Im letzten Jahr war Ari Asters Regiedebut „Hereditary“ für mich eine wahre Horroroffenbarung, die nicht durch die typischen Horrorklischees geglänzt hat und einen eigenen Stil gefunden hat, die mehr durch ihre Atmosphäre überzeugt hat. Mit „Midsommar“ startet nun sein zweiter Film, wieder ein Horrorfilm und wieder großartig.
Vorab seinen aber all die gewarnt, die mit „Hereditary“ nichts anfangen konnten, denn „Midsommar“ ist noch einmal ein ganzes Stück unkonventioneller und definitiv kein Film für die breite Masse. Er durchbricht weitere Horrorklischees und ist auch rein stilistisch extrem untypisch für das Genre.
In „Midsommar“ geht es um Dani, die gerade erst ein grausamer Schicksalsschlag in ihrer Familie ertragen musste. Auch die Beziehung zu ihrem Freund Christian kommt an einen kritischen Punkt, der bereits seit fast einem Jahr mit ihr Schluss machen will. Schließlich reisen die Beiden aber, gemeinsam mit ein paar Freunden nach Schweden um gemeinsam in einer kleinen Gemeinde die Sonnenwende zu feiern.
„Midsommar“ hat mich auf so vielen Ebenen beeindruckt und gefesselt. Da wäre zu nächst einmal der Stil des Filmes, den anders als andere Horrorfilme spielt dieses Werk dauerhaft im Hellen. Wo andere Filme dieses Genre versuchen mit Dunkelheit so etwas wie eine Stimmung zu erzeugen, schafft Aster dies auch im umgekehrten Fall. Die Bilder wirken teilweise vollkommen surreal und unwirklich, das sie ein perfektes Bild in dieser surrealen Kommune bildet. In diesen Bildern verstecken sich zudem eine ganze Reihe von versteckten Details, die unmöglich alle zu erkennen sind oder alle zu interpretieren sind. Darin liegt eine weitere Stärke. Der Film ist extrem Detailverliebt und in jeder Schnitzerei, oder in jedem Gemälde steckt so viel Arbeit, dass „Midsommar“ zu einem der schönsten Filme, aus visueller Sicht, der letzten Jahre geworden ist. Des weiteren unterstreicht dieser Film auch mal wieder, wie wichtig Musik in Filmen ist. Bobby Krlic schafft hier einen wundervoll erdrückenden und verstörenden Score, der richtig unter die Haut geht. Schade, nur dass der Film wohl bei Preisverleihungen, ähnlich wie „Hereditary“ keine Rolle spielen wird. Dabei sticht gerade die Musik, wie auch die Kameraarbeit von Pawel Pogrozelski sehr positiv heraus. Und auch Aster hätte einen Oscar verdient und wenn es nur für das Drehbuch ist.
Allein durch den Prolog, der fast zehn bis 15 Minuten des Filmes einnimmt, schafft es Aster vollkommen in den Film zu ziehen. Hier startet er noch im Dunkel. Er baut den Schicksalsschlag auf und zeichnet dabei schon mal gleich perfekt das emotionale Grundgerüst der beiden Hauptfiguren auf, die den Hauptleidfaden des Filmes bildet. Den gerade dieser Schicksalsschlag und die Beziehung zwischen Dani und Christian ist essenziell wichtig für den Verlauf des Filmes. „Midsommar“ lässt sich in seiner Erzählung auch sehr viel Zeit und Szenen, die in kurzen Sätzen zusammengefasst werden können, streckt Aster in extreme Längen. Dennoch wirkt der Film trotz seiner enormen Lauflänge von fast 147 Minuten nie lange, oder langweilig. Viele Zuschauer werden aber gerade an diesen Stellen ihre Probleme haben. Auch damit, dass in diesem Film eben besonders viel nur durch die Atmosphäre passiert. Blut und Brutalität gibt es zwar, aber in sehr geringem Maße. Und zum Glück verzichtet der Film vollkommen auf die typischen Jumpscares. Ich kann mit dennoch vorstellen, das gerade Leute, die sich eher nur auf Horrorfilme konzentrieren, mit diesem Film wohl nichts anfangen können.
Die Figuren des Filmes sind dabei besonders interessant, den obwohl viele sehr eindimensional gehalten sind, erfüllen sie dennoch ihren Zweck fügen sich auch gut in die Thematik des Filmes ein. Gerade an den Figuren von Christian (Jack Raynor „MacBeth“, „Sing Street“) und der Figur von Marc (Will Poulter „The Revenant“, „Detroit“) wird diese Oberflächlichkeit klar,
sowie die emotionale Verstummung der Gesellschaft. Ihre Figuren sind emotional eingeschenkte Figuren, die nur ein Abbild der Moderne sind. Der Gegenpart, quasi das Gegenstück dieser Figuren ist die Kommune.
Absolut überragend ist hier Florence Pugh, die ihre Rolle der Dani wundervoll verkörpert und ihren Schmerz, ihre Sehnsüchte
und später auch ihren Wahnsinn
perfekt verkörpert. Eine wundervolle Leistung, die auch von ihrer Figur her im Kontrast zu den anderen Figuren des Filmes steht.
Kurz: „Midsommar“ ist ein unkonventioneller Horrorfilm, der Klischees aufbricht, wundervoll gefilmt und und einen tollen Score hat. In einem sehr langsamen Tempo entfaltet sich die Atmosphäre und der Schrecken, der mit interessanten Figuren gespickt ist und tollen darstellerischen Leistungen. Dabei verfolgt der Film eine zunächst einfache Handlung, die aber in so viel Detailverliebtheit mündet, in so viel Symbolik und am Ende auch viel Platz zum interpretieren gibt, wenn gleich die Hauptaussage des Films bis zum Ende hin konsequent zu Ende gebracht wird.