Til Schweiger liefert uns in seinem neuem Machwerk erneut eine filmische Nahtoderfahrung zum Fremdschämen mit sehr penetranten Produktplatzierungen.
Für Alle, die es noch nicht wissen: Der Vorgänger „KLASSENTREFFEN 1.0“ und diese Fortsetzung sind Neuverfilmungen einer erfolgreichen dänischen Komödientrilogie, die in Deutschland nie veröffentlicht wurde.
Das Original: Das dänische Original hierzu heißt „KLASSEFESTEN 2 – BEGRAEVELSEN“. BEGRAEVELSEN = Begräbnis; hier steht das turbelente Begräbnis im Vordergrund und nicht die folgende Hochzeit. Sänger und Musikproduzent Tommy wird demnächst heiraten und sein Junggesellenabschied wird vorbereitet. Nebenbei ist er neurotisch, weil sein neues Album bei Kritik und Publikum ganz schlecht ankommt. Der getrennt lebende Andreas ist auf der Suche nach einer neuen Lebenspartnerin und scheitert beim Speed-Dating. Niels erfährt beim Junggesellenabschied auf der Bowlingbahn, dass seine Frau Jette einen Seitensprung mit dem Draufgänger Torben hatte, der ausgerechnet dort auf dem Klo verstirbt. Auf Torben´s Beerdigung landet das Trio in der falschen Trauerfeier und zieht mit seinem Trauerkranz wieder ab. In der Trauerhalle öffnen sie den Sarg, um den sprichwörtlichen Riesenpenis des Verstorbenen zu inspizieren; bei der Flucht vor der Pfarrerin schlagen sie ihr aus Versehen mit einer aufgestoßenen Tür die Nase ein und die Hochzeit muss auf den nächsten Tag verschoben werden, an dem auch Tommy heiraten soll. In der Nacht will sich Tommy an eine Musikbloggerin heranbaggern, um bessere Kritiken zu bekommen. Niels f*ckt sie anschließend unter dem Einfluss mehrerer starker Viagra richtig durch, kommt nicht mehr aus ihr heraus und sie müssen sich auf der Suche nach Öl in einem Zebrafell in die Küche manövrieren. Wir lernen noch ein Stripper-Duo kennen, das irrtümlich auf der Trauerfeier auftritt anstatt bei unserem Trio. Schließlich fällt bei der Beerdigung aus Versehen das Kästchen mit den Trauringen ins Grab und muss unter dem Sarg geborgen werden. Zur Hochzeit kommen sie zu spät aber die Liebe triumphiert über alles Andere.
Die Handlung ist sehr seichter Klamauk, sehr makaber, sehr schmutzig, politisch unkorrekt und sehr unterhaltsam. Da alle drei Männer ihre Stärken und auch ihre Schwächen haben, wirken alle drei sympatisch. Die Darsteller spielen augenzwinkernd und hingebungsvoll; niemand nimmt sich ernst. Das Tempo stimmt.
Die Neuverfilmung von Til Schweiger: Interessanterweise versucht Til Schweiger, sich durch eine Umbenennung von KLASSENTREFFEN 2.0 in DIE HOCHZEIT vom Vorgänger zu distanzieren, der bei Kritik und Publikum durchfiel und unter den üblichen Einspielergebnisen eines Schweigers zurück blieb.
Handlung und Szenen sind teilweise identisch übernommen. Allerdings ist alles sehr schlecht geschrieben, inszeniert und gespielt. Till Schweiger breitet über seinen Musiker Tommy sein gestörtes Verhältnis zu Filmkritikern intensiv auf. Seine beiden Kumpel inszeniert Til Schweiger als hysterisch-gestörte Schreihälse, die im Vergleich zu seiner Rolle erneut als beziehungsunfähige Verlierer herab gewürdigt werden, wodurch es im gesamten Film außer einer Randfigur mit Liebeskummer nicht einen einzigen sympathischen Charakter gibt. Alle Szenen, die im Original funktionieren, verlängert Til Schweiger auf das Mehrfache der ursprünglichen Länge. Besonders Milan Peschel, den ich die meiste Zeit als vielseitigen und sehr guten Schauspieler kannte, tat mir bisher leid. Doch auch bei ihm ist mein Mitgefühl begrenzt, da er sich inzwischen ebenfalls total verschweigern lässt.
Ansatzweise kommt wieder Schweigers Homophobie in Person eines schwulen Hochzeitsplaners als Tuntenklischee durch. Sein fragwürdiges Frauen- und Homosexuellenbild aus KLASSENTREFFEN 1.0, dem schlechtesten Film des vergangenen Jahrzehnts bleibt uns darüber hinaus weitgehend erspart. Außerdem bleiben uns diverse Stunts seiner Frauenfiguren über Tische, Theken und Autos und in den Wäscheschacht erspart, bei denen die Kameraperspektive immer unter die Gürtellinie – genauer unter den Rock – ging. Auf die Szene mit den beiden Stripperinnen verzichtet Schweiger ebenso wie auf einen überfahrenen Hasen und den Blick auf den Penis des Toten im Sarg. Aber die Schafherde gibt es auch hier. In diesen Angelegenheiten scheint jemand Til Schweiger zur Zurückhaltung geraten zu haben und Til Schweiger hielt sich scheinbar teilweise an die Ratschläge.
Dagegen addiert Til Schweiger zur Originalhandlung erneut die Figur seiner Stieftochter in Spe, gespielt von seiner eigenen Tochter Lilli und eine Nebenhandlung über einen Jungen, der seine und Lilli´s Freundin und Niels´ Tochter verließ, weil er in Lilli verliebt ist und dazu die Mädchenfreundschaft strapaziert. Zusätzliches Bonusmaterial ist eine Tortenschlacht vor der Hochzeitszeremonie, die Schweiger an drei Tagen bei 34°C drehen ließ und deren Teilnehmenden ausnahmslos aussehen wie aus der Tourismuswerbung.
Erneut peinigt uns Til Schweiger mit einem hyperaktiven Schnitt, der allerdings nicht ganz so exzessiv ist wie bei KLASSENTREFFEN 1.0. Trotzdem zerlegt Schweiger erneut harmlose Gesprächsszenen in zig Einzeleinstellungen. Eine Woche vor Kinostart waren Lilli und Til Schweiger Gäste zum Höflichkeitsplausch bei Barbara Schöneberger in der NDR-Talkshow, wo ein Ausschnitt von 50 Sekunden mit einem Dialog über Tommy´s Hochzeitsgelübde gezeigt wurde, den Til Schweiger tatsächlich in 40 Einstellungen zerhackte. Eine Autoverfolgungsjagt mit Karambolagen bei FAST & FURIOUS oder TRANSFORMERS ist dagegen Entspannung pur.
Die englischsprachige Schmusepop-Kakophonie üblicher Til-Schweiger-Filme wird zu Gunsten klassischer deutscher Schlager reduziert; das ist nicht unbedingt mein Musikgeschmack aber immerhin abwechslungsreich, wobei Schweiger auch permanent fast alles ohne Rücksicht auf den Szenenablauf damit zumüllen lässt.
Die Produktplatzierungen: Am ärgerlichsten ist allerdings die penetrante Werbung für zahlreiche Produkte aus Til Schweiger´s Unternehmen. Wir sehen Werbung für einen Versicherungskonzern, für den Schweiger gemeinsam mit seiner Tochter Emma Tiger macht(e). Til Schweiger hat eine eigene Biermarke, ein Weingut auf Mallorca, mehrere Restaurants und Hotels sowie einen Vertrieb für Mode und Wohnungsdekoration. Im Film sehen wir mehrfach Szenen mit Til´s Bier, Til´s Wein, Til´s Zirbenholz-Brotkorb und vermutlich Til´s Kleidung und Til´s Geschirr. Der gesamte Film ist ausgestattet wie Schöner-Wohnen aus Til´s Möbel- und Einrichtungskatalog. Gedreht wurde in Til´s Pizzeria, Til´s Restaurant und Til´s Hotel; die Sponsorenliste im Abspann besteht zur Hälfte aus Til-Schweiger-Unternehmen. Co-Hauptdarsteller Samuel Finzi tritt übrigens als eines von mehreren Models im Internetshop von Til´s Mode- und Einrichtungsmarke auf. Til Schweiger lässt sich seine minderwertigen Filme also nicht nur mit deutscher Filmförderung finanzieren sondern auch seine weiteren Unternehmungen durch Aufträge bzw. Werbung davon profitieren. Wer spontan an das böse K-Wort denkt, sollte sich keine Vorwürfe machen.
Til Schweiger ist ein genialer Geschäftsmann; das muss man ihm lassen. Als Filmemacher hat er keine Ahnung von Filmsprache und Tempo und ist einfach unfähig.
Fazit: Und immer, wenn man denkt, schlimmer geht es nicht mehr, kommt tatsächlich Til Schweiger daher.
Natürlich hat auch Til Schweiger das Recht, Filme zu drehen und ins Kino zu bringen. Dann sollte er sie mit den Einnahmen aus früheren Filmen und seinen zahlreichen Unternehmen und Subunternehmen finanzieren. Aufgrund seines diskussionswürdigen Produktplatzierungs-Verhaltens sollte Til Schweiger auf die schwarze Liste kommen und nie wieder einen Pfennig oder Cent Filmförderung erhalten.
Als deutscher Staatsangehöriger schäme ich mich dafür, dass in meinem Heimatland so etwas gedreht und hergestellt und mit öffentlicher Filmförderung finanziert wird. Das Anschauen des Films am Samstagabend in einem mit neun Zuschauern/innen bevölkerten 420-Plätze-Kino ist die Vorstufe zum körperlichen Schmerz. Der Film ist insgesamt nicht besser als sein vorgänger sondern nur nicht ganz so schlecht - das ist ein Unterschied.