"Speak No Evil" von James Watkins ist ein gelungener Psychothriller, der gekonnt die Spannungskurve immer weiter ansteigen lässt bis zum nervenzerrenden Showdown am Ende. Es fängt eigentlich ganz harmlos und nett an, als sich die Daltons und die Fields in Italien kennenlernen und anfreunden. Ciara und Paddy wirken unkonventionell, frei und wie frisch verliebt. Louise und Ben wiederum sind etwas verklemmt, frustriert, unzufrieden mit ihrem Leben, und in ihrer Beziehung ist längst Alltag und Ernüchterung eingetreten. Kein Wunder also, dass sich die beiden US-Amerikaner von dem britischen Paar angezogen fühlen. Die beiden Kinder verstehen sich auch gut. Was kann da schon schiefgehen, als die Daltons Familie Field in ihrem abgelegenen Haus in Südengland besuchen gehen.
Doch dann kommt es zu immer mehr kleinen Zwischenfällen und Ungereimtheiten, die insbesondere Louise zunehmend beunruhigen. Ist Paddy wirklich Arzt, wie er behauptet? Warum schläft der Sohn in einer kleinen Dachkammer und Agnes, die Tochter der Daltons, soll auf einer Matratze auf dem Boden schlafen? Warum ist die Bettwäsche im Gästebett dreckig und hat einen Blutfleck? Louise ist Vegetarierin - warum ignoriert Paddy das und nötigt sie, Fleisch zu essen? Überhaupt wirkt Paddy immer provozierender, unterschwellig aggressiv, unberechenbar. Immer öfter verliert er die Beherrschung. Schließlich reicht es Louise und sie will abreisen. Doch der Fluchtversuch schlägt fehl und sie kehren um ...
Das Ganze ist geradlinig und konsequent erzählt, die Lage spitzt sich immer weiter zu, die Situation wird immer auswegloser und klaustrophobischer. Vor allem James McAvoy spielt seine Figur mit einer Bedrohlichkeit, wie ein Raubtier - und doch so, dass man verstehen kann, was Ben und Louise an ihm anfangs so charmant und faszinierend finden. Wäre man möglicherweise selbst auf ihn und seine Frau hereingefallen? Vermutlich ja ... Scoot McNairy als mittelalter, frisch gebackener Arbeitsloser in der Midlifecrisis, der die Kränkung über seinen Jobverlust und den Frust darüber, dass sein Leben nicht so verläuft, wie er es sich wünscht, einfach nicht überwinden kann, ist ebenfalls überzeugend. Toll ist auch Mackenzie Davis als etwas hochgeschlossene, reservierte, nervöse Mutter, die aber gleichzeitig das Herz am richtigen Fleck hat und plötzlich Mut und Entschlossenheit entwickelt, wenn's drauf ankommt. Aisling Franciosi als Ciara wechselt gekonnt zwischen feengleicher, anmutiger Schönheit, leidenschaftlicher Liebhaberin, Komplizin und Opfer. Und die beiden Kinder spielen ebenfalls richtig gut.
Fazit: Stimmige Atmosphäre, gelungener Spannungsaufbau, konsequent erzählt - so muss ein Psychothriller sein. Empfehlenswert!