GEBT BATMAN DIESE SKILLS!
von Michael Grünwald / filmgenuss.com
Spielt es in den Kinos der DC-Metropole Gotham eigentlich Marvel-Filme? Nehmen wir mal an, dem ist so. Und eines schönen Tages, während Joker & Co auf Urlaub sind und Bruce Wayne sonst nichts anderes zu tun hat, möchte dieser mal ins Kino gehen, daher blättert er in der von Butler Alfred überbrachten Tageszeitung und stößt dabei auf einen Film namens Morbius. Interessant, wird er denken, das ist ein Wissenschaftler, der zur Fledermaus wird. Ich bin zwar kein Wissenschaftler, denkt er weiter, dafür aber steinreich. Die Kinokarten werde ich mir noch leisten können, also sehe ich mir diesen Morbius mal an. Und dann sitzt er im dunklen Saal und es frisst ihn der Neid angesichts dieser atemberaubend nützlichen Skills, die ein jesusgleicher Jared Leto so an den Tag legt. Da weiß man gar nicht, welche dieser Fähigkeiten man lieber hätte. Batman würde sie alle wollen, und es verzehrt ihn danach. Nur leider: das ist das Marvel-Universum. Echo-Ortung, sensibles Gehör und das Gleiten auf Luftströmungen kann sich der Millionenerbe maximal als technischen Schnickschnack um die Hüften binden.
Morbius hat diesen ganzen Bauchladen an pfiffigen Extras gleich in seiner Biologie. Aber natürlich auch nicht von Geburt an, wir haben es schließlich mit einem Menschen zu tun, der von Kindertagen an eine nicht näher erläuterte Blutkrankheit auf Krücken mit sich herumschleppen muss. Im Internat von damals lernt das technische Genie einen Kommilitonen namens Loxias (oder Milo) kennen, der unter derselben Krankheit leidet. Beide verbindet von da an eine intensive Freundschaft. 25 Jahre später ist Morbius dem Blut der mittelamerikanischen Vampirfledermaus auf der Spur – warum auch immer. Morbius nimmt an, dies könnte seine Krankheit heilen. Von mir aus, soll er‘s versuchen. Und er tut es. Ganz klar, was dann passiert. Der kränkliche Doktor mutiert zur blutsaugenden Bestie, also quasi zum Vampir mit einer ganzen Latte spitzer Zähne und einer schaurigen Gesichtsphysiognomie, die zu Tage treten, wenn der Mutant Hunger hat. Sein Freund Loxias will das auch, bekommt’s aber nicht, weil man menschliches Blut nicht einfach so im Supermarkt kaufen kann. Zum Glück gibt’s Kunstblut, aber wer will das schon? Loxias ist aber nicht von gestern, macht einen auf Langfinger und kommt an das Serum heran. Und zack: haben wir zwei Vampire, die sich einen Film lang in den Haaren liegen, bestaunt vom FBI, dass zur Staffage verkommt.
Da es sich um eine (Anti)helden-Genese handelt, ist natürlich auch sofort klar, wie das Gekloppe enden wird. Angestrengt haben sich die vier(!) Skriptautoren wahrlich nicht. Was für ein müdes Drehbuch, was für eine schale Story. Anscheinend ist man von Venom: Let There Be Carnage als Grundlage ausgegangen und hat nur einige wenige Parameter verändert. Marvels Stiefbruder Sony, der ja unbedingt sein eigenes Superhelden-Dings durchziehen will, anstatt dass er seine Handvoll Figuren in die Hände von Kevin Feige legt, würde das vielleicht gerne, fühlt sich dann aber in seinem Stolz verletzt. Also macht Sony eben Filme, die vom Reißbrett sind, und die den Besitz sämtlicher Figuren aus dem Spider-Man Universe legitimieren sollen. Mit Herzblut dabei zu sein, ist etwas ganz anderes. Und da sowieso alle wissen, dass Morbius jetzt nicht wirklich der Brüller unter den Comicverfilmungen ist, sucht man den Ausgleich in der Postproduktion, will heißen: CGI wird’s schon richten. Glücklicherweise tut’s das auch, sonst wäre Morbius ein Totalausfall. Das Morphing der Gesichter von Jared Leto und Matt Smith ist State of the Art, die Fights zwischen Gut und Böse emanzipieren sich mit ihren spärlich gesäten, geschmackvollen Bullet Times vom generischen, oft in abstrakten Schlieren aufgelösten, mitunter langweiligen Getöse, in dem nichts mehr zu erkennen ist. Unter demselben Problem musste auch der letzte Venom leiden. Wird Zeit, dass endlich Spider-Man (in welcher Version auch immer) von der Wand springt und die Gelegenheits-Antagonisten aus der zweiten Reihe auf ein reizvolles Level hebt.
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