren ist es schwierig, Tom & Jerry in den Kontext eines abendfüllenden Spielfilms zu zwängen und den beiden mehr als nur den gegenwärtigen Moment zu bescheren. Gut, man hat es probiert. Und mit Chloë Grace Moretz auch den menschelnden Sidekick gefunden. Die junge Dame gibt eine charmante Betrügerin, die es schafft, in einem der renommiertesten Hotels in New York unterzukommen – mit dem Lebenslauf einer anderen, viel kompetenteren Person. Ihre Aufgabe: für den reibungslosen Ablauf einer Influencer-Hochzeit zu sorgen, die alle Stückchen spielen soll. Problem dabei: Mäuserich Jerry macht es sich in den Gemäuern der edlen Immobilie gemütlich. Und Kater Tom, der in Chloë Grace Moretz‘ Dienste gestellt wird, soll seinen Erzfeind gefälligst vertreiben, denn ein Mausproblem kann man hier gar nicht brauchen.
In Sachen Plot war’s das auch schon. Ach ja, Michael Peña gibt hier noch den relativ herablassenden Eventmanager. Nettes Detail am Rande: alle Tiere, die hier auftreten, sind animiert. Doch das macht keinen Unterschied mehr: Tom & Jerry von Tim Story (The Fantastic Four, Shaft (2019)) ist ein stellenweise recht überzeichneter und wenig eleganter Familienfilm, der die gewohnten und von uns so heiß geliebten Querelen der beiden Hassliebenden in eine ungemein generische und wenig originelle Story bettet. Muss das sein? Nein, muss es nicht – letzten Enden harrt das Publikum während halbgarer Textpassagen nur geduldig dem nächsten tierischen Schlagabtausch entgegen. Gerade anfangs lässt sich Story viel zu viel Zeit und plant auch viel zu lange Sequenzen ohne jeglichen animierten Unfug mit ein.
Tom & Jerry (nicht der Film, sondern alles andere) ist etwas für Puristen – wenn man Tom & Jerry sieht, braucht man keinen Überbau, keine vorhersehbaren Geschichten mit Menschen, deren Präsenz nicht wirklich erwünscht ist. Tom & Jerry genügt sich selbst. Das wiederum war Warner Bros. nicht genug. Resümee des ganzen: Die zeitlosen Fünfminüter der beiden Fellchaoten sind und bleiben das einzig Wahre.
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