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    Pelikanblut - Aus Liebe zu meiner Tochter
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    BrodiesFilmkritiken
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    11.047 Follower 4.944 Kritiken User folgen

    3,5
    Veröffentlicht am 27. April 2021
    Bei diesem Film wurde ein ständiger Vergleich mit „Systemsprenger“ gezogen, der aber wohl nur darin zu finden ist daß es in beiden Filmen um verhaltensauffällige Kinder geht. Allerdings hat diese Version ganz andere Ansätze und eine ganz andere Richtung: hier durchlebt man eine lange, filmische Tortur wenn man den Alptraumweg den Nina Hoss gehen muß miterlebt. Sie gibt eine starke und glaubwürdige Frau ab die das Gute will, aber rat und hilflos mitansehen muß wie ihr kleines Mädchen stetig schlimme Dinge tut. Das atmosphärisch dichte Drama kippt dabei zum Ende hin in ein anderes Genre welches man so wohl nicht erwartet hätte – aber das macht es nicht schlechter. Dies ist die Form von einem unscheinbaren, kleinen Film auf den man sich einlassen muß. Tut man dies kann aber eine große Überraschung warten.

    Fazit: Unscheinbar wirkend, aber doch voller Kraft und unerwartetem Kurswechsel zum Ende hin!
    FILMGENUSS
    FILMGENUSS

    711 Follower 942 Kritiken User folgen

    3,5
    Veröffentlicht am 12. April 2021
    MACH MICH FERTIG, KINDERSEELE
    von Michael Grünwald / filmgenuss.com

    Manchmal ist man beim Nachwuchs mit seinem Latein am Ende. Die Nerven liegen blank, es kribbelt der kreisrunde Haarausfall und alle errungenen Erkenntnisse zur pädagogisch richtigen Erziehung sind plötzlich wie weggeblasen. Liegt natürlich auch am eigenen hausgemachten wie auch immer gearteten Stress. Dazu kommt der Kinderstress – und die Fetzen fliegen. Am Kind sieht man erst, wie Menschen überhaupt ticken, was sie quält und motiviert. Am Kind sieht man aber auch das eine oder andere Mal, wie sehr magisches Denken die Grenze zwischen Realität und Imagination verschwimmen lässt. Da kann es manchmal sein, dass Kinder einem wirklich das Gruseln lehren. Denn diese, so Berichten aus dem Kindergarten zufolge, sehen immer wieder mal Dinge, wo gar keine sind. So, als hätten sie das Füßchen in der Tür zu einer anderen Dimension, die sich für uns Erwachsene längst geschlossen hat. Kann sein, dass diese Tür im hohen Alter wieder aufgeht. Zwischendurch aber ist das Hier und Jetzt schwierig genug. Keine Zeit für Metaphysisches. Vielleicht auch, weil es die Welt, wie wir sie verstehen, über den Haufen werfen würde.

    Mit Systemsprenger hat Pelikanblut, der letztes Jahr im Rahmen von Flash – dem Wiener Festival des phantastischen Films – zu sehen war, alleridngs nur sehr wenig gemein. Nora Fingscheidt erzählt ihren Film um die schwer erziehbare Helena Zengel aus einem ganz anderen Blickwinkel, bleibt beobachtend, dokumentarisch. Katrin Gebbe (u. a. Tore tanzt) hingegen geht da noch einen Schritt weiter und schickt ihr Problemkind auf einen Survivaltrip durch die emotionale Postapokalypse. Dabei hat das fünfjährige bulgarische Mädel das Riesenglück, von Nina Hoss adoptiert zu werden, die im Film eine idealistische, alleinstehende Pferdetrainerin namens Wiebke gibt. Allein auf weiter Koppel will sie sich scheinbar selbst davon überzeugen, den fehlenden Vater spielerisch kompensieren zu können, indem sie mit Raya ihr zweites Kind adoptiert.Die Freude über das zusätzliche Mutterglück weicht aber bald zähneknirschendem Abklopfen der eigenen erzieherischen Fähigkeiten, als der zugegeben nicht sehr sympathisch wirkende Blondschopf anfängt, die Einrichtung zu demolieren und in rasender Wut sogar das Kinderzimmer abzufackeln. Wiebke sieht sich gezwungen, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen – Experten raten ihr, das Kind in eine entsprechende Einrichtung zu geben. Zum Leidwesen der Erstadoptierten bringt es Mama aber nicht übers Herz und greift dabei lieber zu allen anderen möglichen Mitteln, um das scheinbar irreparable Defizit des gestörten Kindes auszugleichen.

    Mitunter stelle ich durchaus in Zweifel, dass die Beweggründe zu Mamas rücksichtsloser Übersteigerung der eigenen Alltagskapazitäten nicht dafür gedacht waren, die erdadoptierte Mustertochter in ihrer Einsamkeit nicht verzweifeln zu lassen. Die hätte den Zuwachs am allerwenigsten nötig gehabt. Und natürlich: erziehungstechnisch ist bei Nina Hoss‘ Mutterfigur noch reichlich Luft nach oben, und man wundert sich manchmal gar nicht, dass manche Dinge so dermaßen aus dem Ruder laufen. Doch bei welchem Elternteil, mich nicht ausgenommen, wäre das anders. Die meisten von uns sind schließlich keine Pädagogen. Irgendwann aber ist in Pelikanblut der Punkt erreicht, an welchem der Film das herkömmliche Kinderzimmer verlässt und eine ganz andere Richtung nimmt. Ich will nicht sagen die des Horrorfilms, denn Horror wäre zu hoch gegriffen. Viel eher würde ich Pelikanblut vor allem in der zweiten Hälfte als dem Subgenre des Gothic-Grusels verwandt sehen, allerdings auf eine romantisierte Art und Weise, fast wie aus einem Roman von Daphne Du Maurier, die in ihren Werken stets immer mehr angedeutet als explizit ausformuliert hat. Das finden wir auch in Katrin Gebbes Film als eine beunruhigende, metaphysische Komponente, allerdings nahtlose eingebettet in einen soliden Realismus, der klassischem Kinderhorror wie Das Omen den Rücken kehrt. Ein gewagter und geglückter Genre-Sampler, der so sicherlich noch nicht da war.
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    Filmdoktor
    Filmdoktor

    7 Follower 46 Kritiken User folgen

    3,5
    Veröffentlicht am 14. Mai 2021
    Von Pferden und Menschen, oder: Trauma, Schmerz und Liebe -

    Auf dem Reiterhof der alleinstehenden Wiebke trainiert eine Reiterstaffel der Polizei ihre Pferde für den Einsatz in Konfliktsituationen. Die Pferde müssen lernen mit Gefahren wie Feuer, extrem lauten Geräuschen und fahnenschwenkenden Menschen umzugehen. Wiebke zeigt einer jungen Polizistin, wie sie das Vertrauen des Pferdes gewinnt, zugleich aber die Oberhand und Kontrolle behält. Um Vertrauen und ein gewisses Maß an Oberhand geht es auch beim Zusammensein von Eltern und Kindern. Da Wiebke als alleinlebende Frau in Deutschland kaum Kinder adoptieren kann, bemüht sie sich in Bulgarien darum. Die neunjährige Nicolina lebt nun schon einige Jahre ein normales Leben auf dem Reiterhof, nun kommt die fünfjährige Raya hinzu. Schon bald zeigt Raya nicht nur Aggression gegen sich und andere, sondern übt lebensgefährliche Gewalt aus, indem sie z.B. Feuer legt. Der hinzugezogene Kinderpsychologe rät zur Unterbringung in einer speziellen Betreuungseinrichtung, aber Wiebke will nicht aufgeben, will Raya nicht wieder das Gefühl geben, im Stich gelassen zu werden. Dafür nimmt sie in Kauf, immer isolierter zu leben und dass weiterhin Gefahr für die Umgebung vom Handeln Rayas ausgeht.

    Im Kern ist "Pelikanblut" ein Drama über Mutterliebe und den Kampf um die Seele eines schwer traumatisierten Kindes. Durch die unkontrollierten Handlungen Rayas und durch düstere Inszenierungsformen enthält der Film auch Horrorelemente, wird aber niemals ganz zum Horrorfilm. Die Konzentration auf den Umgang mit Pferden und weitere Tiersymbole lassen eine archaisch-mythische Deutungsebene erkennen, die im Laufe des Films immer mehr an Raum gewinnt und die Existenz von Dämonen und einer nicht vollständig kontrollierbaren Geisterwelt nahelegt. Die spät im Film auftauchende Schamanin wird zu einem archaischen Gegenentwurf des Kinderpsychologen und die technisch-medizinischen Untersuchungsmethoden aufgebaut, ohne dass eine endgültige Wertung zwischen Wissenschaft und archaischem Ritual erfolgt. Ob für Raya in einer Pflegeeinrichtung mit professioneller Behandlung nicht Heilung möglich gewesen wäre, bleibt offen.

    Die Regisseurin Katrin Gebe hat mit ihrem ersten Film "Tore tanzt" bereits verschiedene Genres gemischt und ein nicht ganz leicht erträgliches Drama geschaffen, welches mit der Idee des Märtyrers umgeht. In "Pelikanblut" nun ist es das Bild vom mütterlichen Pelikan, welches durch das eigene Blut die Kinder nährt und Leben lässt. Ein Bild, welches auch als Deutung von blutiger Passion und Auferstehung im Christentum verwendet wird. Im bulgarischen Kinderheim wird Wiebke damit kurz konfrontiert. Wie weit geht eine menschliche Selbstaufopferung? Was kann auch gegenüber Dritten verantwortet werden? Denn durch die vollständige Konzentration auf Raya wird Wiebke neben der ersten Tochter Nicolina auch dem ehrlichen Bemühen des Polizisten Benedict nicht gerecht, vernachlässigt schließlich auch ihren Beruf.
    Hervorragende Schauspieler und eine eindringliche Inszenierung verhindern nicht die Irritation, welche die Mischung aus Beziehungsdrama, Traumaanalyse, Horrorelementen, Tiersymbolik und archaischer Ritualen und Vorstellungen beim Betrachter hinterlässt.

    "Pelikanblut" ist auf den ersten Blick das Drama einer Mutter, die um die "Rettung" ihres Kindes kämpft. Durch zahlreiche Symbole, Horroanleihen und archaische Mythen gräbt der Film aber tiefer und erzeugt bei aller Faszination auch Ratlosigkeit. Inszenierung, Schauspieler und Thema lohnen aber definitiv der Auseinandersetzung und können starken Eindruck hinterlassen.
    Cursha
    Cursha

    6.978 Follower 1.052 Kritiken User folgen

    4,0
    Veröffentlicht am 15. August 2021
    Als Systemsprenger vermarktet, finde ich dieser Film hat mehr mit "Hereditary" gemein. Die Darsteller sind klasse, allen voran Nina Hoss. Der Look ist super und die Chemie zwischen den Figuren passt ebenso. Der Aufbau ist gruselig, ertrügend und beunruhigend und gerade in der ersten Hälfte entfaltet sich der Film fantastisch. Die zweite Hälfte ist ebenfalls sehr gut, dennoch find ich die Auflösung des ganzen sehr fragwürdig. Das Ende ist etwas enttäuschend für die zwei Stunden Spannung zuvor. Dennoch ist "Pelikanblut" ein verdammt guter deutscher Horrorfilm geworden!
    Christian Alexander Z.
    Christian Alexander Z.

    144 Follower 778 Kritiken User folgen

    0,5
    Veröffentlicht am 16. Juli 2022
    Die Erwartungen waren groß - und wurden gründlich enttäuscht. Eine traurige nicht nachvollziehbare Geschichte wird erzählt. Und das in Degeto- Art, nur eben länger als die üblichen 90 Minuten. Und dazu der Cast, total fehl-platziert Adelia-Constance Giovanni Ocleppo als Schwester. Ich hätte ihn nach 45 Minuten ausgeschaltet, meiner Frau zu Liebe aber bis zum Ende durchgehalten. Dafür wurden 550.000€ Steuermittel ausgegeben, ohne Worte!
    Un Artige Bilder
    Un Artige Bilder

    4 Follower 115 Kritiken User folgen

    1,0
    Veröffentlicht am 10. April 2023
    Unterirdisch schlecht inszeniert stolpert die Story von einer Logiklücke zur nächsten.
    Der einzige Dumme ist (im Film) der verliebte Polizist und am Ende der Zuschauer
    (quasi zwei Stunden vergeudete Lebenszeit) !

    Deutscher Gartenzwerghorror vom Feinsten - darauf hat die Welt nur gewartet.
    Der Siegemund
    Der Siegemund

    19 Kritiken User folgen

    4,0
    Veröffentlicht am 13. November 2022
    Die alleinstehende Wiebke, die ein Ausbildungsgestüt für Polizeipferde betreut, entscheidet sich zusätzlich zu ihrem aus Bulgarien adoptierten Tochter Nika, noch ein weiteres Mädchen namens Raya aus Bulgarien zu adoptieren. Das kleine blonde Mädchen namens Raya ist niedlich, doch es dauert nicht lange bis sie eine zweite sehr unangenehme Persönlichkeit zeigt. Der Film, wie auch die kleine Schauspielerin, schaffen das so gut herüberzubringen, dass das psychologisch realistische Verhalten des Mädchens einen Schauer beim Zuschauer verursacht, ohne dass es dafür übernatürlicher Elemente bedürfte, wie in gewöhnlichen Horrorfilmen. Das entspricht leider nicht den Erwartungen des stereotypischen Horrorfilm-Konsumenten und so ist der Film an ein verständiges Publikum gerichtet, welches außerdem out-of-the-box denken kann.

    Wenn man berufliche Erfahrungen mit solchen Kindern hat, dann lassen sich sofort ein paar typische Verhaltensweisen an dem Mädchen wiedererkennen. Raya versteckt Essen, wahrscheinlich weil sie Angst hat zu kurz kommen. Sie hat wohl Erfahrungen gemacht, dass man ihr Essen gestohlen hat oder man sie mit dem Entzug von Essen bestraft hat. Es fällt zudem auf, dass sie ohne wirklichen emotionalen Ausdruck ist, auch wenn sie das Gegenüber spiegeln kann. Das wirkt nicht wirklich empathisch und täuscht über die fehlende echte Empathie hinweg, es ist einfach nur ein Spiegeln und fällt dem flüchtigen Beobachter nicht auf. Bei Provokationen ist sie nicht zur Empathie oder zum Perspektivwechsel möglich, zeigt keine emotionale Regung. Negative bzw. hemmende Impulse scheinen jede Empathie oder Moral unmöglich zu machen, wie etwa bei Jack aus "Systemsprenger". Bei einem fünfjährigen Kind ist die Empathieentwicklung zwar noch auf einem niedrigen Stand, aber ein solch psychischer Schaden wie bei der Bindungsstörung oder dem Urvertrauen ist selbst in einem Alter von 5 Jahren schwer reparabel, weil es bereits zur Verkümmerung der Amygdala gekommen sein kann.

    Wiebkes Ansatz ist ein sehr authentischer, empathischer und responsiver, im Prinzip also nach pädagogischen State-of-the-Art. Sie lässt Raya ankommen und sich emotional austoben, ausverwahrlosen, Sicherheit gewinnen, denn sie setzt zwar Regeln, aber reagiert humorvoll auf Verletzungen und Provokationen. Wiebke überträgt ihr Verhalten vom Umgang mit Pferden, die als Fluchttiere gelten, auf das Kind und kommt damit weiter als jeder andere zuvor. Zuerst muss eine Beziehungsbildung stattfinden, da solche Kinder und Jugendliche mangelndes Vertrauen haben und gewohnt sind, dass man sie sofort wieder los werden will. Sie haben Angst einen Fehler zu machen und weggeschickt zu werden, also kommunizieren sie auf diese Weise damit, dass sie Ansagen machen zu was sie fähig sind. Das klingt paradox, aber sie wollen die Reaktion des Gegenübers testen, ob dieser mit Gewalt oder Abscheu reagiert. Sie wollen Sicherheit gewinnen um das Verhalten von anderen einschätzen zu können. Wiebke reagiert genau richtig, ignoriert es am Anfang, macht Scherze, dann reagiert sie mit sanften Ansagen, um dem Gegenüber mitzuteilen, dass etwas unangenehm ist. Das tut sie aber nicht auf aggressive Weise oder mit Du-Vorwürfen und Verurteilungen. Es reicht dem Gegenüber eine Ich-Botschaft zu senden, wie man sich selbst fühlt. Der Tester will eine Sicherheit bekommen, dass es nichts falsch machen kann bzw. die Reaktion nicht gefährlich ist.

    So weit so gut, das funktioniert bei leichten und mittelschweren Fällen von Dissoziation noch ganz gut, wodurch man Erziehungsziele und Entwicklungsschritte erreichen kann, aber bei Raya lassen sich keinerlei Reaktionen auf Ich-Botschaften erkennen - keine - also weder gehässig noch bedauernde. Dies ist schon ein Warnzeichen. Bei meiner praktischen Arbeit konnte ich einen Jungen in der Grundschule beobachten. Dieser hatte keine Probleme einen anderen Jungen über die Brüstung zu stoßen, wenn er nicht rechtzeitig gestoppt worden wäre. Auch wenn jemand sich verletzt hat und er daran Schuld war, hat man keine Gefühlsregung gesehen, kein Zweifel, keine Gewissensregung, einfach gar kein Gesichtsausdruck in seltenen Fällen einen subtilen Ausdruck der Genugtuung. Er reagierte genauso wenig auf Ich-Botschaften.

    Raya soll nun in den Kindergarten. Hier merkt man ihr schon an, dass sie zögert und unsicher wirkt. Schon wieder soll sie woanders hin, kann man nicht davon ausgehen, dass die Bindung zwischen Raya und Wiebke überhaupt schon so sicher ist, dass Raya glaubt, dass Wiebke wieder zurückkommt. Weil das Kind schon 5 Jahre alt ist, kommt man in dem Kindergarten auch nicht auf die Idee eine Bindungs-Eingewöhnung zu machen, die über Wochen gehen kann. "Vielleicht ist sie noch nicht so weit" sagt Wiebke und schon springt Raya los zu den anderen Kindern, was nicht lange gut geht.

    Auf eine sehr interessante Art verbindet der Film den pädagogischen Anspruch von "Systemsprenger" mit dem Horror von "Ich seh‘, ich seh‘", also die Verbindung von Horror und echten psychologischen Entwicklungsstörungen. Raya wurde im Alter von eineinhalb Jahren neben ihrer toten Mutter gefunden. Die Mutter war eine Prostituierte, die von einem Freier getötet wurde. Er hat das kleine Mädchen einfach neben ihr sitzen lassen, wo sie ein paar Tage danach gefunden wurde. Es ist also kein Wunder das Raya ein Trauma erlitten etwa durch eine Ohnmachtssituation wegen der Gewalt an der Mutter, die sie nicht stoppen konnte und weil sie nicht wusste, dass ihre Mutter daraufhin tot war. Sie fühlte sich von ihrer Mutter verlassen, weshalb das Urvertrauen beschädigt ist.

    Ein Psychologe muss eingeschaltet werden. Wiebke versteht zwar die Erklärungen und Analysen des Psychologen, nimmt durchaus Erkenntnisse mit, aber sie nimmt die Warnungen nach einer professionellen Distanz nicht ernst. Wenn ein Kind erst einmal das Urvertrauen wegen dem Tod der primären Bindungsperson verloren hat, dann ist dies mit Hilfe der Mittel im Kinder- und Jugendhilfe-Systems schwer zu reparieren. Auf diese Weise entstehen sog. Systemsprenger. Auch das Urvertrauen von Jack in „Systemsprenger“ ist zerstört, weil die Mutter ihr Kind loswerden wollte, da sie der Situation nicht gewachsen war. „Systemsprenger“ und „Pelikanblut“ haben also mehr gemeinsam als es auf den ersten Blick scheint.

    Weil das System der Familienhilfe hier sehr schnell an seine Grenzen gelangen kann, entscheidet Wiebke die Verantwortung ganz auf sich zu nehmen. Ihr Idee, das Urvertrauen Rayas durch Stillen wiederherzustellen und sie als Tragling auf dem Rücken zu tragen scheint sehr ungewöhnlich, doch genau das ist es, was beim Tod der primären Bindungsperson () für Raya verlorengegangen ist. Ich halte diese Therapieidee für eine, die tatsächlich Wirkung zeigen kann, weil sie die primäre Bindungsperson ersetzt und neues Vertrauen aufbaut, nur ist das Stillen und Tragen einer bereits 5-jährigen mit einem krassen körperlichen Einsatz für die Stillende verbunden. Ein anderes Problem ist, dass primäre Bindungspersonen nach dem ersten Lebensjahr eben nicht so einfach zu ersetzen sind.

    Ich weiß nicht, ob es dazu Forschungen gibt, aber ich vermute keine, da man eine Person finden muss, die solche Strapazen auf sich nehmen muss. Die Strapazen spiegeln sich im metaphorischen Filmnamen wieder: "Pelikanblut" nimmt mit dem Titel Bezug auf Pelikane als häufig verwendetes Motiv der christlichen Ikonographie. So öffnet sich dieses Tier, nach dem frühchristlichen Überlieferungen, mit dem Schnabel die eigene Brust, um mit dem daraus tropfenden Blut die toten Jungen wieder ins Leben zurück zu holen. Dies kann als Allegorie für die aufopfernde Liebe und Glauben der Mutter gewertet werden.

    Ein Pelikan. Am Ida litt mit seinen Jungen
    Des Orkus Durst. Der Hyderzahn
    Des Tods, mit dem sie lang gerungen,
    Durchwühlt ihr Mark. Von Harm durchdrungen,

    Sieht er verstummt die ganze Brut,
    Mit hohlem Aug und heiserm Ächzen,
    Nach einem Tropfen Wassers lechzen.
    Itzt bricht sein Herz, voll schöner Wuth

    Reißt er mit der gestählten Spitze
    Des Schnabels eine tiefe Ritze
    Sich in die Brust, und spritzt sein Blut
    Den Kindern in die dürre Kehle
    Sie trinken froh den Purpursaft

    - Gottlieb Konrad Pfeffel

    Ist Wiebkes Urvertrauen-Therapie nicht so unerhört genug, wendet sie sich noch an einer slawischen Schamanin namens Tanka. Man muss sich hier wirklich die Frage stellen, ob ein solches schamanistisches Ritual nicht wirklich einen therapeutischen Schlusspunkt setzen könnte. Natürlich widerspricht diese Herangehensweise jeder aufgeklärten wissenschaftliche Therapie, aber unter Umständen wurden dem Kind Rauschmittel verabreicht, die im Imstande sind die Amygdala zu stimulieren, also genau dort anzusetzen wo die Gehirne von Kindern mit gestörtem Urvertrauen neurologische Schäden aufweisen.

    In den frühen schamanischen Kulten waren durchaus fundierte psychologische und psycho-pharmakologische Kenntnisse vorhanden, was auf keinen Fall dazu verleiten darf, sie der aufgeklärten Wissenschaft vorwegzunehmen, aber in einigen Fällen konnte man schamanisches Wissen von Medizinmännern im Amazonasgebiet, Afrika oder Neuguinea für die Entwicklung potenter Medikamente nutzen. Besonders Pilze scheinen unglaubliche Heilkräfte zu haben, beruht letztlich Penicillin auf dem Pilz des Mutterkorns. Es ist nicht auszuschließen, dass Raya Substanzen verabreicht wurden, entnommen aus der Natur, die entweder Amphetaminen oder LSD ähneln und heute in Form von Derivaten in der Psychiatrie schon als Psychopharmaka eingesetzt werden. Bestimmte Psychopharmaka können zwar das elektro-bio-chemische Gleichgewicht im Gehirn wiederherstellen, aber es braucht zusätzlich eine längere Therapie um ungünstige Verhaltens- und Denkmuster gegen vorteilhafte auszutauschen. Im Falle von Raya ist eine stabile primäre Bezugsperson eingesprungen, die zu dem Kind hält, egal was es getan hat.

    Es ist schwierig ein Fazit über einen Film zu ziehen, der so unerhört am normalen Verständnis der meisten Menschen vorbeigeht und dabei die Schulmedizin sowie die Psychologie auszustechen scheint, obwohl die Erzählung eigentlich nicht gegen die Schulmedizin oder Psychologie ausgerichtet ist. Wie krass Kinder mit psychischen Störungen sein können zeigt „Systemsprenger“ noch so, dass es für Laien verständlich ist, aber auch ein Verhalten wie bei Raya in „Pelikanblut“, gibt es auch und wenn man solchen Kindern begegnet, kann das schon manchmal eine gruselige Atmosphäre erschaffen.
    Jasmin
    Jasmin

    4 Kritiken User folgen

    5,0
    Veröffentlicht am 16. März 2023
    Das ist einer der besten Filme die ich je gesehen habe.
    Nina Hoss ihre Schauspielerische Leistung ist der Wahnsinn.
    spoiler:

    Meine persönliche Meinung ist das am Ende des Filmes gezeigt wird das die Liebe einer Mutter das wichtigste ist weil, sie war die einzigste die an Raya geglaubt hat und sie hat es ja dann auch am Ende geschafft.
    L P
    L P

    6 Kritiken User folgen

    3,0
    Veröffentlicht am 12. April 2023
    Reizüberflutung ist ein großes Thema dieses Films, denn man weiß gar nicht, wen man mehr hassen soll: Das vollkommen gestörte, hysterische Rotzgör oder die fast schon lächerlich grenzdebile und von sämtlichem guten Menschenverstand restlos verschont gebliebene Mutter. Beide sind nur sehr schwer zu ertragen, was auch durch die halbwegs vernünftig agierenden Nebenfiguren nicht vollends kompensiert werden kann.
    Auf jeden Fall wissen die Darsteller(innen) jedoch zu überzeugen - derart viel Abscheu haben schon lange keine fiktiven Charaktere mehr in mir hervorgerufen. Das gilt besonders für Kinderdarstellerin Katerina Lipovska, die ihr Handwerk schon jetzt fabelhaft beherrscht. Respect the actor - hate the character, wie man so schön sagt!
    Pelikanblut ruft also definitiv Emotionen hervor. Für einen Horrorfilm allerdings wie gesagt mehr Frust- und Facepalm-Momente als Grusel oder Ekel. Wer sich wie ich zwei Stunden lang über menschliche Dummheit unter dem Deckmantel der Fürsorge aufregen will, ist damit gut beraten, alle anderen sollten zum ähnlichen, aber doch eine Spur unheimlicheren US-Pendant Orphan greifen, der obendrein mit einem befriedigenderen Ende aufwartet.
    Kino:
    Anonymer User
    2,0
    Veröffentlicht am 24. September 2020
    "Systemsprenger" trifft "Der Exorzist" - nur inkonsiquent, und unlogisch.

    Nachdem ich selber "Systemsprenger" gesehen habe und begeistert war, habe ich mir ähnliches von diesem Film erhofft.
    spoiler: Meine Erwartungen wurden auch Erwartungen wurden auch bis zum zweiten Drittel des Filmes erfüllt. Eine Mutter, die um ein schwer gestörtes Kind mit allen Mitteln und auch mit Merkwürdigkeiten kämpft. Sehr bewundernswert auch gespielt von Nina Hoss. Im letzten Drittel mutiert die Story aber zur reinen Farce. Das Kind ist plötzlich nicht mehr krank, sondern besessen. Ein "Twist" den man nicht kommen sieht, weil er schlicht unlogisch ist. Wenn man auf dieses Pferd setzt (bei diesem Film ein echtes Wortspiel), dann muss man das auch schon glaubhaft in Andeutungen und Bedrohlichkeiten, die nicht mehr mit Logik zu erklären sind, im vorherigen Verlauf andeuten. Sei es auch mit Musik. Aber nichts der gleichen. So wird die Auflösung gerade zu schwachsinnig. Was gibt das auch für eine Botschaft an Eltern in ähnlichen Situationen?`Holt den Exorzisten oder eine alte Schamanin?? Und eine weitere, EXTREM unlogische Situation ist das Setting. Da wimmelt es auf dem Hof nur so von Polizisten (und einer ist sogar der mögliche, zukünftige Partner) und KEINER informiert mal das Jugendamt o.ä. Es war so viel sinnvoller gewesen, das emotionale Defizit des Kindes mittels der Verbundenheit zu den Pferden zu lösen. Das hätte was gehabt.


    Systemsprenger ist völlig zu Recht ein mehrfach ausgezeichnetes Machwerk; dieser Film ist weder Fisch und Fleisch und ist einer der Film, die man später bei einem Streaming-Anbieter sieht, wenn man alles andere durchhat.
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